
Berlin Der Bund will sich 2012 deutlich weniger Geld von Investoren leihen. 250 Milliarden Euro sollen durch den Verkauf von Bundeswertpapieren in die Staatskassen gespült werden, teilte die mit dem Schuldenmanagement beauftragte Finanzagentur am Mittwoch mit. 2011 hat sich der Bund 275 Milliarden Euro am Kapitalmarkt besorgt. Die Regierung macht 2012 zwar mehr neue Schulden. Dafür muss sie nur 216 Milliarden Euro an alten Schulden tilgen, 270 Milliarden sind es in diesem Jahr. Experten warnen aber, dass der Kreditbedarf wegen der Euro-Krise noch spürbar steigen könnte.
„Das Risiko, dass sich der Bund am Ende mehr leihen muss, ist groß“, sagte Commerzbank-Analyst David Schnautz. „Wir gehen davon aus, dass es fünf bis zehn Milliarden Euro mehr sein werden.“ Die Planungen der Finanzagentur beruhen auf dem im November beschlossenen Haushalt 2012. Darin sind aber die Kosten für das Vorziehen des Euro-Rettungsschirms ESM auf Mitte 2012 noch nicht enthalten. Das hatten die EU-Staats- und Regierungschefs erst bei ihrem Gipfel im Dezember beschlossen. Damit kommen auf den Bundeshaushalt mindestens 4,3 Milliarden Euro an zusätzlichen Kosten zu. Die Regierung plant derzeit noch mit einer Neuverschuldung von gut 26 Milliarden Euro, 2011 dürfte sie unter 20 Milliarden Euro liegen.
Aber nicht nur bei den Ausgaben, sondern auch bei den Einnahmen drohen Rückschläge. „Wenn es zu einer Rezession kommt, dürften die Steuereinnahmen deutlich geringer ausfallen als geplant“, sagte Analyst Rüdiger Janßen von der Bremer Landesbank. So rechnet die Bundesregierung 2012 mit einem Wirtschaftwachstum von rund einem Prozent. Das Ifo-Institut erwartet dagegen nur 0,4 Prozent, das gewerkschaftsnahe IMK-Institut sagt gar ein Minus von 0,1 Prozent voraus.
Status als sicherer Hafen
Zudem könnten auch die Zinskosten steigen, wenn die Ratingagentur Standard & Poor's Deutschland wie angedroht die Bestnote AAA entzieht, sagte Janßen. Mehr als 35 Milliarden Euro plant der Bund für 2012 an Zinsausgaben für den auf weit mehr als eine Billion Euro angewachsenen Schuldenberg zu leisten. Nach Arbeit & Soziales sind die Zinsen der größte Ausgabenposten in dem gut 300 Milliarden Euro schweren Bundesetat.
„Die in der Jahresvorschau genannten Beträge und Termine können sich je nach Finanzierungsbedarf und Liquiditätslage des Bundes oder je nach Kapitalmarktsituation noch ändern“, schreibt die Finanzagentur deshalb in ihrem Ausblick. „Der Bund beabsichtigt jedoch, die genannten Emissionsvorhaben soweit wie möglich durchzuführen, um den Marktteilnehmern eine sichere orientieren für ihre Investitionsentscheidung zu geben.“ 170 Milliarden Euro sollen über die Versteigerung von Papieren mit einer Laufzeit von mindestens zwei Jahren eingesammelt werden. Das restliche Emissionsvolumen von 80 Milliarden Euro entfällt auf den Geldmarkt - also Anleihen mit einer Laufzeit von bis zu einem Jahr. Weitere acht bis zwölf Milliarden Euro könnten 2012 über Anleihen eingenommen werden, die an die Inflationsentwicklung gekoppelt sind.
Deutschland profitierte bislang wegen der Schuldenkrise von seinem Status als sicherer Hafen. Die Kreditwürdigkeit der Bundesrepublik wird wegen vergleichsweise solider Staatsfinanzen von allen großen Ratingagenturen mit der Bestnote AAA bewertet, womit ein Zahlungsausfall als höchst unwahrscheinlich gilt. Investoren waren deshalb lange Zeit bereit, deutliche Abschläge bei den Renditen hinzunehmen. Für zehnjährige Bundesanleihen liegen sie derzeit am Markt bei weniger als zwei Prozent, für italienische Papiere dagegen nahe sieben Prozent. Trotz der niedrigen Zinsen waren die 68 Auktionen in diesem Jahr im Schnitt 1,9-fach überzeichnet, die Nachfrage der Investoren also fast doppelt so groß wie das Angebot.