Shopping-App Wysker geht neue Wege Gutschein statt Börsengang

Das Berliner Start-up Wysker betritt in Deutschland Neuland: Statt Aktien will das Unternehmen Kupons an Investoren verkaufen – und damit Geld für den Ausbau seines Shopping-Angebots einsammeln.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Statt wie bei einem klassischen Börsengang kommt es bei einem sogenannten „Initial Coin Offering“ (kurz ICO) zu einer Finanzierungsrunde in einer Kryptowährung. Tobias Haag will damit sein Start-up Wysker finanzieren. Quelle: Reuters

Nach dem Ausbruch der Finanzkrise 2008 zählt Tobias Haag zu den wenigen Bewerbern, die einen Job beim Suchmaschinen-Riesen Google ergattern können. „Ich hatte dort eine sehr gute Zeit“, sagt der 34-Jährige heute. Doch nach einiger Zeit stellt Haag fest, dass er seine Ideen in einem großen Konzern wie Google nicht so verwirklichen kann wie gewünscht. „Dann habe mich entschieden, zu kündigen.“

Anschließend verbringt Haag mehrere Monate in einem indischen Meditationszentrum und gründet dann ein Start-up in San Francisco – am Ende aber ohne Erfolg. Nun ist er zurück in Berlin und will es im zweiten Anlauf besser machen – mit der Shopping-App Wysker. Sie soll ein Vermittler sein zwischen Kunden und Händlern.

30 Bilder pro Sekunde rauschen dabei über den Smartphone-Bildschirm. Kein Problem, findet Haag. „Ein Gehirn kann 40 Bilder die Sekunde wahrnehmen.“ Mit dem ersten Antippen kann der Kunde ein Produkt auswählen, bei doppeltem Antippen landet er im Online-Shop des jeweiligen Händlers. 400 Läden und 50.000 Produkte sind laut Haag bereits dabei. Am 1. Dezember soll das Angebot in den USA ausgerollt werden, einige Monate später möglicherweise auch in Deutschland und Europa.

Jetzt fehlen Wysker nur noch Kunden – und Geld. „Wir haben nur noch 3000 Euro auf dem Konto“, berichtet Haag. „Es ist dringend, dass jetzt Kapital reinkommt.“ Und auch bei der Geldbeschaffung geht der Firmengründer unkonventionelle Wege. Wysker strebt keinen klassischen Börsengang an („Initial Public Offering“, kurz IPO), sondern ein sogenanntes „Initial Coin Offering“, kurz ICO – eine Finanzierungsrunde in einer Kryptowährung. Der Vorverkauf soll diese Woche beginnen.

ICOs erleben derzeit weltweit einen kleinen Boom. Rund 600 Millionen US-Dollar wurden dabei bereits eingesammelt, teilte der Branchenverband „Crypto Valley Association“ unlängst stolz mit. Umgerechnet 230 Millionen Dollar warb allein das Start-up Tezos binnen zwei Wochen ein.

Einigen Aufsichtsbehörden sind die unregulierten Kapitalspritzen jedoch suspekt. Die Schweizer Börsenaufsicht kündigte kürzlich an, ICOs genauer unter die Lupe zu nehmen. China und Südkorea haben solche virtuellen Börsengänge ganz verboten. 


Warten auf den Zahltag

Wysker selbst rechnet bei seinem ICO jedoch nicht mit Problemen. Alles sei von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft durchleuchtet worden, sagt Haag. Eine Genehmigung der deutschen Finanzaufsicht Bafin sei nicht erforderlich. „Wir verkaufen ja keine Anteile, sondern Gutscheine.“

Diese Gutscheine heißen Wys Token – und sollen vielfältig einsetzbar sein. Kunden können mit ihnen bezahlen. Und sie erhalten selbst Token, wenn sie bereit sind, ihre Daten mit Werbetreibenden zu teilen. Unternehmen wiederum sollen Token kaufen, wenn sie Zugriff auf bestimmte Zielgruppen haben wollen. Und Investoren können Token auch einfach halten und darauf hoffen, dass ihre Verbreitung und ihr Wert steigen – ähnlich wie bei der Digitalwährung Bitcoin.

Das gesamte Angebot basiert auf der Blockchain-Technologie, einer neuartigen Datenbank, die über kryptografische Verfahren gegen Manipulationen gesichert ist. Insgesamt will Wysker drei Milliarden Token ausgeben. Gut 1,7 Milliarden davon will das Unternehmen in den nächsten acht Wochen verkaufen und damit gut 25 Millionen Euro einnehmen. Ein Token kostet anfangs zwei Cent.

Haag ist überzeugt davon, dass sein Konzept aufgeht. „Den Schlüssel, der das ganze Unternehmen ausmacht, verkaufen wir vorab. Das ist unglaublich spannend, auch für die Nutzer“, findet er. Denn wenn der Wert der Token steige, könnten die Kunden damit später deutlich mehr einkaufen.

Haag selbst ist vor rund drei Jahren nach Deutschland zurückgekehrt. Hier hat er seine Frau kennengelernt, mit der er inzwischen zwei kleine Kinder hat. Seine Familie hofft nun, dass Wysker nach vielen Monaten der Entwicklung der Durchbruch gelingt – und dass sich das auch auf Papas Konto bemerkbar macht. Denn Haag räumt ein. „Persönlich habe ich in den vergangen zwei Jahren gar nichts verdient.“

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%