An den Börsen gleichen die Kurscharts der Solar-Aktien einem Friedhof. Unabhängig von Unternehmensgröße und Marktkapitalisierung nähern sich die Linien asymptotisch der Nulllinie. Trotz aller Unterschiede zwischen Produktpaletten, Geschäftsmodellen und Marktanteilen ist klar: Kein Unternehmen, dass in der Solarbranche zu verorten ist, entgeht dem Abwärtssog.
Dabei sind die börsennotierten Unternehmen ganz unterschiedlich entlang der Wertschöpfungskette im Solarbereich aufgestellt: Während Unternehmen wie Q-Cells vor allem Solarzellen und erst seit 2010 auch Module herstellen, haben andere wie Centrotherm, Manz oder Roth&Rau lange die Maschinen für deren Herstellung geliefert und vom Ausbau der weltweiten Produktionskapazitäten profitiert. Wieder andere wie SMA Solar haben ihre Nische mit der Technik drum herum gefunden oder planen und realisieren auch gleich ganze Großprojekte wie etwa Phoenix Solar. Letzten Endes aber hängt zumindest die Nachfrage der Endabnehmer noch immer von staatlichen Subventionen ab.
Pleitekandidat Q-Cells spiegelt Aufstieg und Fall der Branche wieder, wie kaum ein anderes Unternehmen. Nach einem raketenhaften Aufstieg und enormen Gewinnspannen, verfolgte das Unternehmen die falsche Expansionsstrategie und wurde von der heranwachsenden Konkurrenz aus Fernost kalt erwischt. Während das über Anleiheemissionen aufgebrachte Kapital in das Wachstum des Unternehmens floss, brachen die Einnahmen ein, Investitionen in innovative Technologien versickerten, der Einstieg in neue Marktsegmente floppte. Nun sollen die Anleihengläubiger den größten Teil ihrer Forderungen gegen die kollabierten Aktien des Unternehmens tauschen.
Flächendeckende Verluste
Der Fall Q-Cells ist wohl der dramatischste, ist aber in seiner Symptomatik kein Einzelfall. Das Dilemma aus hohen Investitionen, steigenden Absatz- und dennoch sinkenden Umsatzzahlen droht offenbar vielen Anbietern. „Die Branche wird auch 2012 flächendeckend Verluste schreiben“, sagte Q-Cells-Vorstandschef Nedim bei der Vorlage der Bilanz 2011. Die zu erzielenden Preise lägen derzeit deutlich unter den Kosten, zu denen die Unternehmen produzierten. „Die Ergebnissituation ist branchenweit dramatisch“.
Jetzt greifen einige Unternehmen der Branche nach jedem Strohhalm. Q-Cells will sich möglicherweise zusammen mit anderen an einer Klage gegen das Geschäftsverhalten der Chinesen beteiligen. Die Hersteller setzen damit auf die Karte Protektionismus. In den USA hat das Handelsministerium bereits auf Initiative des Bonner Photovoltaikunternehmens Solarworld Strafzölle für subventionierte Produkte chinesischer Solarkonzerne verhängt. Allerdings sind die Zölle weit niedriger als von den hiesigen Hersteller gewünscht. Jetzt soll auch die EU-Kommission Handelsschranken einführen. Es scheint, als wäre die Branche hierzulande ohne staatliche Unterstützung nicht überlebensfähig. Und politisch ist Protektionismus gerade für die EU, die immer wieder auf den Abbau von Handelsbarrieren in China drängt, nicht gerade opportun.
Es kommt also unweigerlich zur schmerzhaften Bereinigung des Marktes. Einige Unternehmen werden wohl noch von der Bildfläche verschwinden. Wer kann, wird versuchen, sich durch Zukäufe, Fusionen oder den Anschluss an diversifizierte Großkonzerne am Markt zu retten. Womöglich schlüpfen sie unter den Mantel großer Industriekonzerne oder Energieversorger. Vielleicht gelingt es vereinzelt Unternehmen, sich in ihrer kleinen Nische als Spezialisten zu behaupten. Wieder andere, wie etwa Centrotherm oder Manz werden versuchen ihre Geschäftsfelder außerhalb der Solarbranche zu stärken und sich aus dem einst lukrativen Markt für Sonnenenergie stückweise zurückziehen.
Für Anleger bleiben da nicht viele Möglichkeiten: Entweder der gewagte Versuch, die bereits billigen Aktien mit Überlebenschancen zum Tiefstkurs einsammeln, das Herauspicken attraktiver Übernahmekandidaten oder gleich die Wette mit Optionsscheinen oder Zertifikaten auf weitere Kursverluste. Eine riskante Wette bleibt es in jedem Fall. Jetzt übernehmen die Zocker das Ruder bei den Solaraktien.