Technisch läuft die Absicherung über Optionen. Das sind Finanzinstrumente, die ihrem Besitzer das Recht geben, zum Beispiel den Dollar zu einem späteren Zeitpunkt zu einem bereits heute vereinbarten Preis zu kaufen oder zu verkaufen. Veränderungen des Optionspreises sollen Währungsschwankungen ausgleichen. Weil Optionen irgendwann fällig werden, viele Zertifikate aber unbegrenzt laufen, müssen immer wieder neue Optionen mit ihnen verknüpft werden. „Dies alles genau zu berechnen und stets möglichst aktuell zu halten ist für Emissionsbanken durchaus kompliziert und kann im Laufe der Jahre zu einer erheblichen Fehlerquote führen“, sagt ein ehemaliger Banker von Goldman Sachs.
Für Anleger können Fehler in der Quanto-Berechnung teure Folgen haben. Wenn der Basiswert eines Zertifikats, etwa der Goldpreis, in einem Jahr um 15 Prozent steigt und die Währungssicherung zwei Prozent pro Jahr kostet, bleiben unterm Strich 13 Prozent übrig. Wenn nun aber die Emissionsbank die Quanto-Gebühr falsch berechnet und womöglich vier Prozent abzieht, bleiben dem Anleger nur noch elf Prozent. Je länger solche Fehlberechnungen anhalten, umso größer der Schaden für Anleger.
Genau dieser Langzeiteffekt machte sich bei den RBS-Papieren bemerkbar.
Zu den beliebtesten Zertifikaten auf dem deutschen Markt gehören seit mehr als zehn Jahren Papiere auf den Goldpreis. Jede führende Zertifikatebank hat ein solches Papier im Angebot; natürlich auch in Quanto-Version, verspricht die doch die gleiche Wertentwicklung wie die bekannte Goldpreiskurve in Dollar, weil sie die Währungsschwankungen eliminiert. Einer der Bestseller dieser Art, ein währungsgesichertes Goldzertifikat der Deutschen Bank, wurde sogar von Börsen und Fachgremien als „Zertifikat des Jahres“ ausgezeichnet.
WirtschaftsWoche warnte vor „fataler Gebührenfalle“
In der Phase des Goldpreisanstiegs bis 2011 liefen alle Gold-Quantos fast genauso wie Gold in Dollar – auch das wichtigste RBS-Gold-Zertifikat mit der Nummer A0AB84. Seit 2011 jedoch, das zeigt der Chartvergleich, driften die Kurven auseinander. Während Gold in Dollar in der Baisse 2011 bis 2015 um 45 Prozent sank, verlor das RBS-Zertifikat 60 Prozent. Das vergleichbare Papier der Deutschen Bank schlug sich deutlich besser.
Die WirtschaftsWoche warnte am 16. September 2013 vor der „fatalen Gebührenfalle“ bei RBS-Quanto-Zertifikaten. Die RBS berechnete zum damaligen Zeitpunkt 3,66 Prozent jährliche Quanto-Gebühr, deutlich mehr als andere Banken. „Dass bestimmte Werte für die Festsetzung der Höhe der Quanto-Gebühr nicht aktualisiert worden waren, wurde damals nicht bemerkt“, sagt RBS-Sprecherin Andrea Blecker. Je länger die Zertifikate auf dem Markt waren, desto stärker wirkten sich die Fehler aus.
Vor zwei Jahren begann die Royal Bank of Scotland damit, sich des Zertifikategeschäfts zu entledigen. Ab Herbst 2014 ging die ganze Palette der RBS in mehreren Schritten auf die französische Großbank BNP Paribas über. Spätestens bei dieser Migration, so vermuten Vertreter der beteiligten Banken gegenüber der WirtschaftsWoche, seien die falschen Kurse offensichtlich geworden. Am 14. Dezember 2015 informierte die RBS deshalb Kunden der Banken, über die ihre Zertifikate verkauft worden waren. Auf sechs Seiten listete sie die Zertifikate auf, bei der sie falsche Kurse festgestellt hatte.