Rohstoffe USA fördern erstmals mehr Öl als Saudi-Arabien

Russland verteidigt die Spitze der Ölförderung, doch Saudi-Arabien verliert Platz zwei. Grund: Schieferöl aus den USA ist gefragt.

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Frankfurt Genau 10,038 Millionen Barrel – so viel Öl haben die USA im November 2017 täglich gefördert. Damit haben die Amerikaner die Marke von zehn Millionen bereits deutlich früher geknackt als angenommen. Das zeigen jetzt veröffentlichten Daten der US-Energiestatistikbehörde EIA. Ursprünglich war die EIA davon ausgegangenen, dass die Amerikaner dieses Niveau erst im Februar dieses Jahres erreichen werden.

Die Zahlen verdeutlichen, mit welch rasantem Tempo sich die USA in Richtung der Spitze der Ölförderländer der Welt vorarbeiten. Mit dem jüngsten Meilenstein haben sie sich an Saudi-Arabien (9,929 Millionen Barrel pro Tag) auf Rang zwei geschoben. Vor ihnen rangiert nur noch Russland, das mit 10,3 Millionen Barrel Rohölproduktion in Sichtweite liegt. Es ist also nur noch eine Frage der Zeit, bis sich die USA endgültig an die Spitze der Ölförderländer setzt. „Bis Ende des Jahres sind elf Millionen Barrel eindeutig ein erreichbares Produktionsziel“, sagt David Wech, Chef der Wiener Energieanalysefirma JBC Energy.

Von der Opec ist zum neuen Rekord der USA bislang nichts zu hören. Es darf jedoch bezweifelt werden, dass die Nachricht dort freudig aufgenommen wurde. Erst vor einer Woche hatte der saudische Ölminister Khalid Al-Falih in Davos den Hype um den Schieferölboom in den USA kritisiert. Er bestreite die beeindruckende Schieferölrevolution nicht, aber angesichts des Verhältnisses von Angebot und Nachfrage werde sie auf Dauer den Ölmarkt nicht negativ beeinflussen.

Al-Falihs Kommentar war eine direkte Spitze in Richtung Faith Birol. Er ist Präsident der Internationalen Energieagentur, einer Organisation, die einst als Gegenstück zum Ölkartell Opec gegründet wurde, um die Interessen der ölimportierenden Staaten zu vertreten. Birol hat in seinem aktuellen Energieausblick die US-Amerikaner zum „unangefochtenen Öl- und Gas-Anführer in den kommenden Jahrzehnten“ gekrönt.

Die nach oben korrigierten Produktionszahlen der EIA zeigen aber auch eines: Die Opec hat sich mit ihren Prognosen zur Förderung in den USA mächtig verschätzt. Laut den jüngsten Zahlen konnten die Amerikaner ihre Produktion im vergangenen Jahr um 1,1 Millionen Barrel pro Tag steigern. Das Ölkartell selbst geht in seinem jüngsten Report aus dem Januar nur von einem Anstieg von 0,6 Millionen Barrel aus.

Zwar betont Al-Falih, dass er den Boom in den USA nicht fürchte. Ganz geheuer dürfte ihm und seinen Kollegen das Geschehen aber nicht sein. Erst vor kurzem haben sich Saudi-Arabien und Russland die Treue geschworen. Ihre Partnerschaft werde über „Jahrzehnte und Generationen“ andauern, erklärte Al-Falih. Saudi-Arabien und Russland gelten als die beiden maßgeblichen Länder hinter den orchestrierten Förderkürzungen von Opec und zehn weiteren Ländern, die seit Anfang 2017 täglich auf 1,8 Millionen Barrel ihrer Förderung verzichten, um den Ölmarkt zu stabilisieren. Der Deal wurde geschmiedet, nachdem der Ölpreis infolge einer Schieferölflut zwischen 2014 und Anfang 2016 von über 110 auf zeitweise weniger als 30 Dollar je Barrel fiel.

Bislang halten sich die Staaten an die Abmachung und haben den Markt offenkundig von einem Überangebot in ein Angebotsdefizit gedrückt. Denn die Öllagervorräte der Welt sinken kontinuierlich, der Ölpreis liegt bei 70 Dollar auf einem Niveau, das er zuletzt vor drei Jahren erreichte.

Dennoch hält die Kürzungsallianz an ihrem ursprünglichen Plan fest, die Maßnahmen erst Ende 2018 auslaufen zu lassen, bestätigten Russland und Saudi-Arabien erst kürzlich.


Goldman erhöht Ölpreisprognose - trotz Schieferölbooms

Vermutlich wird der Ölmarkt diese Kürzungen auch brauchen, um sinkende Preise zu verhindern. „Durch die stärker steigende US-Ölproduktion wird das Nicht-Opec-Angebot deutlich stärker steigen als die globale Ölnachfrage – und der Bedarf an Opec-Öl entsprechend sinken“, erklären die Rohstoffanalysten der Commerzbank in einem Kommentar. Das heißt: Würde die Opec ihre Produktion erhöhen, würde sie damit die Welt überversorgen.

Und Experten erwarten 2018 erneut einen kräftigen Zufluss von Schieferöl. Artem Abramov von der Analysfirma Rystad Energy rechnet sowohl in diesem als auch im kommenden Jahr damit, dass die Schieferölförderung um 1,4 Millionen Barrel pro Tag wächst. Die Industrie wächst nicht zuletzt deshalb so kräftig, weil der Ölpreis in den vergangenen Wochen stark gestiegen ist. Je höher der Preis liegt, desto mehr Quellen lassen sich rentabel anzapfen.

Dass die Amerikaner nun schon frühzeitig die Marke von zehn Millionen Barrel pro Tag überschritten haben, sei vor allem ein „psychologisch wichtiges Ereignis“, sagt Spencer Welch, Ölanalyst von IHS Markit in London. Zwar gebe es wohl kaum jemanden in der Ölbranche, der den Aufstieg des Schieferöls noch nicht bemerkt habe, „aber das schiere Tempo der Produktionssteigerungen zieht jetzt noch einmal eine ganze Menge Aufmerksamkeit auf sich“. Welch rechnet damit, dass die USA spätestens Anfang 2019 an Russland vorbeiziehen und an die Spitze der Ölförderländer vorrücken wird.

Erst am Donnerstag hatten die Rohstoffanalysten von Goldman Sachs ihre Preisprognose für die kommenden sechs Monate auf 82,50 Dollar je Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent angehoben. Als Gründe nannten die Banker die hohe Nachfrage und die konsequent umgesetzte Förderkürzung von Opec und zehn weiteren Staaten.

Mit dieser Meinung aber steht Goldman bislang ziemlich allein da. Im Mittel rechnet die Branche mit einem Preis von 63 Dollar je Barrel zu Ende Juni. „Das rasante Wachstum der US-Ölproduktion wird die Ölpreise dämpfen“, sagt Welch von IHS Markit. 2019 könnte Öl im Jahresmittel bei 60 Dollar liegen – ein Siebentel günstiger als heute.

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