Die Vorstellungen der Politik, durch eine „sozialere“ Gestaltung der EU den gefühlten Wohlstand und damit die Attraktivität der EU zu erhöhen, werden das Gegenteil bewirken: Es ist die Fortsetzung einer Politik, die Verteilung vor Schaffung von Wohlstand stellt. Gerade für uns Deutsche sind das keine guten Aussichten, weil unsere Handelsüberschüsse fälschlicherweise mit Reichtum gleichgesetzt werden, obwohl alle Studien zeigen, dass in den meisten EU-Ländern das Privatvermögen pro Kopf deutlich über hiesigem Niveau liegt.
Natürlich lassen sich auch mit Blick auf Großbritannien etliche wirtschaftliche Probleme feststellen: einseitige Abhängigkeit vom Finanzsektor, riesiges Handelsdefizit, schlechte Bildung der breiten Schichten ohne Zugang zu den herausragenden Privatschulen und eine Infrastruktur, die erheblichen Nachholbedarf hat.
Briten wollen gesteuerte Einwanderung
Auf der anderen Seite hat das Land einige Trümpfe im Ärmel. Es bleibt hoch attraktiv für qualifizierte Einwanderer. Was hier in der Diskussion immer wieder übersehen wird, ist, dass die Befürworter des Brexit keineswegs gegen jede Einwanderung sind. Im Gegenteil wurde ein Punktesystem nach kanadischem Vorbild diskutiert. Verbunden mit dem Vorteil der Sprache bliebe das Land damit nicht nur für qualifizierte Zuwanderer attraktiv, es könnte sogar gerade gegenüber der EU noch attraktiver werden, weil die Lasten der Umverteilung geringer sind als bei uns.
Hier hilft auch die Tatsache, dass die Spitzenbildung in Großbritannien durchaus etwas zu bieten hat. Neben den berühmten Privatschulen sind dies vor allem die Universitäten. Im letzten Ranking der 100 besten Universitäten der Welt ist Großbritannien immerhin mit acht Universitäten vertreten. Die EU bringt es (ohne GB) auf 17, davon vier Deutsche.
Bezeichnend ist, dass von den 13 EU-Universitäten außerhalb Deutschlands und Großbritanniens neun in Ländern liegen, in denen es auch mit Blick auf die EU gärt, nämlich in Schweden, Finnland, Dänemark und Holland. In den Krisenländern der EU gibt es übrigens keine Universität in der Rangliste der 100 besten weltweit.
Eine gesteuerte Einwanderung, ein herausragendes Bildungssystem und die geringe Sprachbarriere könnten sich für Großbritannien in den kommenden Jahren außerhalb der EU zu einem Wettbewerbsvorteil entwickeln.
Mit Blick auf den Brexit hatte JP Morgan schon vor einigen Wochen festgestellt, dass die Wirtschaft Großbritanniens deutlich mehr mit Deutschland, Schweden, Irland und Holland gemein hat, als mit Frankreich, Italien, Spanien und Portugal. Während wir mit letzten weiterhin in einem Boot sitzen, noch dazu gefesselt in das Korsett einer eigenen Währung, kann Großbritannien sich auf die eigenen Stärken besinnen und perspektivisch weitere Länder anlocken. Was würde Holland, Schweden und Dänemark daran hindern, sich einer erfolgreichen Freihandelszone unter angelsächsischer Führung anzuschließen?
All dies klingt heute noch wie eine wilde Phantasterei. Doch zeigt die Geschichte, dass keine Entwicklung unumkehrbar ist. Als Investor müssen wir anfangen, uns auf diese Szenarien einzustellen. Denn eines ist klar: die Eurozone ist sicherlich kein sicherer Hafen für den Sturm der sich da zusammenbraut.