Nachdem es sich mit den drei großen Musiklabels geeinigt hatte, setzte es die restlichen (rund 800 kleineren) unter Druck: Wer die Bedingungen nicht annimmt, dem droht Google mit der Löschung seiner Inhalte auf YouTube. „Das zeigt die Richtung“, sagt McQuivey, „Google und Amazon brauchen die Inhalte gar nicht selbst zu besitzen; es genügt, die Schnittstelle zum Konsumenten zu beherrschen, um den Inhalte-Anbietern die Bedingungen zu diktieren.“
Fondsmanager Dreide geht noch weiter: „Wer die Schnittstelle zum Nutzer hat, sei es iPhone, Google-TV oder Amazons Kindle für Bücher, der kann dort früher oder später eine Art Inhalte-Maut erheben, einen Teil der Einnahmen für das Bereitstellen der Infrastruktur verlangen.“
Zusätzlich geht es um Daten, die sich gewinnbringend verkaufen lassen. Wer alle interaktiven Möglichkeiten etwa von Amazon, YouTube oder Spotify nutzt, hinterlässt dabei eine Fülle von interessanten Daten für die Werbeindustrie: Wer hört wann welche Musik? Wer folgt wessen Listen? Spotify erforscht zusammen mit Universitäten, welche Musik bestimmte Stimmungen verstärkt. Werbeagenturen sind begeistert.
Sollte das globale Experiment der Musikbranche mit All-inclusive-Abos erfolgreich sein, „werden andere Medien folgen“, meint Bird von McKinsey. Schon heute nutzen 40 Millionen Deutsche Video-Streaming im Netz, meist gucken sie dabei YouTube-Videos oder TV über Anbieter wie Zattoo auf dem PC. Auch die Sender selbst, von ARD bis RTL, streamen einen Teil ihres TV-Programms im Netz. „Aber das ist nicht die Zukunft“, sagt Investor Burchart, „die gehört nicht dem Konsum des normalen TV-Programms am PC, sondern den voll individualisierbaren, interaktiven TV-Abos, die TV-Serien und Filme in unbegrenzter Vielfalt anbieten – analog zu Spotify oder Simfy bei der Musik.“
McQuivey sieht das ähnlich: „Sie sind kundenfreundlicher“, sagt der Marktforscher, „man kann seine Lieblingsserie schauen, wenn man Zeit und Lust hat, nicht, wenn Fox oder CBS sie zufällig senden. Wer die Auswahl und Individualität von TV-Streaming kennt, geht nicht zurück zum normalen TV-Programm.“
TV nur noch über das Netz
Der Bezahlsender Sky feiert bereits Erfolge mit seinem On-Demand-Angebot Sky-Go: Die Serie „Game of Thrones“ wurde allein von April bis Juni in Deutschland 2,3 Millionen Mal von zahlenden Kunden abgerufen. Vor allem junge TV-Zuschauer ließen sich „kaum noch mit einem vorgefertigten, alternativlosen Programm abspeisen“, sagt Viva-Gründer Gorny, der heute Medienwissenschaft an der FH Düsseldorf lehrt. Frage er Studenten, wer Musik und TV im Netz nutze, „zeigen alle auf; frage ich nach herkömmlichem TV, ist es noch die Hälfte, bei Zeitungen geht die Quote gegen null“.
TV-Angebote im Internet werden heute noch hauptsächlich in den USA genutzt, wo es dank der weiten Verbreitung des Kabel-TV ein bandweitenstarkes Netz gibt. Marktführer Netflix startet im September in Deutschland. Die Konkurrenten Hulu und WatchEver, eine Tochter von Vivendi-Universal, wachsen schnell. Auch Amazon mischt schon mit: Über Amazon Prime können Kunden Filme downloaden und elektronische Bücher leihen – für nur 100 Dollar pro Jahr.
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich die neue Art des Fernsehens im Rest der Welt durchsetzt. „Die TV-Branche wird überrollt, sobald ein schnelles, mobiles Netz flächendeckend verfügbar ist“, meint Fondsmanager Dreide. Neue Geräte – UltraHD oder 4K genannt – werden leichter sein und ein noch besseres Bild haben als die heutigen HD-Flachbildfernseher. „Sie werden Spielkonsole, TV, Radio, Computer und Musikanlage in einem sein“, sagt Dreide.