Saudi-Arabien Frauen reißen am Golf die Macht an sich

Sie dürfen im erzkonservativen Saudi-Arabien nicht Autofahren – erobern nun aber die Unternehmenswelt. Frauen kämpfen am Golf für ihre Rechte. Unterstützung bekommen sie bei ihrem Vormarsch von unerwarteter Stelle.

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Die erste weibliche Superheldin aus Saudi-Arabien heißt Latifa. Kreiert hat sie das Unternehmen „Saudi Girls Revolution“. Quelle: AP

Berlin Der radikale Umbau Saudi-Arabiens schreitet voran – und Frauen werden immer wichtiger dabei. Obwohl sie außerhalb des riesigen Firmencampus des Ölgiganten Saudi Aramco bis heute nicht Autofahren dürfen, obwohl sie ohne männliche Begleitung oft nicht mal auf die Straße dürfen – jetzt treten sie in der Unternehmenswelt ins Rampenlicht. Mit Sara al-Suhaimi überwacht künftig erstmals eine Frau die saudische Börse. Mit Rania Nashar tritt als Chefin der Samba Financial Group erstmals eine Frau den CEO-Posten einer Bank in Saudi-Arabien an.

Samba gehört zu den größten Banken Saudi-Arabiens. Riads Börse Tadawul ist die größte Aktien- und Anleiheplattform aller Golfstaaten. Weltweit rangiert der saudische Kapitalmarkt mit einer Börsenkapitalisierung von 425 Milliarden Euro auf Platz 21.

Die Frauen rücken vor ins Machtzentrum der arabischen Finanzwelt. Die neue Börsenaufseherin Al-Suhaimi ist bereits seit 2014 Chefin einer Investmentbank. Sie behält ihre Position an der Spitze von NCB Capital, dem Investmentarm der ältesten Bank in den arabischen Ländern. Al-Suhaimis Vater war bis 2006 Chef der saudi-arabischen Finanzmarktaufsicht. Auch Rania Nashar, die erste Bankchefin in Saudi-Arabien, ist eine anerkannte Ökonomin und bereits seit 20 Jahren im Geschäft.

Die Berufung der beiden Top-Bankerinnen überrascht viele Experten nicht. Denn Vize-Kronprinz Mohammed bin Salman soll im Auftrag von König Salman die größte Macht am Golf radikal umbauen und das Reformprogramm „Vision 2030“ umsetzen. Dabei spielen die Frauen neben grundlegenden Wirtschaftsreformen eine Schlüsselrolle. Schon jetzt verfügt Saudi-Arabien über mehr weibliche als männliche Hochschulabsolventen. Die Zahl berufstätiger Frauen ist zuletzt rasant gestiegen.

An der Börse warten wichtige Aufgaben auf Al-Suhaimi: Saudi-Arabien hat den Zugang ausländischer Investoren zu seiner Börse erst kürzlich deutlich erleichtert. Zudem will das Land die Börse selbst in eine Aktiengesellschaft umwandeln. Der Tadawul-Index soll außerdem ein Teil des führenden MSCI Emerging Markets Index werden.

Die Frauen werden immer wichtiger für das Königreich – und erlangen Stück für Stück ihr Rechte. Im Jahr 2015 durften sie erstmals an den Kommunalwahlen teilnehmen. Bereits zwei Jahre zuvor berief der König zum ersten Mal 30 Frauen in sein Beratergremium.

Vize-Kronprinz Mohammed bin Salman kann Unterstützung auch gut gebrauchen. Bis 2018 sollen durch den Börsengang des weltgrößten Ölproduzenten Saudi Aramco 600 Milliarden Dollar in die Kassen gespült werden. Es wäre der größte Börsengang der Geschichte. Zusammen mit Währungsreserven und Einnahmen aus Privatisierungen staatlicher Firmen und Immobilien sollen die Einnahmen aus den Aktienverkäufen Riads Staatsfond zur globalen Nummer eins machen – mit zwei Billionen Dollar Kapital. Zum Vergleich: Microsoft und die Google-Mutter Alphabet sind zusammen 1,4 Billionen Dollar wert.


Sonne statt Öl

Der Umbauplan „Vision 2030“ soll Saudi-Arabien auf die Zeit nach dem Öl vorbereiten. Bis 2020 will Mohammed bin Salman sein Land unabhängig vom Ölpreis machen. Sein Land solle zu einem Global Player werden, sagte er in einem „Al-Arabiya“-Interview.

Mit seinen 30 Millionen Bürgern ist Saudi-Arabien der einzige arabische Golfstaat, der eine große Bevölkerung versorgen muss. Um die saudischen Königskinder im Arabischen Frühling ruhig zu stellen, hatte der Monarch Lohnerhöhungen, Einstellungen in den öffentlichen Dienst und Investitionsprogramme veranlasst. Die Kosten dafür gingen in die Milliarden. Seit dem Zusammensacken des Ölpreises kämpft Riad deswegen mit erheblichen Finanzproblemen. 2015 klaffte ein Loch von 14,8 Prozent des Bruttoinlandprodukts im Staatshaushalt. Analysten der Ratingagentur Fitch gehen davon aus, dass sich dies auch in diesem Jahr kaum ändern wird.

Nun steuert Prinz Mohammed gegen. Der Umbau der saudischen Wirtschaft soll das Land in die Post-Öl-Ära katapultieren. Statt bisher 16 Prozent sollen 2030 bereits 50 Prozent der Exporte aus dem Nicht-Ölsektor kommen. Die Privatwirtschaft werde massiv gestärkt, die Korruption eliminiert, verspricht Mohammed bin Salman. Die Bürokratie will er abbauen, Beamte sollen künftig klare Leistungen erreichen. Zudem kündigt der Vizekronprinz in seiner von der Unternehmensberatung McKinsey inspirierten „Vision 2030“ zwei weitere grundlegende Kehrtwenden an: Eine Bildungsoffensive soll das Königreich in eine Wissensgesellschaft umwandeln. Und statt Öl steht nun Solarenergie auf dem Plan.

Ein Viertel des Energiebedarfs soll schon 2020 aus Solarstrom kommen. Bisher verbrennt der größte Ölexporteur der Welt ein Viertel seiner Förderung zur Stromgewinnung und zur Wasserentsalzung in heimischen Dieselkraftwerken. 109 Milliarden Dollar will Riad in diese Solarwende stecken, eigene Solarzellenfabriken aufbauen und intensiv mit deutschen Firmen kooperieren.

Das Geld dafür soll aus Privatisierungserlösen und Subventionseinsparungen kommen. Außerdem führt Saudi-Arabien erstmals eine Mehrwertsteuer in Höhe von fünf Prozent sowie Abgaben auf Luxusgüter und gesundheitsbedenkliche Produkte wie Softdrinks ein. 100 Milliarden Dollar sollen so bis 2020 unabhängig von den Öleinnahmen in Riads Kassen kommen.

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