Russlandkrise Bitcoin: Ideal, um Sanktionen zu untergraben

Da die Identität von Bitcoin-Besitzern nur schwer zu ermitteln ist, könnte die Kryptowährung auch zur Umgehung von Sanktionen gegen Russland genutzt werden. Quelle: imago images

Kryptowährungen wie der Bitcoin sind dezentral und vergleichsweise anonym. Damit sind sie bestens geeignet, um Wirtschaftssanktionen zu umgehen – ein Problem bei der Suche nach Strafen für Russland.

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Vor knapp zwei Wochen war es noch eine kurze Nachricht am Rande: Russlands Regierung und die Zentralbank einigten sich darauf, Kryptowährungen wie den Bitcoin zu legalisieren und als Währung anzuerkennen. Und das, obwohl die russische Zentralbank nur ein paar Wochen zuvor noch gefordert hatte, das Mining von Bitcoin und Co. in Russland zu verbieten - angeblich aus Sorge um den hohen Stromverbrauch. Präsident Wladimir Putin allerdings forderte ein Einlenken der Zentralbank, und er hat es bekommen.

Womöglich kam die Forderung Putins nicht ohne Hintergedanken. Damals kaum wahrgenommen, wirft das Manöver nun ein ganz anderes Licht auf die Ukraine-Krise, auf Putins Invasion in der Ostukraine und vor allem auf die Sanktionen, mit denen der Westen die russische Wirtschaft nach Putins Invasion in der Ostukraine überziehen dürfte. Denn viele solcher Maßnahmen dienen normalerweise dazu, ein Land vom internationalen Zahlungsstrom abzuschneiden, den Unternehmen internationale Handelsgeschäfte zu erschweren.

Im Fall Russlands wird etwa diskutiert, das Land aus dem internationalen Zahlungsnetzwerk Swift auszuschließen, welches globale Zahlungen über ein einheitliches System ermöglicht. Der Ausschluss von Swift ist ein bewährtes Sanktionsmittel, so wurde etwa der Iran im Zuge von wirtschaftlichen Sanktionen ausgeschlossen. Zunächst will die EU Hunderte Personen und Unternehmen, darunter etwa 350 Abgeordnete des russischen Parlaments, auf eine Sanktionsliste setzen.

Kryptowährungen wie der Bitcoin – von Russland nun als Währung anerkannt – könnten allerdings ein Ausweg sein und die westlichen Bemühungen zunichte machen. Sie gelten als ein Instrument, um ebensolche Sanktionen zu umgehen. Der Grund: Die digitalen Coins sind vergleichsweise anonym. Die Personen hinter Zahlungen mit Bitcoin oder anderen Kryptowährungen können nur schwer identifiziert werden, anders als bei Euro oder Dollar. Während Bankkonten im Zuge von Sanktionen einfach gesperrt werden können, weil sie aufgrund von Name und Adresse des Kunden einfach zu bestimmen sind, ist das bei einer Wallet, also einem Portemonnaie für Kryptowährungen, nicht ohne Weiteres möglich.

Denn Kryptowährungen sind dezentral, sie werden weder von einer Zentralbank noch von irgendeiner Regierung kontrolliert. Sie basieren auf der Blockchain, einem dezentralen Datenprotokoll, in dem Transaktionen gespeichert werden. Wer mit Bitcoin bezahlt, taucht in diesem Protokoll mit seiner Walletadresse auf, einer langen Folge von bis zu 35 Zahlen und Buchstaben. Weder ein Name noch eine Adresse sind dabei. Zahlungen sind folglich so schwer nachzuvollziehen, dass Verstöße gegen Sanktionen kaum auffallen.

Manchmal passiert das allerdings doch. Im August 2020 etwa beschlagnahmten US-Ermittler Kryptowährungen im Wert von Millionen Dollar, mit denen sich die Terrorgruppen Al-Kaida und IS trotz Sanktionen finanzierten. Möglich ist das aufgrund der Transparenz des Kryptonetzwerks. Ermittler sind mittlerweile in der Lage, einzelne Walletadressen zu identifizieren und so Zahlungsflüsse in der Blockchain nachzuverfolgen.

Im großen Stil ist das allerdings in der dezentralen Kryptowelt kaum möglich – zumal weiterhin zahlreiche unregulierte Kryptobörsen keinerlei Identitätsnachweis von ihren Kunden verlangen. Oft reicht also irgendeine E-Mail-Adresse, um Bitcoin, Ether und Co. zu handeln.

Auch im Fall des Iran wird schon lange vermutet, das Land würde mit Hilfe von Kryptowährungen Sanktionen umgehen. Seit Inkrafttreten der Sanktionen ist der Anteil der Iraner, die Kryptowährungen verwenden, deutlich gestiegen. Mehr noch: Anfang Januar erlaubte die iranische Zentralbank Unternehmen, ihre Exporte und Importe mit Kryptowährungen zu bezahlen. So sollen Zahlungen an internationale Partner abgewickelt werden können. Auch die Deutsch-Iranische Handelskammer e.V., ein privater Verein zur Förderung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und dem Iran, weist auf ihrer Webseite darauf hin, dass Kryptowährungen einen Weg „außerhalb des konventionellen Bankensystems“ darstellten.

Für mögliche Sanktionen gegen Russland sind das schlechte Startbedingungen. Die US-Regierung um Präsident Joe Biden hat schon vor einer Weile erkannt, dass Kryptowährungen ihre Sanktionen tendenziell untergraben könnten. Deshalb hat das Weiße Haus im vergangenen Oktober neue Richtlinien für den Erlass vorgelegt und will Sanktionen künftig noch gezielter einsetzen. Auch der EU-Kommission ist das Thema bewusst. Schon Anfang des vergangenen Jahres berichtete die WirtschaftsWoche, die Kommission wolle das Thema untersuchen, um in diesem Jahr konkrete Empfehlungen oder gar einen Gesetzesvorschlag unterbreiten zu können. Noch haben die Regierungen allerdings wenig Konkretes vorzuweisen, Kryptowährungen kurzfristig entsprechend zu regulieren dürfte schwierig werden.

Welche Schlupflöcher das dezentrale Geld erzeugt, lässt sich aktuell in Kanada beobachten, wo seit Wochen Trucker mittels Blockaden gegen die Corona-Maßnahmen protestieren. Um die Proteste räumen zu können, musste Premierminister Justin Trudeau den Notstand ausrufen und das Ganze für illegal erklären – Banken und Finanzdienstleister könnten deshalb die Konten der Protestierenden sperren. Entsprechend schnell allerdings etablierte sich der Bitcoin als alternative Finanzquelle der Wahl. Nachdem sich die Trucker über ihre Kampagne auf der Plattform GoFundMe nicht mehr finanzieren konnten, wichen sie auf Kryptowährungen aus. Umgerechnet über eine Million Dollar soll so auf den Wallets der Trucker gelandet sein. Nun konnten einige Wallets der Trucker identifiziert werden, Trudeau forderte Kryptobörsen auf, alle Transaktionen dorthin zu stoppen.

Das Beispiel zeigt: Politik und Justiz können auch Krypto-Zahlungen ausfindig machen und sie eindämmen. Bis das gelingt, sind die Bitcoin allerdings meistens längst da angekommen, wo sie hinsollen.

Mehr zum Thema: Wie Spezialermittler die Identitäten hinter Zahlungen in Kryptowährungen ermitteln wollen, erfahren Sie in diesem Text.

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