
Rund 20 Prozent hat der Dax seit der Spitze im April verloren, in den vergangenen fünf Tagen allein mehr als 1000 Punkte. Die Angst vor dem großen Crash geht um, Sorgentreiber Nummer eins ist weiterhin die chinesische Wirtschaft. In Asien sind die Börsen erneut deutlich eingebrochen. Tatsächlich hat sich seit Ende Juli im Dax und an den großen Aktienmärkten eine Mischung zusammengebraut, die gefährlich ist. Die wichtigsten Fragen und Antworten zur aktuellen Entwicklung an den Börsen.
Warum stürzt der Dax jetzt so heftig ab?
Es haben sich mehrere Krisen überlagert. Konjunkturell ging es in Europa zuletzt nur noch zäh voran, die EZB hat das deutlich beklagt. In den Vereinigten Staaten ist die Wirtschaft zwar noch auf Wachstumskurs, doch dieses Wachstum ist unsicher geworden. Dazu kommt die Schwäche der Schwellenländer. Zunächst hat es Russland erwischt, dann Brasilien und nun den größten Hoffnungsträger, China. Dass Europa mit der Schuldenkrise noch ein zusätzliches Problem hat, verschärft die Lage hierzulande besonders. Dazu haben die taktgebenden US-Märkte eine obere Trendwende vollzogen und schwere Verkaufssignale gegeben. Lange Zeit haben die Aktienmärkte sich gegen die Krise gut behauptet, nun ist die Stimmung gekippt. Dieser Pessimismus wird jetzt umgesetzt. Das heißt: Es kommt zu reihenweisen Verkäufen, vom Großinvestor bis zum privaten Anleger, vom Algo-Trader bis zum klassischen Zocker. Diesen Umschwung müssen die Märkte erst einmal verarbeiten.
Stichwort: Die schwärzesten Tage für den Dax seit 1987
Frankfurt, 24. Aug (Reuters) - Die Furcht vor einem deutlichen Konjunktureinbruch in China hat die Aktienmärkte am Montag auf Talfahrt geschickt. Der Frankfurter Leitindex Dax rutschte erstmals seit Mitte Januar wieder unter die Marke von 10.000 Punkten, zeitweise fiel er um bis 3,6 Prozent auf 9760 Zähler.
Eindeutige Kriterien für einen Crash gibt es nicht - außer Panik, hohe Umsätze und hohe Verluste. Beim bislang größten Börsenkrach der Nachkriegszeit am 19. Oktober 1987, als Spekulationen auf Zinserhöhungen den Dow-Jones-Index an der Wall Street um 23 Prozent einbrechen ließ, gab es den Dax noch nicht. Er wurde erst am 1. Juli 1988 erstmals berechnet.
Im folgenden eine Übersicht über die prozentual höchsten Verluste des Dax seither:
DIE 1990er JAHRE UND DIE ANSCHLÄGE VON 9/11
Der Dax fällt um rund 13 Prozent und folgt damit der Wall Street, wo Finanzierungs-Schwierigkeiten bei einem Unternehmensverkauf einen Ausverkauf auslösten.
Ein später gescheiterten Putsch gegen den damaligen sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow drückt den Dax um gut neun Prozent ins Minus.
Im Sog der Asienkrise sackt der Dax im Handelsverlauf um bis zu 13 Prozent ab und schließt mit 3567 Punkten acht Prozent niedriger.
Die Angst vor einem Flächenbrand im Bankenwesen nach der Schieflage eines Hedgefonds in den USA und einer Eskalation der Krisen in Asien, Japan, Lateinamerika und Russland drücken den Dax um acht Prozent ins Minus.
Nach den Terroranschlägen in den USA fällt der Dax um neun Prozent.
Sie hinterlässt tiefe Spuren im Dax.
Angst vor einer Rezession in den USA drückt den Dax um sieben Prozent auf 6790 Punkte ins Minus. Bei der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers am 15. September kommt er aber glimpflich davon und verliert nur moderate 2,7 Prozent.
Für den Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate muss binnen einer Woche ein zweites Rettungspaket geschnürt werden. Der Dax verliert sieben Prozent.
Im Sog der Finanzkrise stürzt der Nikkei -Index um über neun Prozent ab. Der Dax verliert bis zu neun Prozent. Nach einer konzertierten Zinssenkungsrunde der großen Notenbanken erholen sich die Kurse nur leicht. Der Dax schließt mit einem Minus von sechs Prozent.
Rezessionsängste angesichts der Finanzkrise drücken den Nikkei-Index um zehn Prozent. Der Dax verliert ebenfalls sieben Prozent.
Ein erneuter Absturz der Tokioter Börse drückt den Dax in der Spitze um über elf Prozent.
Nachdem die USA bei der Ratingagentur Standard & Poor's ihre Bestnote als Kreditnehmer verlieren, brechen die Kurse ein: Der Dax verliert rund fünf Prozent.
Die Furcht der Anleger vor einer weltweiten Rezession und einer Ausweitung der Schuldenkrise in der Euro-Zone drückt den Dax um 5,3 Prozent ins Minus.
Der Dax verliert rund fünf Prozent. Auslöser ist die überraschende Ankündigung einer Volksabstimmung in Griechenland über ein Rettungspaket.
Das Scheitern der Gespräche zur Lösung der Schuldenkrise in Griechenland und die überraschende Ansetzung einer Volksabstimmung über die Forderungen der Gläubiger drückt den Dax gleich im frühen Handel um 4,6 Prozent auf 10.964,24 Punkte.
Warum reagiert der Dax so stark auf die China-Sorgen?
China sei das "Epizentrum" der Panikattacke, in der die Märkte gerade steckten, schreiben Analysten der US-Investmentbank JP Morgan in einer Studie. Die Sorgen vor einem Konjunktureinbruch in China haben sich nach dem jüngsten Kurseinbruch an den asiatischen Märkten erneut verstärkt, Börsianer kriegen kalte Füße und reagieren mit Verkäufen. In China rauschte der viel beachtete Shanghai Composite am Montag zeitweise um neun Prozent abwärts, auf den tiefsten Stand seit mehr als einem halben Jahr. Das Problem: Investoren zweifeln langsam an den Stützungsmaßnahmen der chinesischen Regierung. Einige hatten mit einer Intervention seitens der Zentralbank gerechnet, die blieb allerdings aus. Auch die seitens der Regierung angeordneten Aktienkäufe durch staatliche Pensionsfonds zeigten bisher nicht ihre stützende Wirkung.
Sind die Zweifel am Wachstum Chinas berechtigt?
Sicherlich fallen die reinen Wachstumszahlen in China aktuell deutlich niedriger aus als noch vor einigen Jahren. Das von der Regierung prognostizierte Wachstum von sieben Prozent ist zwar laut offiziellen Zahlen weiterhin in Reichweite, so richtig glauben will daran allerdings niemand. Schlechte Konjunkturdaten aus dem Reich der Mitte untermauern dies. Mit Industrieproduktion, Anlageinvestitionen und Einzelhandel schnitten nach Angaben des Statistikamtes in der vergangenen Woche gleich drei Konjunkturindikatoren schlechter ab als erwartet. Insbesondere die schlechte Performance der chinesischen Industrie bereitet Beobachtern Bauchschmerzen. Gegenüber dem Vorjahresmonat ist sie nur noch um sechs Prozent gewachsen, im Juni waren es noch 6,8 Prozent gewesen. Was nach hohem Wachstum klingt, ist für die einstige "Werkbank der Welt" ein vergleichsweise schlechtes Ergebnis.