SBBS-Staatsanleihen Brüssel will Eurobonds-Alternative präsentieren

Der Euro als gemeinsame Währung von 19 Ländern wie Deutschland und Griechenland steht unter Druck Quelle: Bildquelle

Ausgerechnet neue Staatsanleihen nach dem Muster berüchtigter Verbriefungen aus der Finanzkrise sollen die Euro-Zone stabilisieren. Kann das klappen?

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Italiens neue Regierung hat mit ihrer Skepsis gegenüber Europa und dem Euro unangenehme Erinnerungen an die Europäische Staatsschuldenkrise geweckt. Da scheint das Timing der EU-Kommission gerade richtig, die in der kommenden Woche ein Rahmenwerk für verbriefte Staatsanleihen vorstellen wird. Damit will Brüssel den Euro sicherer machen.

Die verbrieften Papiere sollen das gleiche umstrittene Privileg genießen, wie herkömmliche Staatsanleihen. Banken könnten sich diese also ohne Rücksicht auf ihre Eigenkapitalpolster auf die Bilanz laden. Ein kryptisches Kürzel, wie die Finanzmärkte es lieben, ist auch schon gefunden: SBBS soll das neue Finanzinstrument heißen. Es handelt sich um ein Wertpapier, das mit Staatsanleihen abgesichert ist. Nach allem, was bisher bekannt ist, sieht das Konzept so aus, dass jedes Euro-Land zunächst wie bisher eigene Staatsanleihen an interessierte Finanzinvestoren verkauft. In einem zweiten Schritt packen Investmentbanken die nationalen Anleihen in ein Wertpapier zusammen, gewichtet nach der Wirtschaftskraft der Euro-Mitgliedsländer. In dem verbrieften Wertpapier stecken dann etwa 17,9 Prozent deutsche und zwei Prozent griechische Anleihen.

Der Kniff besteht darin, das Finanzinstrument in unterschiedliche Risikoklassen aufzuteilen: Ein sicherer Teil bringt nur niedrige Zinsen, der riskantere Rest lockt Investoren mit höherer Rendite. Sollten also einzelne Länder als Schuldner ausfallen, verlieren zunächst nur die Eigentümer des riskanten Teils der Papiere Geld.

Ist das undurchsichtige Finanzalchimie oder ein cleverer Vorschlag zur Stabilisierung des Euro? Es handelt sich vor allem um eine pragmatische Alternative zu den umstrittenen Euro-Bonds, die insbesondere gegen den Widerstand aus Deutschland nicht umsetzbar sind. Mit Euro-Bonds haben die geplanten Verbriefungen nichts zu tun, wie Brüssel beteuert. Die Bonds sind gefürchtet, weil als stabil geltende Länder nicht für Ausfallrisiken finanzschwacher Staaten zahlen wollen.
Wir erinnern uns: In den Jahren 2010 bis 2012 hatten Zweifel an der Kreditwürdigkeit vor allem südlicher Euro-Mitglieder die gemeinsame Währung in ihre bis dahin schwerste Krise gestürzt. Die Gläubiger Griechenlands mussten schließlich auf rund die Hälfte ihres Gelds verzichten, die Finanzmärkte tauften die Notaktion in dem für sie typischen sarkastischen Jargon als Haircut – Haarschnitt.

Regierungen finanzieren ihre Staatshaushalte nicht nur mit Steuern sondern auch mit Geld, dass sie sich von Banken leihen. Diese Staatsschulden stecken die Banken in Wertpapiere, die als Staatsanleihen an den Kapitalmärkten gehandelt werden. Zu den Gläubigern eines Landes gehört, wer dessen Anleihe gerade in seinem Portfolio hält. Kreditinstitute laden sich Staatsanleihen besonders gern auf die Bilanz, weil die Politik dafür, anders als bei Unternehmens- oder Verbraucherkrediten, immer noch keine Haftungspolster von den Banken verlangt.

Wenn staatliche Schuldner wackeln

Wenn staatliche Schuldner wackeln, wird das für die Wirtschaft besonders gefährlich. Denn Banken geben besonders gern den Regierungen ihrer Heimatländer Kredit. Kommt Vater Staat in Zahlungsschwierigkeiten, steckt das schnell die Finanzbranche an. Umgekehrt wird es für die Finanzminister eng, wenn die Banken ihres Landes Probleme bekommen. Investoren fliehen dann schnell in Länder mit vermeintlich sicherer Bonität. Das führt zu der grotesken Situation, dass Deutschland sich zum Nulltarif verschulden kann oder sogar noch negative Zinsen auf seine Staatsschulden kassiert, während andere Länder händeringend nach Gläubigern suchen und finanziell austrocknen.

Genau diese unheilvolle Verbindung zwischen Staat und Finanzmarkt will die EU-Kommission nun kappen. Das Muster erinnert stark an die von Forderungen abgedeckten Wertpapiere, in deren Gepäck sich die Finanzkrise 2008 über den Globus verbreitete. Finanzingenieure haben diese Bauweise erdacht, Ökonomen haben das Muster jetzt auf Staatsanleihen übertragen. Brüssel und das europäische Finanzstabilitätsgremium ESRB fanden Gefallen daran.
In die neuartigen EU-Papiere werden die Staatsanleihen aller Euro-Länder gepackt. Dabei wird das neue Produkt in unterschiedliche Risikoklassen geteilt. Der sichere Teil von 70 Prozent des Nennbetrags bringt nur niedrige Zinsen, der riskantere Teil lockt mit höherer Rendite. Sollten also einzelne Länder als Schuldner ausfallen, verlieren nur die Eigentümer der riskanten Papiere Geld.

Nach dem gleichen Konzept waren die berüchtigten Verbriefungen aus der Finanzkrise aufgebaut. In ihnen steckten zum Beispiel Kredite an Häuslebauer in den USA. Weil viele von ihnen die Schulden bei der Bank oder bei den Hypothekengesellschaften nicht bedienen konnten, verloren dann aber auch die Besitzer der vermeintlich risikoarmen Tranchen Geld – unter ihnen viele Landesbanken aus Deutschland. Sie hatten sich in blindem Vertrauen auf das Qualitätsurteil der Ratingagenturen mit den Papieren eingedeckt.
Die Unterteilung in Risikoklassen findet sich allerdings nicht nur in den Subprime-Papieren aus der Finanzkrise. Auch öffentliche Förderbanken nutzen solche Konstruktionen, um Finanzinvestoren mit unterschiedlichem Risikoprofil für ihre Emissionen zu interessieren. Das von der EU-Kommission ausgerufene Ziel, die Staatsschulden ausgewogener auf unterschiedliche Banken zu verteilen, ließe sich allerdings auch ohne die Risikoabstufung erreichen.

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