Streaming-Anbieter Cliq Digital Wächst hier das nächste Netflix heran – oder bloß ein Scheinriese?

Streaming auf dem Smartphone ist beliebt Quelle: imago images

Der Düsseldorfer Streaming-Anbieter Cliq Digital hat große Pläne, die Aktie ist im Aufwind. Wo er Geschäft generiert, ist aber unklar: Datenanalysen zeigen, dass zentrale Plattformen des Unternehmens kaum genutzt werden.

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Filme gibt es für jeden Geschmack. Beim Düsseldorfer Unternehmen Cliq Digital sind Horrorfilme derzeit besonders angesagt: Sie seien eine der tragenden Säulen des hauseigenen Streaming-Angebots in den USA. Auf seiner Internetseite wirbt Cliq Digital auf Englisch damit, „ein globaler Streaming-Anbieter“ zu sein. Man biete Mitgliedern unbegrenzten Zugang zu Musik, Hörbüchern, Spielen, Sport-, Film- und Serieninhalten. Es wirkt beinahe so, als entstehe da ein neues Netflix.

Cliq Digital ist börsennotiert. Seine Aktie hat sich, anders als die von Netflix, seit 2020 prächtig entwickelt. Zwischenzeitlich war der Kurs um 400 Prozent gestiegen. Noch immer ist der Börsenwert der Düsseldorfer mit 151 Millionen Euro relativ hoch für ein Unternehmen, das selten in der Werbung zu sehen ist und dessen Angebot man nur schwer durchdringt.

Aber: Onlinegeschäft lässt sich anhand von Datenspuren im Internet analysieren. Profi-Investoren werten inzwischen häufig die Daten aus, die Internetnutzer beim Surfen hinterlassen. Akribisch gezählt werden die Zugriffe auf Apps über den Google Playstore oder Apples App-Store. Auch die Klicks auf Internetseiten und die Verweildauer der Kunden sind wichtige Instrumente geworden, um digitale Geschäftsmodelle zu beurteilen. „App-Analytics“ und „Traffic-Daten“ nennen das Experten wie Baki Irmak, der Aktien in seinem Aktienfonds The Digital Leaders Fund unter anderem anhand solcher Daten analysiert.

Datenspuren decken Übertreibungen auf

Sinken die Klickzahlen bei Mode- oder Möbelhändlern im Internet oder verzeichnen Streamingdienste weniger Abonnements, kann das eine Bedrohung für ihren Aktienkurs sein. Wer solche Entwicklungen früh erkennt, wird von den Ergebnissen in Quartalsberichten nicht überrascht, kann bei Investments frühzeitig nachjustieren – oder gleich die Finger von manchen Aktien lassen.

Auch Unternehmen, die sich größer machen, als sie in Wirklichkeit sind, können durch Datenspuren entzaubert werden. Die einfachste Methode, Übertreibungen aufzudecken, ist ein Blick auf die Zugriffe auf Internetseiten. Bei Cliq Digital zeigt sich: Eigenwerbung und Zugriffe wollen nicht recht zusammenpassen.

Das Unternehmen unterhält nach eigenem Bekunden Büros in Amsterdam, Barcelona, London, Paris, Florida und Toronto. Knapp 170 Leute arbeiteten für den Streaming-Dienstleister, in 30 Ländern mache er Geschäfte. Zahlen des US-Datenanbieters Similarweb zeigen jedoch: Die Zugriffe auf wichtige Internetseiten von Cliq Digital sind mau. Cliq Digital erklärt dazu, die Daten von Similarweb seien unvollständig, weil die Verweildauer nicht aufgezeichnet werde. Bloß: Wenn kaum jemand die angebotenen Inhalte nutzt, hilft auch eine lange Verweildauer nichts.

Hörbücher, die sich kaum jemand anhört

Offiziell sprechen die Düsseldorfer bislang vor allem über zwei Marken Kunden an. Diese zwei Marken heben sie auch in ihren Präsentationen hervor. Eine davon ist Hörbie: ein Anbieter von Hörbüchern für Kinder zwischen drei und zwölf Jahren. Nach Zahlen von Similarweb gab es zwischen August 2020 und Juli 2022 weniger als 5000 Klicks auf die Internetseiten von Hörbie.

Zum Vergleich: Die Seiten des Hörbuchriesen Audible wurden im selben Zeitraum 579 Millionen Mal angeklickt. Cliq Digital schreibt dazu, dass Hörbie im deutschsprachigen Raum bisher noch nicht stark vermarktet werde. Man sehe Hörbücher aber als wichtige und ausbaufähige Unterhaltungskategorie.

Cliq Digital besitzt und betreibt nach eigenen Angaben zahlreiche Websites für eine breite Palette von Unterhaltungsangeboten. Die digitalen Unterhaltungsdienste vertreibe man vor allem mit Hilfe von sogenannten Performance Marketings. Dabei werden Werbebanner auf Drittseiten platziert, um so das eigene Angebot an die gewünschte Zielgruppe zu bringen. Um der Konkurrenz nicht zu verraten, welche Internetseiten dafür besonders geeignet sind, will Cliq Digital keine Angaben dazu machen, wo die Werbebanner zu finden sind.

Die zweite wichtige Marke von Cliq Digital ist die Plattform Scream-Stream, auf der es Horrorfilme gibt („Best of Horror“). Das Angebot ist mit rund 300 Filmen vergleichsweise klein. Auffällig ist eine Zunahme der Nutzer im Zeitverlauf: Von August 2020 bis Juli 2022 kommt das Portal insgesamt auf knapp 200.000 Besuche. Allerdings sind die Zugriffe anfangs an der Nulllinie, steigen erst ab Juli 2021 steil an, bleiben hoch bis März 2022 und fallen dann wieder stark ab. 

Cliq Digital erklärt den Anstieg damit, dass Scream-Stream im Juli 2021 in den USA eingeführt worden sei. Datenanalysen hätten gezeigt, dass acht bis neun Millionen Amerikaner täglich Horrorfilme schauten. Je nach Land liefen einzelne Streaming-Kategorien besonders gut. Warum die offenbar horrorliebenden Amerikaner so rasch wieder das Interesse an Scream-Stream verloren, erklärt Cliq Digital nicht.

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  • Wächst hier das nächste Netflix heran – oder bloß ein Scheinriese?
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