Erst kommt die Polizei, dann geht der Chef. Binnen weniger Stunden sind schon lange schwelende Untersuchungen über mögliches Greenwashing bei der Fondsgesellschaft DWS eskaliert – und haben auch die Muttergesellschaft Deutsche Bank erfasst. Ausgestanden ist das Thema damit noch lange nicht – vor allem in den USA, wo Justizministerium und Börsenaufsicht SEC seit Monaten wegen der Vorwürfe ermitteln. Wie hoch eine Strafzahlung der DWS im Falle einer Bußgeldverhängung ausfallen würde, lässt sich derzeit kaum absehen. „Die Strafen orientieren sich an dem Gewinn, den ein Anbieter durch eine illegale Maßnahme gemacht hat“, sagt Howard A. Fischer, ehemaliger SEC-Anwalt und ESG-Experte. Auch spiele die Anzahl der Verstöße eine Rolle. Solange diese Faktoren nicht feststünden, sei eine Quantifizierung kaum möglich.
Klar ist: Die Behörden verschärfen die Gangart gegen Öko-Schönfärberei – und der Gegenwind aus der Branche ließ nicht lange auf sich warten. Kaum hatte die SEC in der vergangenen Woche ihren Vorschlag für neue Regeln präsentiert, die Fonds erfüllen müssen um sich als nachhaltig zu präsentieren, schlug die Finanzbranche zurück. „Nicht umsetzbar“, seien die Regulierungsvorschläge, so der Chef der Lobbyorganisation Investment Company Institute (ICI). „Völlig überzogen“, hieß es aus industrienahen Fachkanzleien.
Was war geschehen? Die SEC hatte zwei Regeln vorgeschlagen, die Finanzprodukte erfüllen müssen, um sich mit dem begehrten Label ESG schmücken zu dürfen. Es steht als englische Abkürzung für Umwelt, Sozialstandards und gute Unternehmensführung (Environment, Social and Governance) – und soll Investoren anlocken, die neben der Rendite auch auf ihr gutes Gewissen achten wollen. Bisher sind die Vorgaben für Finanzprodukte in den USA jedoch äußerst schwammig.
Doch das soll sich nun ändern. Eine bestehende Regel, nach der Fonds die Abkürzung ESG nur in ihrem Titel führen dürfen, wenn sie mindestens 80 Prozent ihres verwalteten Vermögens so investieren, dass es ihren vorgegebenen Zielen entspricht, soll gestärkt werden. Eine zweite Regel würde es von den Fonds verlangen, zusätzliche Informationen darüber offenzulegen, wie ESG-Kriterien in Investitionsentscheidungen einfließen. Auch sollen die Fonds veröffentlichen, wie groß ihr Treibhausgasausstoß ist.
Gerade die zweite Regel stößt der Industrie sauer auf. Einige der geforderten Offenlegungen seien öffentlich überhaupt nicht zugänglich, klagt das ICI. Auch verenge die vorgeschlagene Regulierung den Blick auf die umweltrelevanten Investments eines vermeintlichen ESG-Portfolios. SEC-Chef Gary Gensler gibt sich gleichwohl unbeeindruckt. Es gehe schlicht um „Truth in Advertising“ – also um wahrhaftige Werbung. Noch sind die Regeln nicht in Kraft. Derzeit läuft eine 60-Tage-Frist, in der Kommentare eingeholt werden. Wie die endgültige Regulierung aussehen wird, ist damit noch nicht klar.
Auch gegen die Deutsche-Bank-Tochter DWS laufen Untersuchungen
Doch dass sich Gensler das Thema ESG genauer vornehmen will, ist keine Überraschung. Bereits vor etwas mehr als einem Jahr gründete die SEC eine Task Force, die sich den Themen Klimaschutz und ESG besonders annehmen soll. Geleitet wird sie mittlerweile von Sanjay Wadhwa, der auch die Enforcement-Abteilung der Börsenaufsicht übersieht. Seitdem hat die Task Force bereits in fünf Fällen Beschwerden gegen Unternehmen vorgebracht – zuletzt gegen den Investmentfonds BNY Mellon. Die Firma wurde zu einer Strafzahlung von 1,5 Millionen Dollar verpflichtet – eine niedrige Summe gemessen an den Zahlen, die die SEC sonst aufruft, aber trotzdem ein Signal, dass man das Thema ernst nimmt. Ob die Deutsche ähnlich preiswert davonkommen wird, ist eine andere Frage.
Ärger droht gleichwohl nicht nur von der Börsenaufsicht. Auch auf der bundesstaatlichen und der lokalen Ebene müssen sich Unternehmen zunehmend juristisch wegen des Vorwurfs des „Greenwashings“ wehren. Bereits 2019 verklage der Justizminister von Massachusetts den Energiekonzern ExxonMobil wegen dessen Beitrag zum Klimawandel.
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Die Klage wirft dem Unternehmen auch explizit vor, durch Kampagnen ein falsches Bild von sich gezeichnet zu haben, in dem dessen Anstrengungen für den Klima- und Umweltschutz überbetont werden. Erst in der vergangenen Woche entschied der Oberste Gerichtshof des Bundesstaats, dass die Klage behandelt werden muss.
In New York City läuft seit etwas mehr als einem Jahr ein ähnliches Verfahren. Die Stadt verklagte Exxon, Shell, BP und die Lobbyorganisation American Petroleum Institute (API) unter anderem, weil sie „systematisch und bewusst Konsumenten in New York City über die Rolle ihrer Produkte beim Entstehen des Klimawandels in die Irre geführt haben“. Indem die Konzerne Produkte wie Erdgas als klimafreundlicher angepriesen hätten, ohne auf ihren Beitrag zum Klimawandel hinzuweisen, hätten sie sich ähnlich verhalten wie die Tabakindustrie, die zeitweise Zigaretten mit dem Label „light“ versehen habe.
Diese Beispiele zeigen, dass es durchaus riskant sein kann, Produkte als nachhaltig anzupreisen. Ein „gefährliches Placebo“, nannte etwa Tariq Fancy, ehemals Chief Investment Officer für nachhaltiges Investieren beim weltgrößten Vermögensverwalter BlackRock ESG-Anlagen und forderte schärfere Auflagen und genauere Definitionen von Regierungen und Aufsehern, um Missbrauch zu vermeiden. Zumindest die Börsenaufsicht SEC scheint auf ihn gehört zu haben.
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