Ein Unternehmen, das so viel verdient wie Apple, an der Börse aber nur 0,5 Promille des iPhone-Giganten auf die Waage bringt? Gibt es: Die Schweizerische Nationalbank (SNB). Die Zentralbank der Schweiz hat von Januar bis September gigantische 51,5 Milliarden Franken gleich 46 Milliarden Euro Gewinn verbucht. Ihre Aktie wird an der Börse Zürich gehandelt. 100.000 Stück gibt es davon, aktuell kostet eine um die 5000 Euro. Ein Papier für Zocker: Es waren auch schon mal unter 900 und weit über 8000 Euro.
Die Apple-Rechnung geht so: Apple hat in den letzten neun Monaten 35 Milliarden Dollar gleich 32 Milliarden Euro verdient und ist an der Börse gut eine Billion wert. Die SNB hat umgerechnet 14 Milliarden mehr als Apple verdient und einen Börsenwert von 500 Millionen Euro – ein Zweitausendstel gleich 0,5 Promille des Apple-Werts. Dass die Schweizer Aktie deshalb das bessere Investment ist, ist trotzdem fraglich.

Der hohe Gewinn kam zustande, weil das aus ausländischen Papieren und Gold bestehende Depot der Notenbank kräftig an Wert gewonnen hat. Der Gewinn der SNB hängt allein davon ab, wie sich ihre Hunderte Milliarden Franken schweren Portfolios entwickeln. Die Notenbank hat in den letzten Jahren immer wieder Franken auf den Markt geworfen. Und zwar, indem sie ausländische Aktien und Anleihen gekauft und mit frisch gedruckten Franken bezahlt hat. So wollte sie verhindern, dass der sehr begehrte Schweizer Franken immer weiter an Wert gewinnt. Ein zu starker Franken macht Schweizer Exporte teurer und schadet so der Wirtschaft. (Jeder, der in der Schweiz schon mal umgerechnet 20 Euro für eine ordinäre Pizza bezahlt hat, kennt das Problem. Das nächste Mal speist er dann lieber erst nach der italienischen Grenze). Nebeneffekt der Währungsintervention: Die Notenbank hat so ein hübsches Vermögen an Wertpapieren aufgebaut.
Bei jeder anderen Bank würde das die Aktionäre freuen. Die SNB ist zwar seit ihrer Gründung 1907 als AG organisiert. 78 Prozent der stimmberechtigten Aktien aber sind in festen öffentlichen Händen, werden vor allem von den Schweizer Kantonen und ihren Kantonalbanken gehalten. 22 Prozent der stimmberechtigten Aktien besitzen private Aktionäre, inklusive der stimmrechtslosen Aktien halten sie 50,2 Prozent des Kapitals.
Größter privater Aktionär ist seit Jahren der deutsche Manager Theo Siegert, dessen Holding de Haen-Carstanjen & Söhne an der Düsseldorfer Königsallee sitzt. Er dürfte weitgehend zu Kursen unter 1000 Franken eingestiegen sein.
Das Problem der SNB-Aktie: Eine Notenbank übt mit ihrer Geldpolitik eine öffentliche Aufgabe aus. Sie muss ihre Gewinne an den Staat abführen. Die Aktionäre haben also von den Gewinnen rein gar nichts. Aktionäre bekommen nur Jahr für Jahr eine müde Dividende von fixen 15 Franken pro Aktie. jahrelang dümpelte der SNB-Kurs denn auch bei um die 100 Franken herum. Ab und zu aber gibt es Spekulationswellen. Eine loszutreten, ist nicht schwierig. Weil die Aktie eher selten gehandelt wird und es nur 100.000 gibt, lässt sich schon mit kleinen Käufen der Kurs nach oben ziehen. Die letzte startete 2016 und trieb den Kurs von um die 1000 auf in der Spitze 8700 Franken. Kräftig befeuert wurde die Spekulation 2017 von einem Düsseldorfer Börsenbrief.
„Als Katalysator gewirkt hat am 22. Juli eine Besprechung der Aktie im Börsenbrief ‚Die Actien-Börse‘. Das marktenge SNB-Papier wurde darin als klar unterbewertet herausgestellt. ‚Die Actien-Börse‘ erscheint in der Bernecker Verlagsgesellschaft. Deren Redaktion sitzt in Düsseldorf,“ schrieb damals die WirtschaftsWoche. Und weiter: „Wie es der Zufall will, ist die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt auch Heimat des größten SNB-Aktionärs. Der Familienunternehmer Theo Siegert hält 6,72 Prozent des Aktienkapitals“. Mittlerweile hat Siegert denn auch Kasse gemacht und einen kleinen Teil seiner Aktien verkauft – zu ziemlich guten Kursen. Ende 2018 hielt er 5240 Aktien gleich 5,24 Prozent.
Die Aktie ist auf stocksolide, einerseits: Die Schweizer Notenbank wird nicht pleitegehen. An ihre Devisenschätze aber kommen die Aktionäre nicht ran, da ist das Schweizer Notenbankgesetz vor. Wer die SNB-Aktie kauft, spekuliert vor allem auf ein Abfindungsangebot. Das hat es schon mal gegeben: Im Jahr 2000 hat die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel, eine Art Notenbank der Notenbanken, ihre verbliebenen Privataktionäre hinausgedrängt und diese mit einer weit über dem letzten Kurs liegenden Summe entschädigt. Dafür, dass sich dies bei der SNB wiederholen könnte, gibt es aber keine Signale.
Der deutsche Fondsmanager und Value-Investor Markus Elsässer hält für seinen Mischfonds ME Special Value trotzdem an den SNB-Aktien fest. Eingestiegen ist er in zwei Schritten. So konnte er seine 180 Aktien noch zum Durchschnittspreis von etwa 1400 Schweizer Franken kaufen. Zuletzt machten die Papiere rund ein Prozent des Aktienvolumens seines Fonds aus. Ein Mitarbeiter Elsässers lässt durchblicken, der würde gerne mehr kaufen, aber es seien wenige Aktien auf dem Markt - und Käufe eines Fonds würden sofort den Kurs nach oben treiben. Rein rechnerisch, gemessen an Eigenkapital, Devisenreserven und Gewinnen, müsste eine Aktie statt 5000 rund 100.000 Euro kosten, hat der Value-Investor schon mehrfach angedeutet. Prinzipiell sei das Bankpapier grotesk billig. Irgendwann könne es doch Klagen von Aktionären geben, dagegen, dass der Kurs künstlich so niedrig gehalten wird. Auf die 100.000 Euro wird die Aktie der Notenbank nie kommen, weiß auch Elsässer. Doch eine Kursverdopplung hält der Fondsmanager für möglich.
Die aber wäre dann vermutlich wieder rein spekulativ, getrieben durch positiven Kommentare, eben auch von Investoren, die die Aktie bereits halten. Nicht jeder muss seine Positionen offenlegen, so wie Elsässers Fonds.
Wer die Aktie trotz dieser gefährlich-spekulativen Komponente kaufen will (seit ihrem Hoch hat sie immerhin über 40 Prozent verloren): Kein Problem. An den offiziellen deutschen Börsen werden zwar seit Mitte des Jahres keine Schweizer Aktien mehr gehandelt. Grund sind Streitigkeiten der Schweiz mit der EU. Aber auf Brokerplattformen wie denen von Lang und Schwarz, Baader oder Tradegate gibt es immer Geld- und Briefkurse, ab und zu werden auch Aktien umgesetzt. Wer Zugriff auf mehrere außerbörsliche Plattformen hat, bei der Comdirect etwa ist das möglich, sollte vergleichen und streng limitieren: Bei wenig gehandelten Aktien variieren die Kurse und die Spannen zwischen Verkaufs- und Ankaufskursen stark. Übrigens sind die Schweizer Notenbanker an den Weltbörsen nicht allein: auch die Aktien der die Bank of Greece, der Banque Nationale de Belgique und der Bank of Japan werden an ihren jeweiligen nationalen Börsen gehandelt - allerdings mit weit weniger spektakulären Kurssprüngen.