
Wenn die Serie hält, müsste Talanx am Freitag den Börsengang wieder absagen. Am 3. September hatte der Versicherer ihn angekündigt („nur eine Naturkatastrophe könnte uns stoppen“), ihn acht Tage später aber wieder abgeblasen. An der Börse wurde das als peinlicher Rückzieher gewertet. Jetzt kam die nächste Wende: Talanx-Chef Herbert Haas will nun doch an die Börse. Ist das jetzt noch peinlicher als peinlich?
Einerseits schon. Die Börse will eine klare Strategie und verlässliche Aussagen – Aktien sind so schon riskant genug. Andererseits nötigt einem diese zweite Kehrtwende schon wieder Respekt ab: Hier haben Leute einen Fehler gemacht, sie scheren sich aber nicht darum, wie blöd sie jetzt aussehen, sondern korrigieren ihn. An der Börse wimmelt es von Investoren, die Fehler nicht zugeben können und ihrer Eitelkeit wegen Geld verlieren. Haas hat gerade noch die Kurve gekriegt.
Die spannendere Frage ist, ob es sich für Privatanleger lohnt, bei diesem vermurksten Börsengang noch mitzumachen. Wenn es bei der Preisspanne von 17,30 bis 20,30 Euro bleibt (bei Talanx weiß man ja nie), wird der Konzern, inklusive Kapitalerhöhung, mit 4,4 bis 5,0 Milliarden Euro bewertet – weniger als die zuvor kolportierten rund sechs Milliarden. 2011 lag der Nettogewinn von Talanx bei 520 Millionen Euro, angesichts eines guten ersten Halbjahrs scheinen 600 Millionen Euro für 2012 nicht übertrieben. Bei 20 Euro je Aktie entspräche dies einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 8,3 – zu teuer, weil zum Beispiel leicht über dem der an der Börse etablierten und deshalb höher zu bewertenden Münchener Rück.





Tochter an der Börse
Drei Milliarden Euro zum Unternehmenswert von Talanx trägt deren 50-Prozent-Anteil am Rückversicherer Hannover Rück bei. Bei 500 Millionen Euro Einnahmen für Talanx aus dem Börsengang wären also schon mal 3,5 Milliarden Euro abgesichert. Allerdings wird die Luft für die Hannover Rück dünner. Seit Januar ist die Aktie um ein Drittel gestiegen.
Haas verweist darauf, dass Talanx kaum Kapitalmarktrisiken (niedrige Zinsen, Inflationsgefahr) ausgesetzt ist, die Allianz und Münchener Rück mit ihren Lebensversicherungstöchtern drücken. Talanx ist ein reinrassiges Sach-, Industrie- und Rückversicherungsinvestment. Dass dies ein Vorteil ist, war den Londoner und New Yorker Investoren aber wohl nicht beizubringen. Wohl auch deshalb hat Haas die US-Giganten Citigroup und JP Morgan im Bankenkonsortium degradiert, nach vorne gerückt ist die kleine Berenberg Bank.
Der unschlüssige Zickzackkurs vor dem Börsengang wird das Standing von Talanx bei den kapitalstarken Angelsachsen nicht verbessert haben. Fazit: Anleger, die nicht zeichnen, müssen nicht befürchten, dass ihnen die Kurse weglaufen, vor allem dann, wenn Talanx tatsächlich zu 20 Euro auf den Markt käme. Im vorbörslichen Handel war die Aktie zuletzt für um die 19,50 Euro zu haben – auch das deutet nicht auf überschäumende Nachfrage hin.