
Nun tagt sie also wieder, die Europäische Zentralbank (EZB). Gespannt blicken die Märkte der Welt nach Frankfurt und erhoffen sich die erlösende Nachricht: Noch mehr Geld – sei es in Gestalt noch tieferer Refinanzierungszinsen, noch negativerer Einlagenzinsen, noch mehr Käufe von Staatsanleihen oder gar einer Ausweitung des Programms auf Bankanleihen und Papiere mit zweifelhafter Bonität.
Viel spricht dafür, dass die EZB diesmal nicht enttäuscht. Also geht es weiter im bisherigen Spiel, eine Solvenzkrise wie eine Illiquiditätskrise zu behandeln. Banken, Finanzmärkte und Finanzminister dürfte es freuen. Kauft die EZB doch wieder Zeit, und man kann darauf setzen, dass sich die Nachfolger mit dem dann noch größeren Problem herumschlagen müssen.
Aber was tut der Investor? Auf den Börsenzug aufspringen und die absehbaren Gewinne mitnehmen oder bereits heute vorwegnehmen, was unweigerlich kommt: die erneute Korrektur, der erneute Ruf nach weiterem Geld, die immer drastischeren Interventionen? Das große Anleihekaufprogramm der EZB ist gerade mal ein Jahr alt. So verfestigt sich der Eindruck, dass die Maßnahmen der Notenbanken Strohfeuer sind, die immer kürzer brennen und immer weniger Wärme erzeugen.
Zur Person
Daniel Stelter war von 1990 bis 2013 Unternehmensberater bei der Boston Consulting Group (BCG), zuletzt als Senior Partner, Managing Director und Mitglied des BCG Executive Committee. Seit 2007 berät Stelter internationale Unternehmen zu den Herausforderungen der fortschreitenden Finanzkrise. Zusammen mit David Rhodes verfasste er das 2010 preisgekrönte Buch „Nach der Krise ist vor dem Aufschwung“. Weitere Bücher folgten, so eine Replik auf das Buch „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ des französischen Ökonomen Thomas Piketty unter dem Titel „Die Schulden im 21. Jahrhundert“. Im Februar 2016 erschien sein neues Buch, „ Eiszeit in der Weltwirtschaft“. Stelter ist Gründer des auf Strategie und Makroökonomie spezialisierten Forums „Beyond the Obvious“, das Antworten auf die wirtschaftlichen und finanzpolitischen Fragen unserer Zeit sucht.
Kann also gut sein, dass heute der Grundsatz gilt: sell the News. Denn im Kern unterstreicht die EZB mit ihren immer verzweifelteren Interventionen, dass auch die Notenbanker mit ihrem Latein am Ende sind.
Zweifel an der Wirksamkeit der Geldpolitik wachsen
Hat die US-Notenbank Fed mit ihrem Entscheid, die Zinsen in den Abschwung hinein zu erhöhen, im Dezember die sinkenden Kurse an den Börsen verstärkt, so könnte die EZB nun das Gegenteil von dem erreichen, was sie eigentlich beabsichtigt. Die Börse könnte fallen statt zu steigen. Denn es wachsen doch die Zweifel an der Wirksamkeit der Geldpolitik. Erst wenn die letzten Hemmungen fallen und die Notenbanken zur direkten Finanzierung von Staatsausgaben übergehen, dürfte es zu einem wahren Boom an den Börsen kommen. Nur dann können wir davon ausgehen, dass es gelingt, Deflation und Rezession nachhaltig zu überwinden. Je mehr das die Finanzmärkte realisieren, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass die Märkte nicht mehr wie gewohnt auf die Notenpresse reagieren.
Das Drama, welches sich zur Zeit in Portugal und Österreich mit der Behandlung von Anleihegläubigern staatlich garantierter Schulden abspielt, wirft ein Schlaglicht auf die Größe der Probleme, vor denen wir stehen. Mich wundert dabei nicht so sehr, dass die Staaten versuchen, Gläubiger zur Kasse zu bitten, sondern, dass die Gläubiger so naiv waren, an Versprechungen von Staaten und insolventen Banken zu glauben.