Schwellenländer-Anleihen Gut bezahltes Risiko

Schwellenländer-Anleihen locken Anleger mit attraktiven Renditen, vor allem wenn die Papiere auf Lokalwährungen lauten. Wer sich so etwas ins Depot legt, muss allerdings auch deutliche Währungsschwankungen aushalten.

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Anleihen von Schwellenländern wie Brasilien sind zwar hoch verzinst, können aber auch wegen schwankender Währungen und politischer Querelen zu Verlusten führen. Quelle: dpa

Köln Präsident Michel Temer steht in Brasilien wegen Korruptionsvorwürfen unter Druck, gleichzeitig geht es in weiten Teilen der Wirtschaft nach langer Rezession wieder aufwärts. In solchen Phasen neigen Schwellenländermärkte („Emerging Markets“) zu heftigen Ausschlägen. Im Mai rauschte der Kurs des brasilianischen Real um fast zehn Prozent in den Keller.

Für Andreas Teichmann von der Münchener Vermögensverwaltung Plückthun Asset Management eine gute Gelegenheit, in Brasilien-Anleihen-Fonds zu investieren: „Wir hielten den Kursrutsch für übertrieben, da wir mittelfristig in den kommenden zwei bis drei Jahren eine Erholung der brasilianischen Wirtschaft für realistisch halten“, sagt Teichmann. Der Anlage-Profi nimmt am Vermögensverwalter-Contest des Onlinebrokers DAB BNP Paribas teil, über den das Handelsblatt berichtet. In seinem Musterdepot haben sich die Brasilien-Anleihe-Fonds seit Mai bereits kurzfristig gut geschlagen und liegen nun deutlich im Plus.

Schwellenländer-Anleihen sind bei Investoren derzeit beliebt. Angesichts von faktischer Nullverzinsung hiesiger Staatsanleihen legen viele Profis das ihnen anvertraute Vermögen in Bonds von Schwellenländern an. Neben Süd- und Mittelamerika zählen vor allem Asien und Osteuropa zu den Schwergewichten in diesen Fonds. Die politischen Risiken sind in diesen Ländern höher als in den Industrieländern, die Bonität entsprechend schwächer. Dafür ist die Verzinsung der Anleihen höher.

Neben dem Brasilien-Anleihen-Fonds investiert Vermögensverwalter Teichmann in einen breit streuenden Fonds für Emerging-Markets-Bonds: „Schwellenländeranleihen in lokaler Währung bieten für den mittel- bis langfristig investierenden Anleger eine gute Ertrags- und Diversifikationsmöglichkeit im Portfolio“, sagt der Vermögensverwalter.

Teichmann strebt auf Sicht von drei bis fünf Jahren eine Rendite von drei bis vier Prozent pro Jahr an. Die laufende Verzinsung ist wegen der vergleichsweise hohen Kuponzahlungen von Schwellenländer-Anleihen mit durchschnittlich sechs bis sieben Prozent auf den ersten Blick sogar noch höher, allerdings zehren Währungseffekte einen Teil davon wieder auf: „Wegen der höheren Inflationsraten muss man immer eine Abwertung von zwei bis drei Prozent pro Jahr einkalkulieren“, sagt Teichmann. Damit relativiert sich auch die Effektivverzinsung der brasilianischen Anleihen in Teichmanns Musterdepot, die vor Währungseffekten derzeit bei acht bis neun Prozent liegen.

Wer solche Währungseffekte außen vor lassen will, wird auf dem Markt für Emerging-Markets aber ebenfalls fündig. Denn viele Schwellenländer begeben neben den Anleihen in lokaler Währung auch Bonds in Hartwährungen, meist in US-Dollar. Einige Fonds sichern obendrein das verbleibende Kursrisiko von US-Dollar zu Euro ab.

Jörg Wiechmann von der „Top Vermögensverwaltung“ hält jeweils einen Lokalwährungs-Bonds und einen gehedgten Hartwährungs-Anleihen-ETF in seinem Musterdepot. Im laufenden Jahr liegt der Fonds ohne Fremdwährungseffekte wegen des wieder erstarkten Euro klar vorn. Mittel- bis langfristig erwirtschaften Lokalwährungs-Fonds allerdings meist eine höhere reale Rendite. Dieser Aufschlag entschädigt Anleger dafür, dass sie die höheren Risiken aus den Währungsschwankungen eingehen. Wiechmann schätzt die Rendite von Hartwährungs-EM-Bonds mittelfristig auf rund zwei Prozent und hält derzeit vor allem EM-Bonds in Lokalwährungen für lukrativ: „Der Aufschlag beim Realzins zu Euro- und US-Anleihen ist derzeit mit fünf bis sechs Prozent extrem attraktiv.“


Rohstoff-Preise geben die Kurse vor

Weiteres Argument pro EM-Bonds: Die wirtschaftlichen Rahmendaten vieler Schwellenländer entwickeln sich gut, Analysten beobachten vielerorts ein weiterhin stärkeres Wachstum im Vergleich zu den Industrieländern. Ein wichtiger Faktor für Schwellenländer ist zudem die Entwicklung der Rohstoffpreise: Für zahlreiche Regionen ist der Export von Energie- und Agrarrohstoffen sowie Industriemetallen ein wichtiger Wirtschaftszweig, der lange Zeit unter sinkenden Preisen litt.

Analysten konstatieren, dass die Talsohle womöglich in absehbarer Zeit durchschritten sein wird. „Sollte die Rohstoff-Schwäche enden, könnte das den Emerging Markets Rückenwind geben“, sagt Wiechmann. Denn gute wirtschaftliche Zahlen wirken sich positiv auf die Bonität der Länder aus und könnten die Kurse der Schwellenländeranleihen weiter nach oben treiben.

Gleichzeitig scheinen die Risiken derzeit überschaubar. Zu den potentiellen Risikofaktoren zählt derzeit die Notenbankpolitik von Fed und EZB: Sollten die Banken die Zinsen tatsächlich anheben, könnten EM-Bonds in der Gunst der Investoren verlieren. Vor allem Hartwährungsanleihen in US-Dollar könnten dann unter Druck geraten, weil sie in direkter Konkurrenz zu US-Staatsanleihen stehen. Zuletzt hatten Spekulationen um weitere Zinserhöhungen der US-Notenbank Mitte Juni die Kurse von Hartwährungs-Anleihen aus Schwellenländern sinken lassen.

Wiechmann hält solche Effekte allerdings erst dann für fundamental begründet, wenn die Zinsen im Euro- und US-Dollar-Raum nicht nur nominal, sondern gemessen an der Inflation der jeweiligen Währung steigen. Und ein solches Szenario hält der Vermögensverwalter derzeit für eher unwahrscheinlich: „Es stellt sich doch die Frage, ob die Industrieländer angesichts ihrer Schuldenstände wirklich in der Lage sind, ihre Zinsen real zu erhöhen.“

Wiechmann hält deshalb aktuell Ausschau nach weiteren Anleihe-Investmentchancen aus Schwellenländern und hat dabei vor allem die jeweiligen politischen Rahmenbedingungen und Währungskurse im Blick. Neben dem brasilianischen Real ist zuletzt die türkische Lira in seinen Fokus gerückt: „Wir haben kürzlich die nahe ihres historischen Tiefpunktes notierende türkische Lira analysiert.“ Vorerst hat sich der Vermögensverwalter allerdings noch keine türkischen Staatsanleihen ins Depot gelegt. „Uns erscheinen die Unterbewertung sowie der für das eingegangene politische Risiko bezahlte Realzins-Aufschlag noch nicht attraktiv genug.“ Wiechmann wartet deshalb ab, ob sich die Wogen um Präsident Erdogan glätten - oder die Lira noch weiter absackt.

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