
Normalerweise gelten US-Bundespolitiker im Silicon Valley vor allem als Bremser. Doch derzeit spenden Unternehmer und Wagnisfinanzierer im Epizentrum der US-High-Tech-Industrie ihnen fast einhellig Lob.
Grund ist der sogenannte Jobs-Act – „Jump-start Our Business Start-ups” – den die sonst tief zerstrittenen Demokraten und Republikaner in seltener Einmütigkeit in Windeseile durchgedrückt haben, zum Grausen von Anlegerschützern.
Das neue Regelwerk erleichtert es Unternehmen, Gelder von privaten Investoren einzuwerben, und lockert die Auflagen für Börsengänge. Während seine Befürworter – allen voran US-Präsident Barack Obama – von Tausenden Unternehmensgründungen, Millionen neu geschaffener Jobs und einem Börsenboom schwärmen, wittern Kritiker eine neue Masche, mit deren Hilfe Kleinanlegern das Geld aus der Tasche gezogen werden soll. Parallelen zum Subprime-Boom der billigen Immobilienkredite, der am Anfang der Finanzkrise stand, drängen sich auf. Nur dass Privaten diesmal nicht überteuerte Immobilien zur Altersvorsorge angedreht werden, sondern wertlose Anteile an Unternehmen. „Investoren könnten das Vertrauen in unsere Märkte verlieren“, warnt Mary Schapiro, Chefin der US-Börsenaufsicht SEC.
Doch Obama und seine republikanischen Kontrahenten wollen die Gefahren nicht sehen. Der US-Präsident möchte sich im Wahlkampf als Wirtschaftsförderer hervortun und dabei vor allem das Silicon Valley einspannen. Wobei ihm die Namensgleichheit des Gesetzes mit der verstorbenen Apple-Gründerlegende Steve Jobs zugutekommt. Und Obamas republikanische Gegner meinen ohnehin, dass die Wall Street zu stark reguliert ist und die Märkte permanent künstlich abgewürgt werden.
„Gerade für kleinere Unternehmen wird das Einsammeln von Fremdkapital einfacher“, wirbt Naval Ravikant. Der Silicon-Valley-Unternehmer machte seine ersten Millionen mit dem Verkauf seines Startups Epinions.com an den Online-Händler Ebay und war einer der ersten Investoren des Kurznachrichtendienstes Twitter. Seit eineinhalb Jahren betätigt sich Ravikant als Business Angel, also als Kuppler für Unternehmer und Investoren.
Sein Unternehmen Angellist vermittelt Privatinvestoren an Startups. Auf seiner Plattform können sich Unternehmen mit ihren Ideen präsentieren.

Kapital von Geringverdienern
Bislang bewegte sich Ravikant mit seinem Geschäftsmodell auf dünnem Eis. Weil Investitionen in sehr junge Unternehmen Anleger leicht ruinieren können, mussten seine Geldgeber theoretisch ein Vermögen von mindestens einer Million Dollar nachweisen. Weil dies in der Praxis schwer nachprüfbar ist, blieb ein rechtliches Risiko für die Vermittler und die von ihnen bedachten Unternehmen. Umstritten war auch, ob die Startups überhaupt öffentlich um Geld werben dürfen.
Nun sollen dank des Jobs-Act auch Normalverdiener mit amtlichem Segen ihr Geld frühzeitig in Startups stecken und so zu Vorbörsen-Multimillionären à la Facebook aufsteigen können – ab einem Haushaltseinkommen von 40 000 Dollar dürfen sie maximal zwei Prozent ihres Jahresverdienstes, darüber fünf Prozent und ab 100 000 Dollar zehn Prozent ihrer Einkünfte in Startups investieren.
Allerdings können Privatanleger nicht direkt Geld in Unternehmen stecken, sondern müssen Vermittler wie Ravikant zwischenschalten. Diese müssen bei der SEC registriert sein. Unternehmen wiederum dürfen über diese speziellen Vermittler maximal eine Million Dollar pro Jahr an Wachstumskapital einsammeln. Dafür dürfen sie nun öffentlich ohne Probleme kundtun, dass sie gerade Investoren suchen.
Doch das Investieren in Jungunternehmen ist hochriskant. „Wir werden eine neue Anlagebetrugswelle sehen“, prognostiziert Eliott Spitzer. Der Politiker, der heute als Kommentator für US-Fernsehsender arbeitet, profilierte sich nach dem Platzen der Dotcom-Blase und dem Milliardenbetrug von Enron und Worldcom als Chefankläger gegen die Wall-Street-Banken und katapultierte sich so auf den Posten als Gouverneur von New York – bis er sich mit einer Prostituierten ertappen ließ.