Bei der Dividende interessiert weniger deren Höhe, als die Nachhaltigkeit: Schreibt das Unternehmen nach Abzug aller Kosten, Steuern und Investitionen noch mehr Gewinn, als es an die Aktionäre ausschüttet? Und wie stabil ist dieser Gewinn? Der Absturz der Versorger E.On und RWE habe gezeigt, „wie kurzsichtig und gefährlich es ist, sich nur nach der aktuellen Dividendenrendite zu richten“, warnt Vorndran. Die betrug bei E.On zuweilen neun Prozent; Aktionäre der Telekom kamen auf bis zu elf Prozent Dividendenrendite. Doch beide konnten ihre Gewinne nicht halten und müssen Dividenden kürzen. Haben Konzerne stetig wachsende Gewinne und niedrige Ausschüttungsquoten (Anteil der Dividende am Nettogewinn), sinkt das Risiko, dass dies passiert.
So hat Nestlé seit 1923 fast in jedem Jahr Dividende bezahlt; in 27 der letzten 30 Jahre stieg die Dividende sogar – im Schnitt um 14 Prozent pro Jahr. Ein Anleger, der die Aktie vor zehn Jahren gekauft, liegen gelassen und die Dividenden reinvestiert hätte, läge heute mehr als 100 Prozent im Plus. Von Ausschüttungen aus der Substanz ist Nestlé dennoch weit entfernt: Die Ausschüttungsquote lag im Durchschnitt bei gesunden 50 Prozent des Gewinns. Die Dividende ist zudem vom langfristigen Umsatz- und Gewinnwachstum gut abgedeckt. Der Umsatz wuchs organisch, also ohne Zukäufe, seit 2001 um 6,4 Prozent, die Gewinnmarge vor Steuern und Zinsen (Ebit) steigerten die Schweizer seither Jahr für Jahr von rund 11 auf 15 Prozent.
Natürlich hat eine solche Aktie ihren Preis: Anleger bewerten Nestlé mit dem 17-Fachen der Gewinne von 2012. Droht eine neue Blase? Werden die heutigen Konsumgiganten enden, wie die Nifty 50 1973? Skandia-Fondsmanager Lee Freeman-Shor sagt, „aus den neuen Nifty 50 werden die neuen Nifty 40, 30, 20, 10.“ Soll heißen: Die Zahl der Aktien, die die hochgesteckten Erwartungen der Anleger künftig noch erfüllen könnten, sei zum Schrumpfen verdammt. Einzig die „hohe Liquidität im Markt“ und die Dummheit der Anleger, die sich ihre eigenen Aktienkäufe ständig schönredeten, trieben die Kurse noch an.
Stabile Konzerne noch relativ günstig
Richtig ist: Es ist viel Geld im Markt, und dieses Geld sammelt sich zurzeit in den Aktien überdurchschnittlich stabiler Konzerne. Und richtig ist, dass auch erstklassige Qualität irgendwann zu teuer sein wird. „Aber Markenkonzerne wie Nestlé hatten in den vergangenen 30 Jahren nahezu immer relativ hohe KGVs“, sagt Roelli. „Wer darauf wartet, dass er solche Aktien in der Rezession für ein KGV von zehn, also billig wie einen Bergbau-, Maschinenbau- oder Autowert abgreifen kann, der wartet möglicherweise ewig.“
Selbst Albert Edwards, Chefstratege der Société Générale und bekennender Pessimist, rechnet vor: „Aktien mit überdurchschnittlicher Gewinn- und Dividendenqualität sind weder historisch noch im Vergleich zu Gold, Immobilien oder Staatsanleihen teuer; sie liegen ziemlich genau auf ihrem langjährigen Durchschnitt seit 1981.“ Wenn man „1a-Qualität mit 1a-Qualität vergleiche“ und nicht Aktien nur mit Aktien, dann seien die Nestlés dieser Welt noch immer billig, sagt Antea-Chef Hirsch: „Für eine erstklassige Aktie zahlen sie derzeit den 16-fachen Nettogewinn eines Jahres; eine erstklassige Immobilie in München bekommen sie nicht unter 26 Netto-Jahresmieten. Und bei einer deutschen Staatsanleihe müssen sie 60 Jahre durchhalten, bis die Zinsen den Kaufpreis eingespielt haben.“