Wo sehen sie die größten Unsicherheitsfaktoren?
Bis sich Europa stabilisiert und die EZB wieder eine Geldpolitik für alle Euro-Staaten machen kann, wird es noch dauern. Noch sind die Krisenländer nicht über den Berg. Die haben noch nicht einmal 50 Prozent der Wegstrecke geschafft, um wieder wettbewerbsfähig und zu gleichwertigen Schuldnern zu werden. Deswegen tritt EZB-Chef Mario Draghi sehr wortgewaltig auf – und ich glaube, er wird den Worten nach den Europawahlen auch Taten folgen lassen. Dann wird die nachlassende Inflation für ihn Grund genug sein, um Anleihen zu kaufen – und zwar vorrangig die Staatsanleihen der Krisenländer, um die Zinsunterschiede weiter anzugleichen.
Das andere große Risiko sehe ich in der Krim-Krise. Wenn Putin sich weiter der Einverleibung ehemaliger Sowjetrepubliken widmet und Sanktionen nicht greifen, bleibt nur noch die militärische Option. Dann sind wir zurück im kalten Krieg. Das wäre auch für die Aktienmärkte eine neue Situation. Die Wachstumsprognosen, die auf dem florierenden Welthandel basieren, wären hinfällig.
Gelten die Lehren ihres verstorbenen Freundes André Kostolany in so einem Umfeld überhaupt noch?
Insgesamt ist die Situation schon komplexer als zu Kostolanys Zeiten. Entscheidend sind für die Wechselwirkung zwischen Anleihemarkt und Aktienmarkt aber vor allem die amerikanischen Anleihen. Die machen die Tendenz an der Wall Street und damit an den Aktienmärkten weltweit. Das gilt sicher auch noch für deutsche Anleihen. Was Kostolanys Aussage betrifft, man solle Aktien kaufen und Schlaftabletten nehmen, so wird das in den Medien immer falsch wiedergegeben. Das war kein Dauer-Credo von ihm. Nach wie vor sind viele seiner Ansätze gerade was Börsenpsychologie betrifft, auch heute noch gültig. Schauen Sie sich Griechenland an. Vor ein paar Jahren wollten die Anleger die griechischen Schuldtitel nur loswerden und trieben die Zinsen für griechische Staatsanleihen auf 25 Prozent. Jetzt reißen sich institutionelle Anleger um diese Anleihen, die gerade mal fünf Prozent Rendite bringen. Obwohl die Arbeitslosigkeit in Griechenland auf Rekordniveau gestiegen ist. Die Mehrheit der Anleger – auch der institutionellen – ist nach wie vor dem Herdentrieb erlegen. Diesen Zyklus hat schon Kostolany mit den „Hartgesottenen“ und den „Zittrigen“ schön beschrieben. Und postuliert, dass man zu den wenigen gehören muss, die sich diesem Herdentrieb widersetzen. Wenn die Herde in voller Größe und mit höchster Geschwindigkeit galoppiert, sollten sich Anleger verabschieden.