Stelter strategisch

Das Totalversagen der Notenbanken

Daniel Stelter Quelle: Presse
Daniel Stelter Unternehmensberater, Gründer Beyond the Obvious, Kolumnist Zur Kolumnen-Übersicht: Stelter strategisch

Die Märkte lieben Assets, die von einem deflationären Umfeld profitieren und meiden Kapitalanlagen, die von Inflation profitieren. Nach zwanzig Jahren Inflationspolitik ein deutliches Warnsignal.

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Die Federal Reserve Bank Quelle: dpa

Schon vor der Wahl Donald Trumps habe ich an dieser Stelle eine Rückkehr der Inflation und damit steigender Zinsen für möglich gehalten. Dahinter stand die Überlegung, dass ein Präsident Trump mit Steuersenkungen, Ausgabenprogrammen und Protektionismus vorübergehend die US-Wirtschaft über das geringe Trendwachstum (schwache demografische Entwicklung und Produktivitätszuwächse) heben würde, mit zwangsläufigen Folgen für die Preisentwicklung. Nach dem Wahlsieg haben die Börsen auf den ersten Blick genau dieses Szenario gespielt: die Aktien stiegen und die Anleihen verloren an Wert.

Der Markt liebt Deflations-Assets

Mittlerweile sind die Hoffnungen auf rasche konjunkturelle Maßnahmen der neuen Regierung verflogen. Die Zinsen sanken wieder, die Börsen gewinnen weiter, jetzt allerdings wegen der Aussicht auf dauerhaft tiefe Zinsen, allen gegenteiligen Beteuerungen der Fed zum Trotz.

Weitaus interessanter ist jedoch, dass bei einem genaueren Blick auf die verschiedenen Assetklassen die Börsen weiterhin das Deflationsszenario bedienen. Also die Aussicht auf geringe bis negative Preissteigerungen. Das überrascht, haben die Notenbanken doch seit den 1990er Jahren alles getan, um eine vermeintliche Deflationsgefahr zu bekämpfen. Zuerst als in Folge des Markteintritts Chinas und Osteuropas hunderte Millionen von Menschen neu in den globalen Arbeitsmarkt eintraten, später als es zu einer raschen Folge an Finanzkrisen kam, bis zu ihrem (vorläufigen) Höhepunkt 2009.

Die Bank of America rechnet vor, dass Inflationsassets – definiert als Rohstoffe, inflationsgeschützte Anleihen, US-Banken, sogenannte Value-Aktien (also Aktien, die günstig bewertet sind) und Liquidität – seit 1990 deutlich weniger Wertzuwachs realisiert haben als Deflationsassets – definiert als US-Staatsanleihen, hochverzinsliche Unternehmensanleihen, US-Aktien (vor allem Industriegüter und Konsumgüter) und sogenannte Wachstumsaktien.

Besonders eindrücklich ist die überdurchschnittliche Kursentwicklung seit 2009. Seither haben sich die Deflationsassets mehr als verdoppelt, während die Inflationsassets nur geringfügig über dem Niveau von 2007 liegen. Befeuert wurde diese Entwicklung durch die Politik der Notenbanken, die ihre Bilanzsummen in den letzten Jahren vervielfacht haben. Alleine die Bilanzsumme von Fed, EZB und Bank of Japan stieg im Kampf gegen Deflation und für Inflation von unter vier Billionen im Jahr 2007 auf 13,5 Billionen US-Dollar heute.

Totalversagen der Notenbanken

Noch deutlicher kann das komplette Scheitern der Notenbankpolitik der letzten Jahrzehnte nicht beschrieben werden: die Inflationsraten bleiben tief, die Inflationserwartungen bleiben tief, die Realwirtschaft springt nicht an und lediglich die Börsen zeigen kontinuierliche Wertzuwächse. In der Tat gibt es eine enge Korrelation zwischen der Börsenentwicklung und den Bilanzsummen. Statt der Realwirtschaft zu helfen, verschärfen die Notenbanken die Vermögensungleichheit in der Welt. Denn von steigenden Kapitalanlagepreisen profitiert naturgemäß nur der, der auch Kapitalanlagen besitzt besitzt.

Dieses Versagen der Notenbanken wird immer offensichtlicher. Zugleich haben sie sich in eine ausweglose Situation manövriert. Denn die tiefen Zinsen heute machen perspektivisch noch tiefere Zinsen morgen nötig, um den Schuldenturm vor dem Einsturz zu bewahren. Die Zinsen sind schon nahe den historischen Tiefstständen und es gibt nur noch wenig Luft nach unten.

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