Short-Spekulationen mit Zertifikaten Völlig überhitzt? So funktioniert eine Wette gegen Tesla

Quelle: imago images

Die Aufholjagd von Volkswagen, Daimler und BMW beim E-Auto setzt Tesla-Aktien unter Druck. Erfahrene Anleger können auf einen Kurssturz spekulieren.

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Mit zweistelligen Milliardenbeträgen – den größten Investitionen seit Jahrzehnten – forcieren Volkswagen, Daimler, und BMW den Ausbau ihrer Elektromobilität. Je schneller sie dabei vorankommen, desto geringer wird der Vorsprung, der dem Elektropionier Tesla bleibt. Vor allem die jüngsten Verkaufserfolge von Volkswagen dürften zeigen, was passiert, wenn die klassischen Auto-Imperien zurückschlagen. Für Tesla wird das gefährlich. Verliert das Unternehmen sein Alleinstellungsmerkmal im Markt für E-Autos, ist auch die extrem hohe Bewertung gefährdet, die Tesla an der Börse derzeit erzielt. Noch immer werden die für dieses Jahr erwarteten Gewinne, die Tesla mittlerweile macht, rund 25mal so hoch bewertet wie die erwarteten Gewinne von Volkswagen. 

Puts am besten in ruhigen Zeiten

Für erfahrene Anleger ist Tesla ein idealer Short-Kandidat – eine Aktie, die sich für eine Spekulation auf sinkende Kurse eignet. Das klassische Vehikel dafür sind Verkaufsoptionsscheine, Puts genannt. Diese hochspekulativen Derivate (abgeleitete Finanzinstrumente) steigen, wenn die Kurse der ihnen zugrunde liegenden Aktie sinken. Allerdings haben Puts auf Tesla derzeit ein Problem: Sie sind ausgesprochen teuer.

Grund dafür sind die heftigen Kursschwankungen, die Tesla-Aktien an der Börse vollziehen. Die sogenannte implizite Volatilität, mit der die von Profis erwarteten Kursschwankungen ausgedrückt werden, ist bei Tesla aktuell so hoch wie im Dax in der heißen Phase des Coronacrashs. Und die Volatilität ist ein zentraler Baustein für die Berechnung von Optionspreisen, sodass Puts derzeit ziemlich teuer sind.

Faktorzertifikate für den starken Trend

Die zweite Möglichkeit, die sich für Privatanleger eignet, sind Faktor-Shortzertifikate. Auch hier werden Kursverluste der Aktie in Kursgewinne im Zertifikat umgemünzt. So wird etwa bei einem Faktor-Short mit zweifachem Hebel aus einem Tagesverlust der Aktie von zum Beispiel zwei Prozent im Zertifikat ein Gewinn von vier Prozent, also doppelt so viel auf Tagesbasis.

Der Haken dabei: Kommt es in der Aktie zu einer längeren Schwankungsphase, führt das Faktor-Prinzip zu schleichenden Wertverlusten. Das zeigt eine Beispielrechnung: Wenn eine Aktie an einem Tag zwei Prozent verliert (von 100 Euro auf 98 Euro) und am nächsten Tag wieder um zwei Prozent steigt (von 98 auf 99,96 Euro), bleibt unterm Strich ein Minus von 0,04 Prozent. Ein Short mit Faktor zwei sinkt am ersten Tag in diesem Fall um vier Prozent von 100 auf 96 Euro und steigt dann am zweiten Tag um vier Prozent von 96 auf 99,84 Euro. Schon diese eine Kursschwankung und der geringe Hebel von zwei führt also zu einem rechnerischen Nachteil von 0,12 Euro (99,84 als Gesamtergebnis im Vergleich zu 99,96 bei der Aktie). Je größer der Hebel des Zertifikats ist und je länger die Schwankungsphase an den Börsen, desto empfindlicher ist der Wertverlust, der im Faktorzertifikat im Vergleich zur Aktie entsteht. 

Auf der anderen Seite bedeutet dieser Effekt allerdings auch: Sollte die Aktie eine anhaltende Trendbewegung vollziehen, werden die Zugewinne im Faktor tendenziell immer größer – weil sich die prozentual stärkere Bewegung dann jeweils auf eine höhere Basis bezieht. Faktorzertifikate können also dann ihre Stärken ausspielen, wenn Tesla lange und ohne größere Unterbrechungen sinkt. 

Klassische Short-Zertifikate für eine kurz- bis mittelfristige Spekulation 

Die dritte Möglichkeit für eine börsengehandelte Baisse-Spekulation bieten klassische Short-Zertifikate. Das wichtigste Kennzeichen dieser Papiere ist hier der Basispreis. Von dieser Schwelle aus berechnet sich der Wert des Zertifikats. Einfach gesprochen: Zertifikat ist gleich Basispreis minus Aktienkurs. Komplizierte Kennzahlen wie Volatilität und die in Schwankungsphasen verlustreiche Faktor-Mechanik entfallen hier. 

von Annina Reimann, Martin Seiwert, Matthias Hohensee

Allerdings, auch klassische Short-Zertifikate haben zwei offene Flanken, die Anleger im Auge behalten müssen. Zum einen ist der Basispreis bei den in der Regel vorkommenden unbegrenzt laufenden Zertifikaten nicht fix, sondern wird Cent für Cent automatisch von den Emissionsbanken nach unten verschoben. Die Banken holen sich auf diese Weise die Finanzierungskosten des Zertifikats. Finanziell gesehen ist ein Hebelzertifikat wie ein Wertpapierkredit – der Käufer kann mit dem gleichen Einsatz ein viel größeres Rad drehen. Das muss finanziert werden. Immerhin, in Zeiten niedriger Zinsen ist der Preis dafür in der Regel günstig – und deshalb wird die Basis derzeit nur in kleinen Schritten nach unten verschoben. 

Ein gefährliches Problem kann die Knockout-Schwelle des Zertifikats werden. Diese Kursgrenze ist entweder mit dem Basispreis identisch, oder sie liegt im Fall eines Shortzertifikats ein Stück unterhalb der Basis. Die Emissionsbank verschafft sich damit Spielraum, die für ein solches Zertifikat notwendigen Transaktionen inklusive Absicherung (Hedge) durchzuführen. 

Puts und Short-Zertifikate auf Tesla im Börsentest 

Was Verkaufsoptionsscheine, Faktorzertifikate und Shortpapiere auf Tesla in der realen Börsenwelt wirklich einbringen, zeigt ein Vergleich von drei derivativen Papieren: 

  • Einem Put der Unicredit-Bank mit Laufzeit bis 16. März 2022 und Basis bei 1000 Dollar (ISIN DE000HR572Y1); 
  • Einem Faktor Short von Vontobel mit zweifacher Hebelwirkung und unbegrenzter Laufzeit (ISIN DE000VP6ECL7); 
  • Einem Shortzertifikat von UBS mit aktueller Basis bei 1001,54 Dollar und unbegrenzter Laufzeit (ISIN DE000UE43NL5);

Vergleichszeitraum ist die Spanne vom 10. bis 24. Februar. Hier kam es in der Tesla-Aktie zunächst zu einer leichten Kursabschwächung von 4,3 Prozent. Vom 19. bis 23. Februar folgte dann ein crashartiger Rücksetzer, bei dem Tesla 20,7 Prozent verlor. Danach kam es bis zum 24. Februar zu einer Erholung von 19,9 Prozent. 

Alle drei Short-Derivate haben schon in der ersten Phase mehr gewonnen, als Tesla-Aktien verloren haben. In der Crashphase legten dann besonders das Faktorzertifikat (plus 47 Prozent) und das Shortzertifikat (plus 62 Prozent) stärker zu, der Put brachte mit 22,5 Prozent am wenigsten. In der nachfolgenden Erholung gaben alle drei Derivate wieder einen substanziellen Teil ihrer Gewinne ab. 

Entscheidend ist, wie die Gewinnphasen der einzelnen Derivate im Vergleich zu ihren eigenen Verlustphasen ausfielen. Beim Put waren die Gesamtgewinne um 1,9mal größer als die Verluste, beim Faktor um das 2,0-Fache und beim Shortzertifikat um das 2,7-Fache. Das heißt: In der Phase, in der Tesla-Aktie im Februar zuerst leicht verloren, dann abstürzten und sich im Anschluss wieder zum Teil erholten, lieferten Short-Zertifikate unterm Strich den für Anleger vorteilhaftesten Mix aus hohen Gewinnen in schwachen Aktienphasen und vergleichsweise geringeren Verlusten in Erholungsphasen der Aktie. 

Allerdings, sollte sich der angepeilte Absturz der Tesla-Aktie anders entwickeln, kann die Reihenfolge anders aussehen. Bei einer stetigen Abwärtsbewegung ohne größere Zwischenerholung wird der Faktor-Short besonders hohe Gewinne liefern. Kommt es zu einem dynamischen Abwärtstrend und am Ende dann noch einmal zu schockartigen Verlusten, werden die Puts durch den nochmaligen Anstieg der Volatilität zu einem Extragewinn führen. Klassische Short-Zertifikate sind am besten für denjenigen, der eine stetige Abwärtsbewegung erwartet, in der es auch immer wieder Korrekturen geben kann. 

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Welche Derivate sich für eine Tesla-Spekulation am besten eignen, liegt damit weniger am Produkt selbst. Es hängt vor allem davon ab, wie treffsicher Anleger das kommende mögliche Baisse-Szenario vorwegnehmen und dazu das passende Derivat aussuchen. Diese Vielzahl an Unwägbarkeiten macht offensichtlich, wie riskant der Einsatz von Derivaten letztlich im realen Börsenalltag ist. Die wichtigsten Strategien, sich dagegen zu schützen, ist ein nur kleiner Einsatz und eine Verlustbegrenzung, wenn die Spekulation daneben zu gehen droht. Für eine extreme Aktie wie Tesla gilt das ganz besonders. Totalverluste sind möglich.

Mehr zum Thema: VW verkauft erstmals mehr E-Autos als Tesla – und das dürfte so bleiben.

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