Stelter strategisch

Was am Finanzmarkt zu Systemversagen führt

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Da ist was faul in der Welt

Blickt man auf die Situation heute, wäre es ein Leichtes, das Bestehen einer Blase zu leugnen. Von Euphorie kann keine Rede sein, einen Boom haben wir auch nicht erlebt. Lediglich ein paar gute Jahre an den Aktienmärkten, die den Einbruch der Jahre 2008/2009 korrigiert haben. Kritische Stimmen zum Zustand der Realwirtschaft und zur Bewertung von Finanzassets, vor allem von US-Aktien, gibt es zuhauf. Niemand findet negative Zinsen für zehnjährige Bundesanleihen und auf dem Bankkonto „euphorisierend“. Im Gegenteil: wir alle wissen, es ist etwas fundamental faul in der Welt, in der Euro-Zone und an den Finanzmärkten.

Entwicklung der Zentralbankbilanzen
Ausweitung der japanischen Zentralbankbilanz seit 2007 (Referenzjahr 2007 mit 100 Prozent angegeben) Stand: Mai 2016 Quelle: Feri
Ausweitung der amerikanischen Zentralbankbilanz seit 2007 (Referenzjahr 2007 mit 100 Prozent angegeben) Stand: Mai 2016 Quelle: Feri
Ausweitung der europäischen Zentralbankbilanz seit 2007 (Referenzjahr 2007 mit 100 Prozent angegeben) Stand: Mai 2016 Quelle: Feri
Ausweitung der schweizerischen Zentralbankbilanz seit 2007 (Referenzjahr 2007 mit 100 Prozent angegeben) Stand: Mai 2016 Quelle: Feri

Dennoch macht sich ein wichtiges Symptom der Euphoriephase breit: die Sorglosigkeit. Wir alle gehen davon aus, dass die Notenbanken uns immer wieder retten. Vermögenspreise dürfen nicht fallen, weil dann die Wirkungslosigkeit der Notenbankpolitik überdeutlich würde, und weil nicht sein kann, was nicht sein darf, wird es um jeden Preis verhindert werden. Jede potenzielle Krise –  sei es der Brexit, seien es italienische Banken, sei es Konjunkturabschwächung in den USA – wird mit noch mehr Geld und noch tieferen Zinsen bekämpft. Was kann da schon schiefgehen?

Die Eiszeit hat uns fest im Griff und nur mit einer Politik des billigen Geldes haben die Notenbanken bis jetzt die Kernschmelze des Finanzsystems und eine weltweite großen Depression verhindert. Dabei haben die Notenbanken eine gigantische Put-Option geschrieben. War es früher der „Greenspan-Put“, also die von den Börsianern implizit und nicht zu unrecht erwartete Bereitschaft der US-Fed, sie bei Turbulenzen herauszuholen, so ist es heute der Kuroda-Dragi-Yellen-Carney-Jordan-Put. Gemeinsam tun sie alles, um den gigantischsten Margin-Call der Weltgeschichte zu verhindern.

Vertrauen in Notenbanken bröckelt

Das Problem ist nur: das Vertrauen der Märkte in den Put beginnt zu schwinden. Wichtige Spieler wie George Soros und Stanley Druckenmiller setzen offen auf eine neue Krise, fallende Aktienkurse und steigendes Gold. Die Tatsache, dass die Nachfrage nach 400-Unzen-Barren Gold in den USA wieder deutlich gestiegen ist, zeugt von der Nachfrage nach Gold zu „monetären Zwecken“, also zur Wertaufbewahrung.

Noch ist offen, wie es zu einem Systemversagen kommen kann, können doch die Notenbanken unbegrenzt Liquidität zur Verfügung stellen. Das Szenario eines Politikwechsels, also einer Annullierung des Puts der Notenbanken ist äußerst unwahrscheinlich. Dazu dürfte den Akteuren der Mut fehlen, und in der Eurozone ist die Politik – allen anderslautenden Lippenbekenntnissen zum Trotz – heilfroh, dass die EZB das Schuldengebäude vor dem Einsturz bewahrt.

Bleibt die Sorge vor einem Vertrauensverlust in das System. Nicht in Form einer Inflation, sondern in der Anerkenntnis, dass die Notenbanken eben nur Zeit kaufen konnten. Das Problem der Überschuldung konnten und können sie nicht lösen. Dann käme es trotz des Puts zur deflationären Welle von Pleiten und Konkursen. Ein Szenario, in dem man lieber keine Assets hält, die einem Ausfallrisiko unterliegen.

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