Stelter strategisch

Rezession – diesmal schlecht für die Börse

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China rettet sich selbst

Das werden wir dieses Jahr wohl am ehesten in China beobachten können. Aus Angst vor einer weiteren Abschwächung der dortigen Wirtschaft hat die Regierung ähnlich wie die Fed eine panikartige Kehrtwende eingeleitet. Alleine im Januar wuchs die Geldmenge in China („Total Social Financing“) um fast 700 Milliarden Dollar.

Statt die Abhängigkeit von der Droge billigen Geldes zu verringern, setzt die Regierung also wieder auf deutliches Kreditwachstum, um die Wirtschaft auf Trab zu bekommen. Egal, dass in China wie auch bei uns der realwirtschaftliche Effekt neuer Schulden immer geringer wird. Für die Börse in China ist es auf jeden Fall ein gutes Vorzeichen, wie auch die deutliche Erhöhung des Anteils chinesischer Werte im MSCI Emerging Markets Index von 5 auf 20 Prozent.

Im Unterschied zu 2016 dürfte die neue Liquidität in China nicht in die Weltmärkte schwappen, weshalb aus dieser Richtung keine Unterstützung für Wall Street, Euro-Stoxx und Dax zu erwarten ist. Nur China dürfte von dem verbesserten monetären Umfeld profitieren. Indirekt mag eine Erholung der Wirtschaft in China allerdings positiv ausstrahlen und gerade die hiesige Wirtschaft etwas beleben.

Bleibt die bekannte Erkenntnis, dass es um Europa und vor allem die Euro-Zone nicht gut bestellt ist. Das Wachstum bleibt schwach, die EZB schon vor der nächsten Krise extrem locker und die Politiker unfähig, die Probleme zu lösen. Die deutsche Wirtschaft spürt die in den vergangenen zehn Jahren stark gestiegene Exportabhängigkeit immer schmerzlicher und steht vor erheblichen Risiken:

  • Ohne Zweifel wird Donald Trump nach einer etwaigen Einigung im Handelsstreit mit China die deutsche Automobilindustrie mit Zöllen frontal angreifen. Ob die EU darauf in der erhofften Einigkeit reagieren wird, bleibt abzuwarten. So mehren sich Anzeichen, dass beispielsweise Frankreich, welches praktisch nicht betroffen wäre, Gegenmaßnahmen, die zulasten der eigenen Wirtschaft gingen, nicht unterstützen würde.
  • Die Wahrscheinlichkeit eines harten Brexits ist meines Erachtens in der vergangenen Woche gestiegen und nicht gesunken. Zwar signalisieren die Finanzmärkte und die Buchmacher eine geringere Wahrscheinlichkeit für dieses Szenario, ich denke jedoch, dass dies eine Fehleinschätzung der britischen Politik ist. Ein smarter Hard-Brexit, wie er von Gabriel Felbermayr durchgerechnet wurde, ist durchaus attraktiv. Verlierer wäre dabei vor allem die Euro-Zone, die dadurch in eine Rezession gestürzt würde. Hauptverlierer wäre auch Deutschland, ist doch Großbritannien ein bedeutender Absatzmarkt, für Autos sogar der größte. Aus diesem Grunde habe ich meine Position im Pfund geschlossen.
  • Die strukturellen Probleme der Euro-Zone werden in den kommenden Monaten wieder offen zu Tage treten. Geringes Wachstum, hohe Verschuldung, schwaches Bankensystem und zunehmende politische Uneinigkeit – Beispiel: Italien und die Seidenstraße – werden das Projekt zunehmend unter Druck setzen. Die anstehenden Wahlen erhöhen die Risiken zusätzlich.
  • Deutschlands Wirtschaft leidet derweil zunehmend unter den Folgen einer Politik, die völlig falsche Schwerpunkte setzt: Ausbau des Sozialstaates, Energie- und Umweltwende ohne Rücksicht auf Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätze sowie die Verfolgung einer emotionalen Wohlfühlagenda, die keinen Raum für rational wirtschaftliches Handeln lässt.

In diesem Umfeld kann es nicht verwundern, dass gerade die deutsche Börse enttäuscht.

Doch auch weltweit dreht sich der Wind. In den USA, in Europa und in Japan sinken die Unternehmensgewinne bereits. Die Halbleiterexporte Südkoreas – ein vielbeobachteter Frühindikator für die Weltkonjunktur – fielen im Februar um 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Rückläufige Gewinne können nicht durch immer mehr Liquidität kaschiert werden. Wir befinden uns am (vorläufigen) Höhepunkt der geldpolitischen Interventionen. Mit der Abschwächung der Wirtschaft werden die Börsen einen deutlichen Dämpfer erfahren. Ob es den Notenbanken dann nochmals gelingt, eine Blase aufzupumpen, bleibt abzuwarten. Die Rezessionsgefahr ist so – anders als von vielen Beobachtern behauptet – keine gute Nachricht für die Börsen, weil das Spiel der vorangegangenen Jahrzehnte nicht mehr funktioniert.

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