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Studie zu Hochfrequenzhandel Flash Boys erhalten Informationen schneller

Ultraschnelle Computerhändler haben schon seit längerem einen schlechten Ruf. Zurecht, resümiert jetzt eine neue Studie: Demnach erhalten einige Händler wichtige Informationen früher als andere.

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Wie der Computerhandel Börsencrashs auslöst
Chinas Aktienindex SSE ist am Freitag innerhalb von drei Minuten durch die Decke gegangen. Unzählige Kaufanfragen der Firma Everbright Securities trieben den SSE um 5,6 Prozent in die Höhe. Der Grund für die Börsenturbulenz war eine Computerpanne, die eine unbeabsichtigte Order auslöste. Am Ende des Tages schloss der SSE mit einem Verlust von 0,6 Prozent. Mittlerweile ermitteln die Aufsichtsbehörden in dem Fall. Es ist jedoch nicht das erste Mal in der Geschichte des Börsenhandels, dass Computer für unbeabsichtigte Käufe sorgen. Im Normalfall geht es für die Indizes dann jedoch nicht nach oben, sondern nach unten... Quelle: REUTERS
Ein Aktienmakler haelt sich an der Frankfurter Boerse die Haende vor das Gesicht, Quelle: AP
6. Mai 2010 14:30 bis 15:00 UhrComputerprogramme identifizieren eine Gewinnchance. Sie schicken massenweise Verkaufsaufträge an die New Yorker Börse, wo Käufer scheinbar überteuerte Preise zahlen. (Grafik: Maximaler Tagesverlust ausgewählter Aktien am 6. Mai 2010 in Prozent) Ausgeführt werden die Order jedoch zu den Preisen der tatsächlich vorliegenden, deutlich niedrigeren Kaufaufträge. Viele Verkaufsorder können mangels Käufern an der Wall Street gar nicht ausgeführt werden. Sie werden an andere Handelsplätze weitergeleitet. Eine Abwärtsspirale setzt ein. Bei einzelnen Aktien, wie bei der Unternehmensberatung Accenture, kommen mangels Käufern selbst niedrigste Kaufaufträge zu 0,01 Dollar zum Zuge. Diese Aktien sind kurzzeitig fast wertlos.
Accenture-Aktie, 6. Mai 2010 14:30 bis 15 UhrDie Aktie des Unternehmensberaters begann den Tag bei etwa 40 Dollar. Die Grafik der SEC-Ermittler verdeutlicht das Verhältnis von Kauf- zu Verkaufsaufträgen. Die grünen Balken oberhalb der Nulllinie stehen für Kauforder, die blauen Balken für Verkaufsorder. Die rote Linie steht für die Differenz aus ausgeführten Kauf- und Verkaufsaufträgen. Die dünne gestrichelte Linie markiert den Kurs der Accenture-Aktie. Nach wachsendem Verkaufsdruck bricht die Liquidität am Markt komplett ein. Die Accenture-Aktien sind im freien Fall, der Kurs sackt bis auf 0,01 Dollar ab, weil es keine Käufer gibt. Kurzeitig stehen weder Aktien auf der Kauf- noch auf der Verkaufsseite. Dann kehrt die Liquidität an den Markt zurück, der Kurs erholt sich.
6. Mai 2010 14:42 UhrVon 14:42:46 Uhr an zeigen die Kurssysteme der New Yorker Börse Daten nur noch zeitverzögert an, etwa für die General-Electric-Aktie (Grafik: Kauforder für die General-Electric Aktie in Dollar in New York und an der Computerbörse Nasdaq). Den Datenstau haben Computerhändler mit ungewöhnlich vielen stornierten Order verursacht. Laut Nanex stauen sich die Daten an der New Yorker Börse schon, wenn mehr als 20.000 Kurse pro Sekunde festgesetzt werden. Die veralteten Kursdaten sind jedoch mit der aktuellen Zeit versehen, so dass andere automatische Handelsprogramme sie für aktuell halten. Verglichen mit aktuellen Kauforder an anderen Börsen, etwa der Computerbörse Nasdaq, sind die Kaufaufträge an der New Yorker Börse am 6. Mai viel zu hoch.
Käufe und Verkäufe zu Preisen, die mehr als 60 Prozent unter dem eigentlichen Marktpreis liegen, werden später annulliert. Neben Aktien sind vor allem börsengehandelte Indexfonds (ETFs) betroffen (Grafik: Welche Wertpapiertypen am stärksten vom Flash Crash betroffen waren in Prozent). Da sie den Wert eines Aktienkorbs abbilden, hinkt ihr Preis den Kursen der einzelnen Aktien leicht nach. Das macht es Computern in Ausnahmesituationen wie am 6. Mai besonders einfach, auf weitere Kursverluste zu spekulieren.
6. Mai 2010 20:30 bis 20:45 UhrFast 1000 Punkte im Minus: Solch erdrutschartige Verluste musste der Börsenbarometer lange nicht erleiden - jedenfalls nicht in so kurzer Zeit. Zeitweise lag der Leitindex der größten Industriewerte Dow Jones Industrial (Kursverlauf am 6. Mai 2011 im Bild) neun Prozent im Minus. 862 Milliarden Dollar Börsenwert haben sich da in Nichts aufgelöst. Die Börsenaufsicht ist alarmiert, sie setzt den Handel von fünf Aktien zeitweise aus. Nach einer Viertelstunde war der Spuk vorbei.

Ultraschnelle Computerhändler haben schon seit längerem einen schlechten Ruf. Der Verdacht: Sie machen Milliardengewinne auf Kosten aller Anleger.

Denn: Sie nutzen ihre Rechner, um automatisch Unmengen von Aufträgen an die Börsen zu geben - in Bruchteilen von Sekunden. In den USA sind die Blitztrader durch den Bestseller "Flash Boys: Revolte an der Wall Street" in Misskredit geraten. Autor Michael Lewis wirft ihnen vor, die Märkte zu manipulieren.

Dass die Hochfrequenzhändler tatsächlich einen Vorteil anderen Anlegern gegenüber haben, bestätigt jetzt eine neue Studie, über die das "Wall Street Journal" berichtet.

Wissenschaftler untersuchten knapp 18.000 Meldungen der US-Börsenaufsicht SEC. Und siehe da: Einige bezahlende Abonnenten erhielten Informationen tatsächlich schneller als andere - und zwar bis zu zehn Sekunden früher. Ein kleiner Vorsprung, der an der Börse viel Geld wert ist.

"Unsere Ergebnisse haben eine Reihe von Implikationen", schreiben die Forscher Jonathan Rogers, Douglas Skinner und Sarah Zechman. "Vor allem zeigen sie, dass es bei der Informationsverteilung durch die SEC nicht gerecht zugeht."

Die SEC nimmt die Studie eigenen Angaben zufolge sehr ernst. Man wolle die Arbeitsprozesse nun nochmal genauer durchleuchten.

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