Werden deutsche Aktien besonders leiden?
Zulauf: Ja, vor allem im Dax und MDax. Ihnen droht Ungemach von zwei Seiten. Die nordasiatischen Länder haben zwar funktionierende Produktionssektoren und hohe Kapazitäten in ihren Ländern, etwa in China, Taiwan oder Korea. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen die Produzenten nun die Gewinnmargen senken. Die Rentabilität kommt also unter Druck und teilweise fällt der Wechselkurs. In den restlichen Schwellenländern wie der Türkei, Brasilien oder Indien gab es hohe Leistungsbilanzdefizite und sie können es sich nicht mehr leisten, viel zu importieren. Von dieser Seite bricht auch ein Teil der globalen Nachfrage weg. Beides ist ein sehr starker Gegenwind für die europäische Produktion, weil die Verkaufserlöse und die globale Nachfrage zurückgehen. Zusammen ist das schon ein disinflationärer oder sogar deflationärer Effekt, der auf europäische Unternehmen zukommt und Deutschland besonders stark trifft. Aber die Bundesregierung hat ja alles bestens im Griff und bereits gesagt, Deutschlands Handelsbilanzüberschüsse seien sowieso nicht so gut und sollten verringert werden. Verzeihen Sie die Ironie.
Franc: Es wird noch für eine geraume Zeit Druck da sein. Die Kursrückschläge vom Januar waren nur der Vorgeschmack auf das, was noch kommen dürfte. Jetzt stehen wir möglicherweise am Beginn einer zweiten Welle. Wir sind in diesem Bullenmarkt schon weit fortgeschritten. Die Bewertungen sind hoch. Trotzdem erwarten viele, dass es noch weiter rauf geht, bis zum 18-fachen der erwarteten Unternehmensgewinne im Aktienindex S&P zum Beispiel. Das war in der Rückschau aber bisher nur einmal der Fall, nämlich zwischen 1998 und 2000. Wir sind zwar nicht an einem Punkt wie vor dem Platzen der New-Economy-Blase damals, aber es gibt schon wieder viele Börsengänge von Unternehmen, die noch Verluste schreiben. Es ist sehr viel Euphorie im Spiel. Das zeigt zum Beispiel auch der Kauf von Twitter durch Facebook für 18 Milliarden Dollar.
Bislang hat der Markt alle Warner vor zu hohen Bewertungen widerlegt.
Franc: Bisher ist es immer wieder gut gegangen und der Markt vermochte immer wieder aufzustehen – obwohl die Signale aus China schon seit Jahresbeginn bedenklich sind. Das hat der Markt immer wieder weggesteckt. Aber der Krug geht solange zum Brunnen, bis er bricht. Meist geht das länger, als man denkt. Die Gewinnmargen kommen unter Druck, die Insider-Verkäufe nehmen zu, die Aktienbewertungen steigen. Irgendwann kippt das Ganze. Zum Beispiel sind am US-Markt die Lombardkredite im Verhältnis zur Bewertung am Aktienmarkt so hoch wie nur selten in der Geschichte. Viele Aktienkäufe wurden durch solche Lombardkredite finanziert. Wenn der Druck zu groß wird, müssen Investoren ihre Aktien wieder verkaufen. Es kann also in einer solchen Situation viel in ziemlich kurzer Zeit passieren.
Wie schlimm wird es Ihrer Schätzung nach?
Franc: Wir glauben zwar nicht, dass uns der Weltuntergang bevorsteht, aber es könnte schon eine sehr scharfe Korrektur geben. Im breiten US-Index kann es dann schon mal 10 bis 20 Prozent korrigieren. Aber das kann auch ein guter Einstiegszeitpunkt sein. Ähnlich sehen wir das für den japanischen Nikkei. Auch da könnte es zu einer kurzen und heftigen Korrektur kommen. Aber längerfristig sind wir eigentlich ziemlich bullish für den Nikkei. Regierungschef Abe wird sein monetäres Experiment fortsetzen und den Yen längerfristig schwächen. Dadurch dürften auch die Aktien längerfristig steigen.
Zulauf: 2013 war ja ein sensationelles Aktienjahr. Wenn es jetzt zur Korrektur von zehn oder 20 Prozent – je nach Aktienmarkt - kommt, entspricht das einer gesunden Bereinigung. Danach muss man wieder schauen, wo es gute Kaufgelegenheiten bei Aktien gibt.
Die Konjunkturprognosen zum Jahresbeginn waren überraschend positiv. Sind die jetzt alle überholt?
Zulauf: Wir teilen die mehrheitliche Einschätzung der Konjunktur für die USA. Für die amerikanische Wirtschaft sind wir optimistisch. Unter dem Strich wird sie sogar von den Turbulenzen im asiatischen Raum und auch im europäischen Raum profitieren. Auf der anderen Seite glauben wir, dass die Konjunkturprognosen für den asiatischen Raum im Allgemeinen und für China im Besonderen dramatisch zu hoch liegen. In Europa sehen wir nach wie vor keine Basis für ein solides Wirtschaftswachstum. Die sehr optimistischen Prognosen für den Euro-Raum liegen vor allem in weichen Stimmungsindikatoren begründet, die sich zweifellos gut entwickelt haben. Aber bei den harten Zahlen, wie beim Kreditwachstum, überzeugt der Aufschwung nicht. Da sind wir bei minus fünf Prozent im Jahresvergleich. Wir befinden uns also in einem Entschuldungsprozess. Außerdem sehen wir in der Euro-Zone das, was die Schweizer Großbanken als Folge der Finanzkrise schon weitestgehend abgeschlossen haben: die Halbierung der Bilanzsumme bei den Banken. In der Euro-Zone beginnt das jetzt erst, die Stresstests stehen vor der Tür. In so einem Umfeld erwarten wir nicht, dass die Konjunktur sonderlich positiv überrascht.