Stelter strategisch

Der „Melt-up“-Boom ist wieder im Gespräch

Seite 2/2

Anleger sollten nicht hinterherlaufen

- Plausible Geschichte: Wichtig für einen funktionierenden Melt-up ist neben der geschilderten Dynamik eine Geschichte, mit der man die Preisentwicklung rationalisieren kann. Bei der Dotcom-Blase war es die neue industrielle Revolution – die dann viel später kam und heute von Firmen dominiert wird, die zu dieser Zeit teilweise noch nicht existierten. Bei der Immobilienblase in den USA, aber auch in Irland und Spanien, war es die Überzeugung, dass Immobilien niemals im Preis fallen können, gelten sie doch als das sicherste Investment überhaupt. Vergangenes Jahr war es die Furcht vor den Folgen der anhaltend lockeren Geldpolitik. Käme es doch zu der schon lange erwarteten/erhofften Inflation, würde eine Flucht in Sachwerte einsetzen und den Boom auslösen. Bekanntlich ist davon bisher nichts zu sehen. Im Gegenteil bleibt die Inflation trotz gestiegener Ölpreise auf tiefem Niveau. Klares Zeichen für einen anhaltenden deflationären Druck, verstärkt durch eine schwächelnde chinesische Wirtschaft.

Wie schon vor einem Jahr mag ich das Szenario nicht ausschließen, warne aber davor, sich einseitig in diese Richtung zu positionieren. Es kann nämlich auch ganz anders kommen. Die Gefahr einer Rezession ist keineswegs gebannt, wie ein Blick auf die Investitionstätigkeit der US-Unternehmen zeigt. Der zunehmende Lohndruck und der starke Dollar setzen die Gewinne der Unternehmen unter Druck. Schon jetzt sind die Gewinnschätzungen rückläufig.

Hinzu kommen dann noch die offenen Flanken Brexit und Handelskrieg. Nicht das wirkliche Umfeld für einen nachhaltigen Anstieg.

So kann es gut sein, dass die Artikel über den bevorstehenden Melt-up ein viel banaleres Ziel verfolgen: nämlich denjenigen, die bereits voll investiert sind, einen Ausstieg aus den Märkten zu erleichtern.

Für die Spekulanten unter den Lesern mag folgende Idee interessant sein. Wie vor einem Jahr sprechen wir nicht nur von einem Melt-up, sondern haben es auch mit sehr tiefen Volatilitäten an den Märkten zu tun. Im letzten Jahr kam es kurz darauf zu einem sprunghaften Anstieg der Volatilität. Kaufoptionen auf den S&P 500 sind deshalb recht günstig – die Volatilität ist ein wichtiger Faktor bei der Preisbestimmung der Optionen. Käme es zu einem Melt-up, würde man doppelt gewinnen. Steigende Aktien und zunehmende Volatilität würde den Preis der Option deutlich erhöhen. Passiert hingegen nichts großartiges an den Märkten, droht der Totalverlust.

Aus strategischer Sicht bleibe ich bei meiner Empfehlung, an einem stabilen Portfolio festzuhalten und dabei die Cashposition nicht zu vergessen. Kommt es zum Melt-up, ist man dabei. Crasht es schon früher, hat man Pulver zum Nachkaufen.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%