




Es dauert exakt 95 Sekunden, bis Kai Franke der Name des Schweizer Konzerns zum ersten Mal über die Lippen kommt. Der Chefstratege der BHF-Bank referiert im schicken Kölner Club Astoria, wie Kunden ihr Geld sicher durch die Krise bringen können. „Ohne Sachwerte – und dazu gehören auch Aktien erster Qualität wie eben eine Nestlé“, doziert Franke zwischen Martinsgans und Christstollen-Parfait, „wird das nicht gelingen, jedenfalls nicht nach Abzug der Inflation.“ Die Kunden – Unternehmer, wohlhabende Privatleute und Lokalprominenz – nicken. Eine Fußballer-Gattin notiert: „Staaten sind keine verlässlichen Schuldner mehr!“
Nur fünf Kilometer Luftlinie östlich, am anderen Rheinufer, spricht ein paar Tage später der Vermögensverwalter Bert Flossbach. Ähnlicher Rahmen, gleiches Thema: Wohin mit dem Geld? Flossbach braucht gar nur 45 Sekunden, bis er bei „der Nestlé“ landet. „Solide finanzierte Konzerne mit weltweitem Geschäft und guten Dividenden“ seien der beste Schutz vor Euro-Krise, Schulden-GAU und Inflation.
Die Aktie, ein Krisenschutz?
Die Argumente der Profis gleichen sich: Anleihen sind nicht mehr sicher oder bringen keinen Zins, Gold ist nicht die Antwort auf alle Fragen, gute Immobilien sind zu teuer. Da landen viele eben bei der Aktie. Und die Anleger hören auf sie. „Noch vor wenigen Monaten hatten Sie noch nicht A gesagt, da winkten die Kunden schon ab“, sagt der Niederlassungsleiter einer Schweizer Bank, „die Leute wollten nur Immobilien.“ Inzwischen sei das anders: „Einige Familien mit zwei- bis dreistelligen Millionenvermögen kaufen erstmals seit Jahren wieder.“
Stephan Albrech, Chef der Vermögensverwaltung Albrech & Cie, bestätigt den Trend: „Viele Stiftungen, die einen kalkulatorischen Zins für die kommenden Jahre erreichen müssen, denken über Aktien nach.“ Laut einer Umfrage von Infratest und Aquila Capital unter 255 institutionellen Großanlegern in Europa, darunter Pensionsfonds, Versorgungswerke und Stiftungen, will ein Viertel dieser – traditionell konservativen – Anleger seine Aktienquote demnächst erhöhen; jeder Fünfte will weniger in Staatsanleihen investieren.





Sogar Notenbanken kaufen
Sogar Notenbanken kaufen. Die Schweizer Nationalbank SNB etwa hält größere Anteile am Handybauer Nokia. „Es gibt in der Nationalbank eine intensive Diskussion, ob man die Aktieninvestments nicht noch erheblich ausdehnen muss“, weiß Alfred Roelli, Kapitalmarktstratege der Genfer Bank Pictet. Um den Kurs des Schweizer Franken stabil bei 1,20 Franken je Euro zu halten, druckt die SNB Franken und kauft Euro. Die dabei bisher angefallenen rund 400 Milliarden Euro sind zum größten Teil in Staatsanleihen investiert.
Nun diskutieren die Notenbanker, den Anteil der Aktien an den Devisenrücklagen auf 25 Prozent zu verdoppeln. Auch andere Notenbanken mit Überschüssen in ausländischen Währungen kauften zuletzt wieder vermehrt Aktien – etwa die Singapurs.
„Um mehr Aktien in unseren Portfolios werden wir langfristig auf keinen Fall herumkommen, die dabei unvermeidlichen stärkeren Wertschwankungen werden wir in Kauf nehmen“, schreibt Saumil H. Parikh, Portfoliomanager beim weltgrößten Rentenfonds-Anbieter Pimco, an seine Kunden. „Nur Aktien mit überdurchschnittlichem Gewinn- und Dividendenwachstum bieten uns in den kommenden Jahren eine faire Chance auf eine hinreichende Rendite.“ Pimco hat die Kapitalmärkte seit 1910 untersucht und folgert, dass sich mit Blue-Chip-Aktien in den kommenden Jahren durchschnittliche Jahresrenditen von 6,5 Prozent aus Kursgewinnen und Dividenden erzielen lassen, etwas mehr als die Inflation. Mit Anleihe-Portfolios erstklassiger Schuldner drohe sich nach Inflation das Vermögen der Anleger bis 2030 zu halbieren.