Russische Börse Kaufen, in der Hoffnung, dass die Kanonen nie donnern

Quelle: imago images

Russische Aktien spiegeln derzeit die Anspannung an der Grenze zur Ukraine wider. Doch das könnte sich bei einem Sieg der Diplomatie schnell ändern. Die Bewertungen sind jedenfalls günstig.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Normalerweise müssen Anleger eigentlich nur auf den Ölpreis schauen, wenn sie wissen wollen, wie es an der russischen Börse gerade läuft. Kein Wunder: Russland ist der zweitgrößte Erdölexporteur der Welt, die russische Wirtschaft hängt an Öl und Gas. 

Doch das Ölbarometer hilft an der Moskauer Börse derzeit nicht weiter. Im Moment erklimmt der Ölpreis Höchststände und die russische Börse ist trotzdem äußerst schwach, gezeichnet von Kriegsängsten und der Sorge vor internationalen Sanktionen. Denn was ist im Moment schon normal? 

Seit seinem Hoch Ende Oktober hat der russische Aktienindex RTS über 20 Prozent verloren. Er wird in Dollar berechnet, sodass der parallele Wertverfall des Rubel – um fast zehn Prozent zum Dollar – wenigstens einen Teil des Rückgangs erklären kann. 

Moskaus Börse setzt auf Entspannung

An der Börse kamen allerdings auch die jüngsten Entspannungssignale an: etwa die Ankündigungen möglicher Truppenrückzüge seitens Russlands und die Spekulation über einen möglichen Verzicht der Ukraine auf einen künftigen Nato-Beitritt. 

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) brachte seine Sicht auf den Nenner, Sicherheit in Europa sei nicht gegen Russland, „sondern nur mit Russland“ möglich. „Wir sind bereit, gemeinsam mit allen Partnern und Verbündeten in der EU und der Nato und mit Russland über ganz konkrete Schritte zur Verbesserung der gegenseitigen – oder noch besser, der gemeinsamen – Sicherheit zu reden“, so Scholz bei seinem Antrittsbesuch in Moskau am Dienstag.

Doch die Lage bleibt instabil. Putin forderte Garantien, dass die Nato ihr Gebiet nicht auf die Ukraine ausdehnen werde. Die USA zweifelten die Ernsthaftigkeit der Truppenrückzüge an. 



Mit jeder neuen Schlagzeile zucken an der Moskauer Börse die Kurse. Seinen vorläufigen Tiefpunkt hatte der RTS-Index bereits am Montag, dem 24. Januar, erreicht – mit 1260,55 Punkten. Damals spitzte sich der internationale Druck auf Russland zu. Die USA hatten gemeinsam mit mehreren europäischen Staaten vor einer harten Reaktion auf einen möglichen Angriff auf die Ukraine gewarnt. Der Ukraine sicherten sie damals uneingeschränkte Unterstützung zu, mit Blick auf deren Souveränität und territoriale Integrität.

Grundsätzlich gibt das die Haltung auch heute noch wieder. Und doch setzte die Börse zuletzt eher auf diplomatische Erfolge, nicht auf Eskalation. Der RTS-Index jedenfalls notiert schon wieder fast 20 Prozent über seinem Januar-Tief. Einige Experten wittern gar Kaufkurse. 



Ein wichtiges Argument: Die an der Moskauer Börse notierten Unternehmen sind häufig günstig bewertet. Im RTS-Index notieren die Unternehmen nur etwa zum Fünffachen des für dieses Jahr erwarteten Gewinns. Zum Vergleich: Im deutschen Dax liegt dieses geschätzte Kurs-Gewinn-Verhältnis bei fast 14, im US-Aktienindex S&P 500 sogar bei rund 20.

Lesen Sie auch: Welche Strategie ist die richtige, wenn völlig unklar ist, wie weit die andere Seite wirklich geht? Und welche Lösungen für die Ukraine-Krise sind realistisch? Ein Verhandlungsexperte gibt Einblicke.

Unsicherheit können Anleger eben nicht ausstehen – und davon gibt es in Russland momentan reichlich. Allerdings sind die jüngsten Spannungen für einige dort notierte Unternehmen nicht nur negativ: Denn die russische Börse wird von Energiewerten geprägt. Das staatlich dominierte Energieunternehmen Gazprom kommt im nach Marktkapitalisierung gewichteten RTS-Index rechnerisch auf 15,9 Prozent Anteil. Eine Obergrenze fährt das Gewicht auf 15 Prozent zurück. Mit dem Ölkonzern Lukoil (13 Prozent Gewicht im RTS) folgt ein weiterer Energiekonzern auf dem zweiten Rang. 

Kriegsängste treiben Öl- und Gaspreis

Die jüngsten Spannungen zwischen Russland und der Ukraine weckten Sorgen vor einem knapperen Angebot an Öl und Gas und ließen die Preise der Energierohstoffe kräftig steigen. Seit seinem Tief im Spätsommer 2021 hat der Ölpreis beispielsweise gut 40 Prozent gewonnen. Doch auch das konnte die Aktionäre von Gazprom und Lukoil jüngst nicht vor Verlusten schützen. Immerhin hielten die Kurse der Energiekonzerne sich aber besser als der RTS-Index selbst.

Das interessiert WiWo-Leser heute besonders

Geldanlage Das Russland-Risiko: Diese deutschen Aktien leiden besonders unter dem Ukraine-Krieg

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine belastet die Börsen. Welche deutschen Aktien besonders betroffen sind, zeigt unsere Analyse.

Krisenversicherung Warum Anleger spätestens jetzt Gold kaufen sollten

Der Krieg in der Ukraine und die Abkopplung Russlands von der Weltwirtschaft sind extreme Inflationsbeschleuniger. Mit Gold wollen Anleger sich davor schützen – und einer neuerlichen Euro-Krise entgehen.

Flüssigerdgas Diese LNG-Aktien bieten die besten Rendite-Chancen

Mit verflüssigtem Erdgas aus den USA und Katar will die Bundesregierung die Abhängigkeit von Gaslieferungen aus Russland mindern. Über Nacht wird das nicht klappen. Doch LNG-Aktien bieten nun gute Chancen.

 Was heute noch wichtig ist, lesen Sie hier

Dort folgt auf dem dritten Rang nach Gewichtung übrigens das erste Nicht-Energie-Unternehmen, die Sberbank Finanzgruppe. Vor allem bei Finanzkonzernen – neben der Sberbank beispielsweise auch VTB – sind die Sorgen vor Sanktionen groß. Umso mehr hätten sie Kurspotenzial, wenn sich die Lage in der Ukraine entspannen sollte. Energiekonzerne wie Gazprom und Lukoil würden dann weniger profitieren, weil die Preise von Öl und Gas bei einer entspannteren Versorgungslage wieder nachgeben dürften.

So oder so bleibt die russische Börse momentan eine heiße Wette. Investieren sollten derzeit nur Spekulanten – oder Optimisten, mit Hoffnung auf Diplomatie und Frieden.

Mehr zum Thema: Russlands Staatschef hat im Westen erneut das Narrativ der berechtigten Sicherheitsinteressen etabliert. Ein dreifacher Erfolg im Machtkampf um die Ukraine – und eine Bestätigung von Russlands Selbstverzwergung zugleich. Ein Kommentar.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%