Stelter strategisch

Im Sommer crasht es noch nicht

Daniel Stelter Quelle: Presse
Daniel Stelter Unternehmensberater, Gründer Beyond the Obvious, Kolumnist Zur Kolumnen-Übersicht: Stelter strategisch

Die harschen Kursverluste bei den Technologieriesen waren ein Warnsignal. Die Lieblinge der Börse, Facebook, Apple und Co., haben ordentlich Federn gelassen. Nur eine Korrektur im langfristigen Aufwärtstrend oder drohen uns deutliche Kurseinbrüche im Herbst?

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Urlauber am Strand. Quelle: dpa

Die Korrektur an der Nasdaq in den vergangenen Tagen war ein eindeutiges Warnsignal. Die bisherigen Lieblinge der Börse, Facebook, Apple, Amazon, Microsoft und Google, die für fast 50 Prozent des Kurszuwachses seit Jahresanfang stehen, haben an Glanz verloren. Ist es nur eine Unterbrechung im langfristigen Aufwärtstrend oder müssen wir uns auf deutliche Turbulenzen im Herbst einstellen?

Gewichtige Mahner

Gründe für einen Crash an den Börsen gibt es wirklich genug. Die Bewertungen sind weit vorangelaufen und nähern sich bereits früheren Höchstständen, denen starke Einbrüche folgten. Auch werden die warnenden Stimmen immer lauter:

  • Der frühere „Bondkönig“ Bill Gross rät Investoren, Chips vom Tisch zu nehmen und das Geld sicher zwischenzuparken.

  • Der heutige „Bondkönig“ Jeff Grundlach warnt vor der überbordenden Spekulation auf anhaltend tiefe Volatilität an den Märkten und rät Spekulanten ebenfalls, die Liquidität deutlich zu erhöhen.

Die wertvollsten Unternehmen der Welt
  • Der Rohstoffspekulant Rogers rechnet mit „größten ökonomischen Problemen“ und einem Kollaps, den viele Unternehmen und vielleicht sogar Staaten nicht überleben würden. 

  • Ray Dalio, Gründer des wohl bekanntesten und erfolgreichsten Hedge Funds Bridgewater, äußert sich ähnlich und warnt die Investoren ebenfalls vor drastischen Verlusten.

  • Die Financial Times spekuliert über den bevorstehenden "Minsky Moment", ab dem es zu einer Flucht aus den Kapitalmärkten kommt. An anderer Stelle warnt die führende Finanzzeitung der Welt vor einem Einbruch an den Märkten von historischem Ausmaß.

All dies sehen Optimisten als Zeichen dafür, dass die Hausse an den Märkten noch lange weitergehen kann. Schließlich sei es typisch für steigende Börsen, dass diese eine Mauer der Angst erklimmen müssen. Je größer die Skepsis, desto größer das Potenzial für weitere Kursgewinne, so die Logik.

Treibstoff wird knapp

Dabei drohen ernsthafte Gefahren: Den Märkten könnte der Treibstoff ausgehen. Seit 2009 hängt die Weltwirtschaft am Tropf des billigen Geldes der Zentralbanken. Solange das Zinsniveau in den USA, gemessen an den zehnjährigen US-Staatsanleihen, unterhalb von drei Prozent bleibt, verkraften die Märkte nach Auffassung der Experten einen Zinsanstieg. Noch sind wir trotz der Zinserhöhung der Fed von diesem Niveau weit genug entfernt. Es kann also einige Monate so weitergehen.

Andererseits gibt es einen bedenklichen Rückgang des weltweiten Kreditimpulses. Darunter versteht man die Veränderung der Wachstumsrate (also die 2. Ableitung). Nach Berechnungen der UBS ist die Wachstumsrate der weltweiten Kreditvergaben jüngst so stark eingebrochen wie zuletzt vor der Finanzkrise 2008.

Da das Kreditwachstum in den vergangenen Jahren immer mehr zunahm, um dennoch weniger realwirtschaftlichen Effekt zu erzielen, droht nun ein weltwirtschaftlicher "margin call" (Zur Definition siehe hier). Es sinkt nicht nur die realwirtschaftliche Nachfrage, sondern auch die Nachfrage nach Finanzassets und Immobilien.

Die drastische Kehrtwende am kanadischen Immobilienmarkt mag dafür ein deutliches Warnsignal sein. Noch vor wenigen Wochen galten Wohnungen und Häuser in Toronto als krisensicheres Investment, dass nur im Preis steigen konnte. Seither hat der Markt komplett gedreht. Standen früher die Käufer Schlange, gibt es jetzt ein Überangebot im Markt. Steigt der Wert aller Immobilien in einer Region, wenn eine Immobilie zu einem höheren Preis verkauft wird, so sinkt auch der Wert aller Immobilien, sobald der Kaufpreis für nur eine Immobilie sinkt. Platzt die Blase, trifft das nicht nur die Kreditnehmer, sondern vor allem das Bankensystem, welches über Nacht insolvent wird. So wie die Banken Europas während der Euro- und Finanzkrise.

Die schwärzesten Tage der Börsengeschichte
19. Oktober 1987 – der „Schwarze Montag” Quelle: dpa
16. Oktober 1989 – der Dax-Absturz Quelle: AP
23. Mai 1995 – die Asien-Krise Quelle: REUTERS
6. Oktober 2008 – das Lehman-Beben Quelle: dpa
Griechische Flagge Quelle: dpa
24. August 2015 – ein neuer China-Crash Quelle: dpa
07. Januar 2016 – und wieder ein Drachen-Kursbeben Quelle: dpa

Am bedrohlichsten ist die Lage in China. Das Land hat über Jahre auf einen schuldenfinanzierten Investitionsboom gesetzt, um die Wirtschaft anzukurbeln. In der Folge befindet sich die Privatverschuldung auf westlichem Niveau. Zwar kann der Staat mit geringer eigener Verschuldung rettend einspringen und faule Schulden auf die eigenen Bücher nehmen, dennoch geht das nie ohne erhebliche realwirtschaftliche Turbulenzen vonstatten. Aus Angst vor den Folgen steht die chinesische Führung auf der Bremse, was zu einem entsprechend geringeren Kreditwachstum führt.

Die andere Region mit rückläufigem Kreditwachstum sind die USA. Aller vordergründigen Euphorie nach der Wahl Donald Trumps zum Trotz (zumindest an den Börsen), deutet dies auf eine Abschwächung der US-Wirtschaft hin. Gut möglich, dass die Fed erneut in einen Abschwung hinein die Zinsen erhöht.

Damit haben wir trotz anhaltendem Kreditwachstum in Europa eine Situation, in der die globale Zusatzliquidität langsamer wächst, während das System auf immer höhere Dosen angewiesen ist. Da ist es nur eine Frage der Zeit, bis es an den Assetmärkten zu Korrekturen kommt. Im Sommer dürfte das jedoch nicht der Fall sein, solange es nicht zu einem unerwarteten Ereignis kommt. Zu viele Akteure sind im Urlaub oder agieren auf Sparflamme. Im Herbst kann dies anders sein. Mark Twain hat zwar richtig festgestellt, dass der „Oktober einer der besonders gefährlichen Monate ist, um mit Wertpapieren zu spekulieren. - Die anderen sind Juli, Januar, September, April, November, Mai, März, Juni, Dezember, August und Februar.“

Dennoch dürfte der Oktober nicht zu Unrecht seinen schlechten Ruf haben, schon gar nicht im Lichte einer rückläufigen Zufuhr an frischem Geld.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%