Rohstoffe Wie die großen Ölhändler auf den Batterie-Hype reagieren

Die größten unabhängigen Rohstoffhändler der Welt haben bislang vor allem auf Öl gesetzt. Doch Batterietechnologien bedrohen den Ölgeschäft.

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Der Transportsektor ist der wichtigste Abnehmer von Öl. Elektroautos könnten den Bedarf fallen lassen. Quelle: dpa

Lausanne Marco Dunand, der Chef- und Mitgründer von Mercuria, einem der größten unabhängigen Rohstoffhändler der Welt, hat es schon getan: Seine Familie hat in Elektromobilität investiert, gibt er zu, genau genommen in Tesla.

Was in einer Branche, die nicht zuletzt dank dem Ölhandel reich geworden ist, fast schon an Blasphemie grenzt, ist nur ein Sinnbild dafür, dass die Rohstoffhändler um ein Thema nicht umhinkommen: Dem Aufstieg der Batterietechnologie.

Dunands Kommentar stammt vom FT Commodities Summit in Lausanne, dem Gipfeltreffen der Rohstoffhändler am Genfer See. Angesichts der Fortschritte bei den Batterietechnologien macht sich in der Branche Unruhe breit. Die Financial Times hat dem Thema in diesem Jahr eigens eine Debattenrunde gewidmet.

Kein Wunder, das Potenzial für eine Umstellung im Energiehandel ist immens: „Manch einer mutmaßt schon, dass bereits 2030 400 Millionen Elektroautos auf den Straßen fahren“, gibt Paul Hornsell, Chef-Rohstoffanalyst von Standard Chartered den Takt für die Konferenz vor.

Die öffentliche Debatte hat längst eine Kehrtwende vollzogen: Wurde vor wenigen Jahren noch diskutiert, wann der Welt das Öl ausgeht, geht es im Kern der Frage heute darum, wann die Ölnachfrage ihre Höhepunkt erreicht.

Doch von einem derartigen „Peak Oil Demand“ will die Branche nichts wissen. Ian Taylor, der Vitol-Chef ist mit seiner Meinung, dass es Ende der 2020er Jahre soweit sein könnte, allein auf weiten Trading-Floors. Dabei könnte er es sich bequem machen: Vitol handelt täglich sieben Millionen Barrel Öl, etwa jedes vierzehnte Fass gemessen am weltweiten Verbrauch.

Das Gros seiner Rivalen sieht das anders, auch Mercuria-Chef Dunand, dessen Unternehmen 2,5 Millionen Barrel Öl pro Tag handelt. Heute seien gerade einmal 0,2 Prozent aller zugelassenen Autos elektrisch betrieben und keiner könne wirklich vorhersagen, wie schnell die Zahl, geschweige denn der Anteil an der globalen Fahrzeugflotte wächst. Trafigura-Chef Jeremy Weir ist überzeugt: Die Nachfrage nach Öl werde sehr wahrscheinlich auch nach 2025 noch wachsen.

Doch manch privater Konzern stellt sich der Debatte: BP hat in seinem aktuellen Prognosebericht eingeräumt, dass es möglich sei, dass die Ölnachfrage Ende der 2020er Jahre ihren Höhepunkt überschreite. Eine Studie von Bloomberg New Energy Finance kam Ende 2017 zu dem Schluss, dass der Aufstieg der Elektroautos bis 2040 die tägliche Ölnachfrage bis zu acht Millionen Barrel kosten könnte. Zum Vergleich: Heute verbraucht die Welt rund 98 Millionen Barrel Öl pro Tag.

Nach Meinung von Paul Stevens, Ölexperte und Fellow am renommierten Chatham House Institut in London, überschätzten eine Reihe von Institutionen – vom Ölkartell Opec bis zur Internationalen Energieagentur – die künftige Ölnachfrage. In der OECD, also den Industrienationen und einzelnen Schwellenländern, sei der Nachfragezenit schon überschritten.

„Es stellt sich nicht die Frage danach, wann die Nachfrage sinkt, sondern was danach passiert. Viele glauben, dass die Nachfrage allmählich abnehmen wird. Ich glaube jedoch, dass sie wie über ein Klippe fällt“, sagt Stevens.

Seine Annahme begründet er damit, dass die Welt vor einer immensen Energietransformation stehe. Ähnliches habe es schon einmal gegeben, zwischen Mitte und Ende des 19. Jahrhunderts in den USA. „Damals wandelte sich der Energieverbrauch von 80 Prozent Holz und 20 Prozent Kohle binnen weniger Jahrzehnte zu 80 Prozent Kohle und 20 Prozent Holz.“ Öl drohe ein ähnlicher Bedeutungsverlust, der von technologischen Fortschritt und zunehmender Regulierung aus Umweltsorgen – Beispiel: Fahrverbote für Verbrennungsmotoren – vorangetrieben wird.


Vitol setzt auf Batterien

Es ist nicht zwangsläufig so, dass die Händler die Zeichen der Zeit übersehen. Sie sind Opportunisten und versuchen solange gute Geschäfte zu machen, so lange es eben geht. Locken anderswo Gewinne, greifen sie zu. Torbjörn Törnqvist, Chef von Gunvor, stellt sein Handelsgeschäft zwar nicht auf den Kopf.

Doch er erkennt, dass sich die Welt in einer Energieumstellung befindet. Elektroautos etwa nähmen gerade erst an Fahrt auf. Batterien seien aber nicht die einzige Alternative. Gerade das Geschäft mit Flüssiggas, kurz LNG für „Liquefied Natural Gas“, wachse im Moment wesentlich schneller als das mit Öl.

Während bei den meisten Rohstoffhändlern die Batterie-Investments noch im persönlichen Bereich – lies: bei den Autos – festhängen, drängt Vitol schon stärker in den Elektrobereich vor. Anfang dieses Jahres verkündete die Vitol-Tochter Vitol Energy, den 50 Megawatt starken größten Batteriespeicher Großbritanniens ans Netz gebracht zu haben. Der designierte Taylor-Nachfolger Russell Hardy erklärte dazu: „Batterien sind der Schlüssel für die zukünftige Energielandschaft, sowohl in Großbritannien als auch in der Welt.“ Geht es nach Vitol, verschifft der Rohstoffhändler künftig nicht mehr nur Öl in Supertankern um die Welt, sondern vielleicht auch Strom in Batteriespeichern.

Wurde Taylor auf der Oil & Money-Konferenz in London im Herbst 2017 für seine Ansichten zum Höhepunkt der Ölnachfrage noch belächelt, reagieren seine Rivalen nun. Trafigura beispielsweise, der drittgrößte unabhängige Ölhändler der Welt, plant, seinen Metallhandel weiter auszubauen, weil dort größere Gewinne lockten.

Ende vergangenen Jahres investierte der Händler mit Sitz in Genf und Singapur 175 Millionen Dollar in den finnischen Konzern Terrafame, nicht zuletzt um den Bau einer Nickel- und Kobaltfabrik zu unterstützen. Nickel und Kobalt zählen zu den wichtigsten Komponenten bei der Batterieherstellung. Glencore, der Rohstoffgigant aus dem schweizerischen Baar, hat sich frühzeitig zwei Drittel der weltweiten Kobalt-Reserven gesichert, allen voran in der Demokratischen Republik Kongo.

Nun, da sich der Kobalt-Preis seit Anfang 2016 auf knapp 90.000 Dollar je Tonne mehr als vervierfacht hat, hat Glencore-Chef Glasenberg gut reden: Die Autobranche hätte die Zeitenwende verschlafen, erklärt er in Lausanne. Er könnte genauso gut das Gros seiner Konkurrenten gemeint haben.

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