Skandalaktien aus China Die Bankraub-AGs

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Barmittel wie bei einem Bankräuber

Außerdem nutzte die Firma ihre ausgewiesenen Gewinne auf merkwürdige Weise. Statt Geld auszuschütten oder in Produktionsanlagen zu investieren, häufte das Unternehmen über Jahre riesige Barreserven an. Von 200 Millionen Euro Bilanzsumme waren im Juni zwei Drittel Barmittel.

Derart hohe Cash-Quoten haben hierzulande allenfalls erfolgreiche Bankräuber, aber keine Industrieunternehmen. Denn das Bargeld bringt – im Gegensatz etwa zu neuen Maschinen und Fabriken – keine nennenswerte Rendite. Bei Ultrasonic hat der kriminelle Chef mit seinem Komplizen die ungewöhnliche Vermögenssituation offenbar genutzt, um das Geld außer Landes zu bringen. Obwohl Wu inzwischen wieder aufgetaucht ist, hat der Aufsichtsratschef der deutschen AG, Johannes Mauser, weder genaue Informationen zur aktuellen Situation in China noch hat das Unternehmen Zugriff auf das Geld. Der liege weiterhin bei Wu, erklärt Mauser. Im Moment verhandle Ultrasonic mit der Bank ein Zahlungsmoratorium, um Zeit zu gewinnen, das verschwundene Geld aufzutreiben.

Andere Firmen aus China, die in Frankfurt gelistet sind, haben ähnlich viel Geld in bar vorrätig wie Ultrasonic. Ming Le Sports (Sportartikel), China Specialty Glass (Sicherheitsglas) und Youbisheng Green Paper (Recycling-Papier) wiesen 2013 zwischen 30 und über 50 Prozent des gesamten Unternehmensvermögens als Barmittel aus.

Bei den ersten beiden gab es in diesem Jahr Streit mit dem Wirtschaftsprüfer Warth & Klein Grant Thornton, weil einige Buchungen in der Bilanz nicht belegbar waren. Ihr Aktienkurs ist inzwischen böse abgeschmiert. Die dritte Firma, Youbisheng, ist ganz pleite.

Wie beim aktuellen Fall Ultrasonic hat sich hier der Vorstandschef aus dem Staub gemacht. Der Verdacht liegt nahe, dass die schönen Zahlen aus den Geschäftsberichten mit deutlich zweistelligen Gewinnmargen, hoher Eigenkapitalquote und solidem Umsatzwachstum nicht viel mit der Realität zu tun haben. Jedenfalls in den oben genannten Fällen.

Fragwürdige Dividendenpolitik

Bei Ultrasonic versichert man hingegen, dass die Zahlen stimmen. „Der Abschluss von Ultrasonic wurde wegen der Unregelmäßigkeiten bei anderen China-AGs eigens noch einmal von der Deutschen Prüfstelle für Rechnungswesen untersucht“, erklärt Dirk Blumhoff von der BankM, die den Börsengang von Ultrasonic begleitet hat.

Stutzig macht neben der hohen Cashquote auch die Dividendenpolitik. Jahrelang wies das Unternehmen satte Gewinne aus, eine Bardividende zahlte es aber nie. „Das war der ausdrückliche Wunsch der Investoren“, sagt Blumhoff.

Kein Wunder: Mehrheitseigner war der nun flüchtige Chef Wu. Er hat statt einer Bardividende lieber neue Aktien emittiert und an die Aktionäre ausgegeben. Dadurch floss kein Kapital aus dem Unternehmen ab und Wu konnte bei seiner Flucht alles mitnehmen. Bei einer Barausschüttung hätte er die Dividende mit anderen Anteilseignern teilen müssen. Außerdem setzt eine Barausschüttung voraus, dass das Geld tatsächlich da ist. Ist die schmucke Bilanz aber nur ein Luftgebilde, lässt sich das mit einer Ausschüttungspolitik wie bei Ultrasonic kaschieren.

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