
Letzte Woche habe ich an dieser Stelle beschrieben, weshalb der Kolumnist sich auf Glatteis begibt, wenn er sich zu einzelnen Aktien zu äußert. Die Gefahr, sich zu irren, ist einfach viel zu groß. Und überhaupt sind die grundlegenden Entscheidungen der Assetallokation und regionalen Diversifizierung viel relevanter als die Auswahl einzelner Aktien. Aus diesem Grund haben es bisher auch nur drei Einzelwerte in diese Kolumne geschafft. Glencore –
als ein Beispiel für die Rolle von Insidern bei der Bestimmung des IPO-Zeitpunkts und die Rolle übermäßigen Leverages; Shell –
als eine Wette auf Ölpreis und Dollar, sowie VW – als Aktie, die man aus grundlegenden Überlegungen nicht haben sollte, weil Governance und Unternehmenskultur in keiner Weise den Ansprüchen von Qualitätsunternehmen entsprechen.





Nun also ein weiterer Sündenfall: meine Meinung zu Bayer. Ich muss dazu sagen, dass ich kein kompliziertes Analysemodell gebaut habe, um über die kommenden 20 bis 30 Jahre den Nutzen der Akquisition von Monsanto durchzurechnen. Davon gibt es genügend – und allen ist gemeinsam, dass sie nur den Zufall durch den Irrtum ersetzen.
Ich will versuchen, mich aus einem anderen Blickwinkel zu nähern. Seit Ankündigung der Kaufabsichten hat die Bayer-Aktie immerhin über zehn Prozent verloren. Damit könnte es sich lohnen, einen Blick auf die Aktie zu werfen. Es könnte nämlich gut sein, dass es auf diesem Niveau mehr Chancen als Risiken gibt.
Da ist zunächst die Möglichkeit, dass der Deal gar nicht zustande kommt. Damit wäre die Last von der Bayer Aktie genommen, die Risiken wären beseitigt. Was bleiben könnte, wäre ein temporärer Imageschaden für das Management-Team um den neuen Vorstandschef Werner Baumann. Doch der wäre nur vorübergehend, vor allem dann, wenn das Bayer Management selbst zu dem Schluss kommt, eine weitere Erhöhung des Kaufpreises von Monsanto würde den Rahmen sprengen, und von dem Deal Abstand nimmt. Auf jeden Fall sollte die Bayer Aktie dann wieder zu den ursprünglichen Bewertungsniveaus zurückfinden.
Ebenfalls denkbar ist, dass ein Wettbewerber von Bayer daran denkt, die temporäre Schwäche der Aktie für einen Angriff zu nutzen. Nach dem gelungenen Konzernumbau der vergangenen zehn Jahre sind viele Teile von Bayer attraktiv und wären gerade auch angesichts des tiefen Zinsniveaus und des Anlagenotstandes leicht an andere weiterzureichen. Das bisherige Haupthindernis aus Sicht von Käufern aus dem Lifescience-Bereich, die Kunsstoffsparte, wurde bereits im vorigen Jahr unter dem Namen Covestro an die Börse gebracht. Der Pharmabereich und der Pflanzenschutz, den Bayer nun mit der Transaktion stärken möchte, wären auch aus Sicht anderer Unternehmen potenziell interessant. Damit gibt es für die Aktie einen natürlichen Boden. Anders als in der großen Krise um das Medikament Lipobay vor 15 Jahren, gibt es keine unbekannten Risiken für die Käufer, was der Aktie ein gutes Netz verschafft.