
Düsseldorf Geht er oder geht er nicht? Die Gerüchte über die Zukunft von Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi überschlagen sich. Am Montag hieß es noch, ein Rücktritt stehe unmittelbar bevor. Wenig später folgte das Dementi. Berlusconi klammert sich an die Macht. Jetzt steht der italienische Regierungschef offenbar kurz vor dem Aus. Bei einer Abstimmung für den Rechenschaftbericht erzielte Berlusconi zwar die Mehrheitv der Stimmen. Das gelang aber nur, weil die Opposition für die Regierung stimmte. „Das Votum zeigt, dass die Regierung in der Kammer keine Mehrheit hat“, sagte Oppositionsführer Pierluigi Bersani von der linksgerichteten PD (Demokratische Partei).
Das Ergebnis offenbart eine Regierungskrise in Italien, Berlusconi hat die absolute Mehrheit verloren und die Zukunft Italiens bleibt ungewiss - mit oder ohne einen Regierungschef Berlusconi . An den Märkten wird jede Wendung in der politischen Dauerkrise mit großer Nervosität verfolgt. Ein Rücktritt Berlusconis gilt vielen als positives Szenario. Die meisten Anleger trauen dem 75-Jährigen nicht zu, Italien aus der Krise zu führen. Das Gerücht vom Rückzug des Ministerpräsidenten sorgte am Montag für Kursgewinne am Aktienmarkt. Und auch die Kurse italienischer Staatsanleihen stiegen kurzzeitig an, nachdem sie zuvor auf Tiefststände gefallen waren.
Am Dienstag wiederholte sich das Bild. Die Mini-Erholung am Bondmarkt verpuffte schnell. Am Morgen nahmen italienische Staatspapiere ihre Talfahrt wieder auf. Der Kurs für zehnjährige Anleihen sank auf gut 86,50 Prozent. Die Renditen, die sich gegenläufig zu den Kursen bewegen, erreichten einmal mehr Rekordhöhen: Zehnjährige Anleihen warfen in der Spitze 6,74 Prozent Rendite ab. Der Renditeabstand zu deutschen Bundesanleihen stieg auf fast fünf Prozentpunkte.
Später drehten Kurse und Renditen der Staatsanleihen erneut die Richtung. Doch eine nachhaltige Entspannung ist nicht in Sicht. Nach der verlorenen Abstimmung liegt die Rendite für zehnjährige Anleihen bei aktuell bei 6,66 Prozent und der Kurs bei 87 Euro.
Die Renditen dürften weiter steigen
Mit ihrer geringen Reformbereitschaft hat die italienische Regierung in den vergangenen Monaten viel Vertrauen am Kapitalmarkt verspielt. Dominic Konstam, Leiter des globalen Renten-Researchs der Deutschen Bank, rechnet damit, dass die Rendite zehnjähriger Staatsanleihen schon bald auf sieben Prozent steigt. Er sieht in der Renditeentwicklung starke Parallelen zu den anderen Staaten, die sich unter den Euro-Rettungsschirm geflüchtet haben. Allerdings gebe es einen entscheidenden Unterschied: „Italien ist ein gewaltiger Bondmarkt“, sagte Konstam im Interview mit Bloomberg TV.
Entsprechend stärker schlagen steigende Refinanzierungskosten auf den Staatshaushalt durch. Ein Abbau der extrem hohen Staatsverschuldung von 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukt wird damit noch einmal schwerer, zumal das chronisch schwache Wirtschaftswachstum in eine Rezession umzuschlagen droht.
Setzt sich die Abwärtsspirale am Anleihemarkt fort, könnte Italien schnell an den Punkt kommen, an dem es sich nicht mehr am Kapitalmarkt refinanzieren kann. Michael Schulz, Leiter des Anleihe-Researchs der NordLB, sieht bei 6,5 Prozent für zehnjährige Anleihen ein Niveau erreicht, ab dem „eine langfristige Refinanzierung über den Markt immer schwieriger wird“. Andere Experten beziffern die kritische Grenze mit sieben Prozent.
Wo auch immer die Grenze tatsächlich liegen mag, irgendwann droht Italien wie Griechenland, Irland und Portugal womöglich der Gang zum EFSF. Die anderen Euro-Staaten müssten den Partner dann unterstützen. Und Italien müsste sich verpflichten, die Sparbemühungen zu verschärfen.
Deutsche-Bank-Experte Konstam sieht die alleinige Fokussierung auf Sparpakete allerdings skeptisch: „Irgendwann ist die Grenze der Entbehrungen erreicht“, sagt er - und bringt auch drastische Schritte ins Gespräch: Die Italiener müssten sich fragen, „ob sie eine sehr starke Rezession durchmachen wollen, die ihnen förmlich übergestülpt wird, weil es nicht gelingt, die Finanzkrise zu lösen“. Eine Alternative bestünde darin, zu einem Zustand mit einer eigenen Währung und moderateren Zinssätzen zurückzukehren. Dieser würde allerdings den Austritt aus der Euro-Zone bedeuten.