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Börse: Warum Anleger vorsichtig sein sollten Quelle: imago images

Rezession – diesmal schlecht für die Börse

Daniel Stelter Quelle: Presse
Daniel Stelter Unternehmensberater, Gründer Beyond the Obvious, Kolumnist Zur Kolumnen-Übersicht: Stelter strategisch

Schlechte Konjunktur heißt noch mehr billiges Geld. Nach einhelliger Meinung ist das Treibstoff für die Börsen der Welt. Doch diesmal dürften die Notenbanken enttäuschen, die Risiken für Anleger nehmen zu.

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Die Marktbeobachter sind sich weitgehend einig: die US-Notenbank Fed hat in ziemlicher Panik einen wahrhaftigen U-Turn hingelegt. Zinserhöhungen werden für dieses Jahr nicht mehr erwartet und auch der Prozess der Bilanzverkürzung findet früher als gedacht ein Ende. Auslöser, so die Mehrheitsmeinung, war der deutliche Rückgang an der Wall Street im letzten Quartal 2018. Die Finanzmärkte haben der Fed gezeigt, wie sehr sie vom billigen Geld abhängen und anders als von Fed-Präsidenten Powell vorher lauthals verkündet, spielt die Börse durchaus eine wesentliche Rolle bei den Überlegungen der Notenbanker.

Vermögenspreise als Ziel der Notenbankpolitik

In den USA stellen Aktien die wesentliche Vermögensposition der Bürger dar, noch vor Immobilien. Die Börsenbewertung liegt beim 1,6-fachen des Bruttoinlandsprodukts (BIP), nur im dritten Quartal 2018 und im ersten Quartal des Jahres 2000 war sie geringfügig höher. Der Marktwert der Aktien in den Portfolios der amerikanischen Haushalte liegt bei rund 30 Billionen US-Dollar.

Offensichtlich können die Notenbanker schon seit langem nicht mehr unabhängig von der Börse agieren. Im Gegenteil, die Börse ist mittlerweile zu einer wichtigen Zielgröße für die Notenbanker geworden. Fallen die Aktienkurse hat dies unmittelbar Effekt auf das Vermögen und damit das Konsumverhalten der Amerikaner. Nichts anderes steckt hinter dem Einbruch der US-Konsumausgaben im Dezember um 1,2 Prozent, dem größten Rückgang seit der Finanzkrise 2009.

Wie schon mit der Politik der asymmetrischen Zinssenkungen der vergangenen 30 Jahre, die maßgeblich für die immer höhere Verschuldung des Systems verantwortlich ist, haben sich die Notenbanker damit in eine Ecke manövriert: die Zinsen dürfen nicht steigen, damit die Schuldenblase nicht platzt, die Börse darf nicht fallen, um keine Rezession auszulösen.

Eine Ansicht, die durch die Entwicklungen der vergangenen Wochen eine Bestätigung zu finden scheint. Kaum rumpelt es in den Märkten, schreitet die Fed zur Rettung.

Oder ist die Rezession schon da?

Was aber, wenn die Rezession schon da ist? Bekanntlich werden Rezessionen ja immer erst im Nachhinein festgestellt. Die Signale dafür kommen nicht nur aus Italien und Deutschland, sondern auch aus den USA. Da ist zum einen die inverse Zinskurve – also die Tatsache, dass die kurzfristigen Zinsen höher sind als die langfristigen –, die als ein recht verlässlicher Indikator für eine Rezession gilt. Da sind zum anderen die Indikatoren der Realwirtschaft: ein deutlicher Einbruch des „GDPNow-Index“ der Fed-Zweigstelle in Atlanta, der Rezessions-Index der New Yorker Zweigstelle der Fed, der Index der Überraschungen aus der Realwirtschaft, den die Citi-Bank erstellt, und schließlich die Stimmung unter den Einkäufern. Alles deutet auf eine rasche Abkühlung in den USA hin. Die Notenbank sieht das auch und es spricht sehr viel dafür, dass sie aus eben diesen Gründen zur Trendwende geblasen hat.

Dies alles erfolgt vor dem Hintergrund eines einmaligen Konjunkturprogramms der Regierung Donald Trumps, die versucht hat, mit massiven Steuersenkungen und einem Haushaltsdefizit von über fünf Prozent des BIP die US-Wirtschaft auf eine höhere Wachstumsrate zu hieven. Dieser von mir schon zur Wahl erwartete Versuch der „Reflationierung“ muss als gescheitert angesehen werden.

Für die letztlich entscheidenden Unternehmensgewinne ist das ein schlechtes Omen. Tendenziell steigende Löhne, geringeres Umsatzwachstum und Preisdruck sprechen für sinkende Gewinnmargen. Angesichts der schon rekordverdächtigen Bewertung der US-Firmen ist nicht zu hoffen, dass sinkende Gewinne durch noch höhere Bewertungen kompensiert werden. Im Ergebnis müssen die Kurse sinken. Die Optimisten, die auf eine von billigem Geld getriebene Fortsetzung des Aufschwungs setzen, dürften eine bittere Enttäuschung erleben. Sehr gut möglich, dass wir die Jahreshöchststände an der Wall Street schon gesehen haben.

Die USA folgen damit Europa zeitverzögert in das japanische Szenario geringen Wachstums, deflationären Drucks und Negativzinsen für langlaufende Staatsanleihen. Ein Szenario, welches mit immer geringerer Wirksamkeit der Geldpolitik einhergeht. Denn könnte man mit Gelddrucken die Vermögenspreise dauerhaft erhöhen, würde der Nikkei nicht immer noch deutlich unter dem Stand von 1990 notieren und der Euro-Stoxx nicht deutlich unter dem Höchststand des Jahres 2000. Liquidität treibt taktisch die Börsen, aber nicht nachhaltig.

China rettet sich selbst

Das werden wir dieses Jahr wohl am ehesten in China beobachten können. Aus Angst vor einer weiteren Abschwächung der dortigen Wirtschaft hat die Regierung ähnlich wie die Fed eine panikartige Kehrtwende eingeleitet. Alleine im Januar wuchs die Geldmenge in China („Total Social Financing“) um fast 700 Milliarden Dollar.

Statt die Abhängigkeit von der Droge billigen Geldes zu verringern, setzt die Regierung also wieder auf deutliches Kreditwachstum, um die Wirtschaft auf Trab zu bekommen. Egal, dass in China wie auch bei uns der realwirtschaftliche Effekt neuer Schulden immer geringer wird. Für die Börse in China ist es auf jeden Fall ein gutes Vorzeichen, wie auch die deutliche Erhöhung des Anteils chinesischer Werte im MSCI Emerging Markets Index von 5 auf 20 Prozent.

Im Unterschied zu 2016 dürfte die neue Liquidität in China nicht in die Weltmärkte schwappen, weshalb aus dieser Richtung keine Unterstützung für Wall Street, Euro-Stoxx und Dax zu erwarten ist. Nur China dürfte von dem verbesserten monetären Umfeld profitieren. Indirekt mag eine Erholung der Wirtschaft in China allerdings positiv ausstrahlen und gerade die hiesige Wirtschaft etwas beleben.

Bleibt die bekannte Erkenntnis, dass es um Europa und vor allem die Euro-Zone nicht gut bestellt ist. Das Wachstum bleibt schwach, die EZB schon vor der nächsten Krise extrem locker und die Politiker unfähig, die Probleme zu lösen. Die deutsche Wirtschaft spürt die in den vergangenen zehn Jahren stark gestiegene Exportabhängigkeit immer schmerzlicher und steht vor erheblichen Risiken:

  • Ohne Zweifel wird Donald Trump nach einer etwaigen Einigung im Handelsstreit mit China die deutsche Automobilindustrie mit Zöllen frontal angreifen. Ob die EU darauf in der erhofften Einigkeit reagieren wird, bleibt abzuwarten. So mehren sich Anzeichen, dass beispielsweise Frankreich, welches praktisch nicht betroffen wäre, Gegenmaßnahmen, die zulasten der eigenen Wirtschaft gingen, nicht unterstützen würde.
  • Die Wahrscheinlichkeit eines harten Brexits ist meines Erachtens in der vergangenen Woche gestiegen und nicht gesunken. Zwar signalisieren die Finanzmärkte und die Buchmacher eine geringere Wahrscheinlichkeit für dieses Szenario, ich denke jedoch, dass dies eine Fehleinschätzung der britischen Politik ist. Ein smarter Hard-Brexit, wie er von Gabriel Felbermayr durchgerechnet wurde, ist durchaus attraktiv. Verlierer wäre dabei vor allem die Euro-Zone, die dadurch in eine Rezession gestürzt würde. Hauptverlierer wäre auch Deutschland, ist doch Großbritannien ein bedeutender Absatzmarkt, für Autos sogar der größte. Aus diesem Grunde habe ich meine Position im Pfund geschlossen.
  • Die strukturellen Probleme der Euro-Zone werden in den kommenden Monaten wieder offen zu Tage treten. Geringes Wachstum, hohe Verschuldung, schwaches Bankensystem und zunehmende politische Uneinigkeit – Beispiel: Italien und die Seidenstraße – werden das Projekt zunehmend unter Druck setzen. Die anstehenden Wahlen erhöhen die Risiken zusätzlich.
  • Deutschlands Wirtschaft leidet derweil zunehmend unter den Folgen einer Politik, die völlig falsche Schwerpunkte setzt: Ausbau des Sozialstaates, Energie- und Umweltwende ohne Rücksicht auf Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätze sowie die Verfolgung einer emotionalen Wohlfühlagenda, die keinen Raum für rational wirtschaftliches Handeln lässt.

In diesem Umfeld kann es nicht verwundern, dass gerade die deutsche Börse enttäuscht.

Doch auch weltweit dreht sich der Wind. In den USA, in Europa und in Japan sinken die Unternehmensgewinne bereits. Die Halbleiterexporte Südkoreas – ein vielbeobachteter Frühindikator für die Weltkonjunktur – fielen im Februar um 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Rückläufige Gewinne können nicht durch immer mehr Liquidität kaschiert werden. Wir befinden uns am (vorläufigen) Höhepunkt der geldpolitischen Interventionen. Mit der Abschwächung der Wirtschaft werden die Börsen einen deutlichen Dämpfer erfahren. Ob es den Notenbanken dann nochmals gelingt, eine Blase aufzupumpen, bleibt abzuwarten. Die Rezessionsgefahr ist so – anders als von vielen Beobachtern behauptet – keine gute Nachricht für die Börsen, weil das Spiel der vorangegangenen Jahrzehnte nicht mehr funktioniert.

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