Stelter strategisch

Deflationärer Schock aus China trifft Anleger weltweit

Daniel Stelter Quelle: Presse
Daniel Stelter Unternehmensberater, Gründer Beyond the Obvious, Kolumnist Zur Kolumnen-Übersicht: Stelter strategisch

China exportiert Deflation in die Welt und unsere Portfolios. Mit fallenden Preisen und hohen Schulden drohen japanische Verhältnisse. Zeit, die Anlagestrategie zu überdenken? Eine Betrachtung der verschiedenen Anlageklassen.

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Zehn Tipps gegen die Deflation
Die Deflationsangst in der Euro-Zone ist weiterhin groß, in den vergangenen Monaten fiel die Inflationsrate eher mager aus. Doch für eine Panik gibt es keinen Grund. Wer die niedrige Teuerung ausschließlich verteufelt, tut ihr Unrecht. Quelle: AP
Deflation herrscht dann, wenn die Preise über einen längeren Zeitraum sinken. Eine wirtschaftliche Situation also, in der das Angebot an Waren und Dienstleistungen größer ist als die Nachfrage - das drückt die Preise. Verbraucher könnten dann eigentlich kaufen. Aber sie tun es nicht, weil sie annehmen, dass die Preise weiter sinken. Ein Einnahmeausfall ist die Folge. Was dagegen gemacht werden kann... Quelle: dpa
... der Staat sollte versuchen, durch eigene Investitionen die Nachfrage zu stimulieren. Das Sanieren von öffentlichen Gebäuden oder Investitionen in andere große Bauprojekte können ein erster Schritt sein. Quelle: dpa
Möglich wäre auch der Ausbau von neuen Bahnstrecken oder Autobahnen. Durch staatliche Investitionen sinkt zusätzlich die Arbeitslosigkeit, während der Konsum weiter steigt. Quelle: dpa
Ein weiteres Maßnahmenbündel wären Steuersenkungen, um die Wirtschaft anzukurbeln. Im Detail bedeutet das: Die Senkung der Unternehmenssteuern schafft Anreize, um in die Produktion zu investieren; eine Senkung der Einkommenssteuer entlastet die Arbeitnehmer. Quelle: dpa
Die Senkung des Leitzinses könnte einer Deflation entgegen wirken, weil so günstigere Kredite vergeben werden können... Quelle: dpa
... aber es kann eben auch sein, dass das mal nicht klappt - wie in Japan. Der Staat kämpft bereits seit 1990 mit einer deflationären Entwicklung seiner Wirtschaft. Zinssenkungen sollten das eigentlich eindämmen, aber die Nachfrage hat sich dadurch trotzdem nicht verbessert. Der Leitzins liegt mittlerweile bei um die null Prozent. Quelle: REUTERS

Jetzt ist also passiert, was einige Beobachter schon lange erwartet haben: China ist in den weltweiten Wettlauf um die schwächste Währung mit eingestiegen. Nach Japan und der Eurozone war es nur eine Frage der Zeit. Natürlich wäre ein Währungskrieg in niemandes Interesse. Dazu sind die Wirkungen, wie wir seit der großen Depression der 1930er Jahre wissen, viel zu dramatisch. Am Ende eines Währungskrieges würde es nur Verlierer geben. Doch wenn es andere schon machen –  wer kann China verdenken, dann auch mitzumachen?

Exporteur von Deflation

Damit exportiert die Volkswirtschaft mit dem größten deflationären Druck fallende Preise in alle Welt. Nach einem schuldenfinanzierten Überinvestitionsboom, der zu Fehlinvestitionen von bis zu sechs Billionen US-Dollar geführt hat, fallen die Produzentenpreise in China nun schon seit 40 Monaten. Schuldner, die versuchen um jeden Preis an Liquidität zu kommen, achten nicht mehr auf Gewinne. Es geht nur noch um Cash. Die sinkende Importnachfrage nach Rohstoffen und Industriegütern trifft auf eine Welt, die im Vertrauen auf den endlosen chinesischen Boom ebenfalls erhebliche Überkapazitäten aufgebaut hat.

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Jeder sucht in diesem Umfeld den eigenen Vorteil, am besten über eine schwächere Währung. Dies steht hinter dem Versuch der japanischen Regierung, mit Abenomics die Wirtschaft aus der Deflation zu befreien; dies steht hinter der Strategie der EZB, den Euro zu schwächen. Nun, nachdem der Renminbi seit Anfang 2014 handelsgewichtet um rund zehn Prozent zugelegt hat, zieht China die Notbremse und setzt ebenfalls auf eine Exportbelebung durch eine weichere Währung. Dabei bin ich angesichts der erheblichen Auslandsschulden der chinesischen Unternehmen überzeugt, dass es zu keinem raschen weiteren Kursverlust kommen wird. Eher werden wir einen gemächlichen Abstieg sehen.

Doch zur Besorgnis genügen bereits die fallenden Produzentenpreise in China. Es braut sich weltweit ein deflationäres Szenario zusammen. Dabei ist es völlig richtig, dass Deflation keineswegs gleich mit Depression gleichgesetzt werden muss, wie dass die Amerikaner tun. Die Wirtschaftsgeschichte kennt lange Phasen fallender Preise, die mit deutlichem Wirtschaftswachstum einhergingen.

Japanisches Szenario

Allerdings waren dies Phasen mit geringer Verschuldung. Heute leben wir in einer überschuldeten Welt mit erheblichen Überkapazitäten. Sieben Jahre nach der letzten akuten Krise ist die Geldpolitik immer noch sehr locker. In Europa soll so der Euro gerettet werden, und selbst in den USA ist die Erholung ausgesprochen schwach. Schwaches Wachstum mit fallenden Preisen – das verheißt nichts Gutes. Europa und die USA drohen in ein japanisches Szenario zu fallen: Geringes Wachstum, chronische Deflation, schrumpfende (oder im Falle der USA stagnierende) Erwerbsbevölkerung, zunehmende Verteilungskonflikte und außer Kontrolle geratene Verschuldung.

Die Politik und die Notenbanken werden sicherlich alles versuchen, um dieses Szenario, vor dem der IWF schon seit längerem warnt, zu verhindern. Japan hat dies bekanntlich in den vergangenen Jahrzehnten auch versucht - ohne den gewünschten Erfolg. Als Investor muss man sich darauf einstellen, dass es uns ähnlich ergeht.

Diversifikation im Szenario der Deflation

Regelmäßig habe ich an dieser Stelle den Wert der Diversifikation gepredigt. Liquidität, Anleihen, Gold, Aktien und Immobilien in globaler Streuung sind demnach der beste Weg, um in allen Szenarien Vermögen zu erhalten und perspektivisch auch zu mehren. Gilt das auch im Falle der Deflation?

Liquide Mittel in verschiedenen Währungen sind fester Bestandteil eines soliden Portfolios. Dabei denke ich unter anderem an Schweizer Franken, Singapur Dollar und US-Dollar. Vordergründig ist Liquidität die beste Geldanlage in Zeiten der Deflation. Schließlich würde das Geld mit jedem Tag an Kaufkraft gewinnen. Problematisch ist jedoch, dass die Politik der Negativzinsen in diesem Szenario noch radikaler umgesetzt wird, und man auf dem Bankkonto faktisch einer Besteuerung unterliegt.

Hinzu kommt, dass im Zuge der Deflation immer mehr Schuldner in Zahlungsschwierigkeiten geraten werden und ihre kreditgebenden Banken ins Wanken bringen. Dann werden Bankgläubiger zur Sanierung mit herangezogen werden. Bankguthaben sind somit in einigen Ländern – auch Deutschland – nicht sicher. Bargeld bietet sich noch als Alternative an. Dabei werden die Bemühungen, die Nutzung von Bargeld in Zukunft einzuschränken, zunehmen. Heute kann man Bargeld noch unbegrenzt abheben und verwenden. In Zukunft könnte dies erheblichen Beschränkungen unterliegen. Dennoch spricht das Szenario der Deflation für eine Erhöhung der Bargeldquote.

Zahlungsausfallrisiko groß

Um Anleihen ist es in der heutigen Zeit nicht viel besser gestellt als um Liquidität. Der Zinsertrag ist geringfügig höher, dafür aber das Risiko von Zahlungsausfällen deutlich größer. Vorausgesetzt der Schuldner ist solide und auch im Umfeld von fallenden Preisen in der Lage, seinen Verbindlichkeiten nachzukommen, können Anleihen im deflationären Szenario jedoch ein sehr attraktives Investment sein. Dies dürfte nur bei den besten Unternehmens- und Staatsschuldnern der Fall sein. US-Treasuries dürften dann deutlich unter einem Prozent notieren, was aus heutiger Sicht einen deutlichen Kursgewinn verspricht. Die Marktreaktion auf die chinesische Abwertung unterstreicht diese These. Die Zinsen auf US-Staatsanleihen sanken deutlich.

Die fünf großen Gefahren für Chinas Wirtschaftswachstum

Meine Meinung zu Gold habe ich an dieser Stelle vor einigen Wochen ausführlich erläutert. Gemeinhin wird angenommen, dass Deflation ein schlechtes Umfeld für Gold ist. Es besteht ja keine Notwendigkeit sich vor Geldentwertung zu schützen. Aber vor Zahlungsausfällen. Da das Geld auf dem Bankkonto nicht mehr sicher ist – übrigens in jedem Szenario! – und die Nutzung von Bargeld zusehends eingeschränkt wird, bliebe physisch gehaltenes Gold und Silber eine Möglichkeit der Diversifikation – einer Systemdiversifikation, gewissermaßen: eine Anlage neben dem bestehenden Finanzsystem, die keinem Kontrahentenrisiko unterliegt.

Für Aktien ist Deflation ein Risiko. Für gewöhnlich haben Manager keine Erfahrung mit einem allgemein rückläufigen Preisniveau. Hier gilt, dass Unternehmen mit geringer Verschuldung und ausreichender Flexibilität die Herausforderung besser meistern können. Effiziente Kostenstrukturen, geringe Mittelbindung und moderate Verschuldung ermöglichen in einem Umfeld fallender Preise und allgemeiner Kaufzurückhaltung ein „Überwintern“. Unternehmen mit hoher Verschuldung und unflexiblen Strukturen werden hingegen hart getroffen. Für Lebensversicherungen wäre eine Deflation eine erhebliche Herausforderung. Doch auch bei den robusten Unternehmen ist mit fallenden Margen und damit Kursen zu rechnen. Verstärkt würde dieser Effekt durch Verkäufe von anderen Aktionären, die ihren Verbindlichkeiten nachkommen müssen.

Im Szenario einer Deflation kommen auch die Preise für Immobilien tendenziell unter Druck. Mieten müssen gesenkt werden oder fallen komplett aus. Verschuldete Hausbesitzer müssen die Immobilie verkaufen um ihre Verbindlichkeiten zu bedienen. Deshalb ist es wichtig, nicht mit Blick auf das Inflationsszenario mit übermäßigen Schulden zu arbeiten. Es kann Jahrzehnte dauern, bis sich Inflation schließlich einstellt.

Das führt unweigerlich zum Fazit: In Zeiten der Deflation funktioniert ein guter Teil des Portfolios nicht. Immobilien und Aktien kommen unter Druck, Anleihen gewinnen – so der Schuldner solide ist – und Gold bliebe eine Versicherung für den Gau. Liquidität wäre das Mittel der Wahl, wenn, ja wenn nicht das Risiko der Beteiligung bei Bankenpleiten wäre. Dies spricht für eine erhöhte Bargeldquote und das Parken des Geldes in kurzfristigen Anleihen solider Staaten. So weh das auch tut.

Natürlich wird die Politik die Deflation mit allen Mitteln bekämpfen. Die dann zu erwartende hohe Inflation würde das Portfolio ganz anders treffen. Vor allem nach einer längeren Phase der Deflation. Dazu mehr nächste Woche in dieser Kolumne.

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