Seit 2002 können AGs in Deutschland Minderheitsaktionäre gegen eine Barabfindung loswerden (Squeeze-out, wörtlich "Rausquetschen"). Der Gesetzgeber wollte mit der Regelung verhindern, dass wenige Kleinaktionäre unternehmerische Entscheidungen blockieren können. Unternehmen mit nur noch geringem Streubesitz sollte der Rückzug von der Börse ermöglicht werden. Derzeit sind drei Verfahren zulässig.
Beim aktienrechtlichen Squeeze-out zahlt ein Großaktionär, der mindestens 95 Prozent des Grundkapitals hält, die übrigen Aktionäre aus. Dazu ist ein Beschluss der Hauptversammlung (HV) nötig. Meist will der Großaktionär das Unternehmen von der Börse nehmen und dem Einfluss anderer Aktionäre entziehen (Delisting). Da ein Beschluss der Hauptversammlung zwingend vorgeschrieben ist, können Minderheitsaktionäre diese Form des Squeeze-out vor Gericht anfechten.
Der 2006 eingeführte übernahmerechtliche Squeeze-out gilt für Fälle, in denen ein Konzern ein anderes Unternehmen schluckt. Wer übernimmt, muss ebenfalls vor dem Squeeze-out 95 Prozent des Grundkapitals kontrollieren. Diesen Weg ging etwa die Allianz, als sie 2009 die Dresdner Bank übernahm. Für den aktien- und den übernahmerechtlichen Squeeze-out gilt, dass die Quote von 95 Prozent auch über indirekte Beteiligungen erbracht werden kann. Es ist ebenfalls zulässig, dass sich der Hauptaktionär die fehlenden Anteile über ein Wertpapierdarlehen verschafft (Bundesgerichtshof, II ZR 46/05). Das Rausdrängen nach Übernahmen kann per Gerichtsentscheid beschlossen werden. Anleger können gegen den Entscheid Beschwerde einlegen.
- Seit 2011 können Aktiengesellschaften Minderheitsaktionäre auch über den verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out rausdrängen. Dazu ist ebenfalls ein HV-Beschluss nötig, den Minderheitsaktionäre vor Gericht anfechten können. Der verschmelzungsrechtliche Squeeze-out wird bei der Verschmelzung von Tochter- mit Muttergesellschaften angewandt. So wurde in diesem Jahr beispielsweise Graphit Kropfmühl, ein Hersteller von Siliciummetall, auf die AMG Mining verschmolzen. AMG hielt 93,6 Prozent der Kropfmühl-Aktien. Anders als bei den beiden ersten Varianten des Squeeze-out sind zu einer Verschmelzung mit Verdrängung der Minderheitsaktionäre nur 90 Prozent des Grundkapitals erforderlich. Die muss der Hauptaktionär dann direkt halten. Das Oberlandesgericht Hamburg entschied im Juni, dass die niedrigere Quote verfassungsgemäß ist (11 AktG 1/12).
Unternehmen bessern Angebote oft nach
Minderheitsaktionäre, die rausgedrängt werden, wollen eine möglichst hohe Abfindung kassieren. Der Hauptaktionär dagegen möchte die lästigen Anteilseigner billig loswerden. Aktionäre können die Höhe des Abfindungsangebots gerichtlich in einem Spruchverfahren überprüfen lassen. Dies gilt sowohl für den aktien- als auch den verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out. Meist besserten die Unternehmen in der Vergangenheit ihr erstes Angebot an die Minderheitsaktionäre nach. In den Genuss der Nachbesserung kommen auch Aktionäre, die herausgedrängt wurden, sich aber nicht am Spruchverfahren beteiligt haben.
Grundsätzlich ist der Börsenwert des Unternehmens entscheidend für die Höhe der Abfindung. Umstritten ist, welcher Börsenwert gilt. Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied 2010, dass der Durchschnittskurs des Quartals vor Bekanntgabe des Squeeze-out maßgebend sei (II ZB 18/09). Allerdings gibt es Ausnahmen.
Im Fall der Übernahme des Schokoladenherstellers Stollwerck durch die Schweizer Barry Callebaut im Jahr 2002 sagte der BGH, dass die Abfindung erhöht werden müsse, wenn zwischen Bekanntgabe der Übernahme und Beschluss der Hauptversammlung zum Herausdrängen der Aktionäre ein zu großer zeitlicher Abstand liege.
Im Fall Stollwerck waren es neun Monate. Bei so langen Zeiträumen müssten die Anleger auch an der Kursentwicklung nach Bekanntgabe der Übernahme beteiligt werden, so die Richter.