Techaktien Ewige Wachstumsgiganten oder riesige Tech-Blase?

Amazon (

Die Kurse von Facebook, Amazon, Apple, Netflix und Alphabet scheinen ewig zu steigen. Pumpt sich hier eine gewaltige Blase auf – oder bleiben die Treiber der Disruption erste Wahl? Die Aktien der Techgiganten im Check.

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Es ist eine Mischung aus Geschäftsphilosophie und Tradition, mit einer Prise Aberglauben. Der im November 2016 fertiggestellte, 37-stöckige Wolkenkratzer an der 7. Avenue im Norden von Seattles Innenstadt ist nicht das erste Hauptquartier von Amazon. Doch als dessen Gründer und Chef Jeff Bezos dort einzog, nahm er den Namen „Day One“ kurzerhand von seinem alten Quartier mit. Denn Bezos will, dass bei seinem Konzern immer „Tag eins“ herrscht. „Tag zwei ist Stillstand. Gefolgt von Irrelevanz. Dann quälender, schmerzhafter Niedergang. Gefolgt vom Tod“, sorgt sich Bezos, „das ist der Grund, warum es immer Tag eins sein muss.“

Stetiger Aufbruch, immerwährendes Wachstum, Experimentieren mit neuen Produkten und Expansion in neue Märkte – so hat der ehemalige Wall-Street-Finanzanalyst Bezos den derzeit einflussreichsten und umtriebigsten Internetkonzern der Welt geschaffen. Und sogar Microsoft-Gründer Bill Gates als reichsten Menschen des Planeten überholt. Aktionäre, die auf den asketischen Tycoon setzten, sind fantastisch gefahren. Im Herbst 2001 lästerte die halbe Wall Street über Bezos’ vermeintlich bald zusammenbrechendes „Kartenhaus“. Doch dessen Exkollegen irrten wie selten: Kostete ein Amazon-Papier damals 6 Dollar, sind es heute mehr als 1200. Anleger, die damals 5000 Dollar riskierten und durchhielten, sind heute Millionäre.

Bezos’ spezielle Philosophie

Mit gut 600 Milliarden Dollar Börsenwert ist Amazon eines der fünf Schwergewichte, die an Wall Street unter dem Akronym FAANG geführt werden: Facebook, Amazon, Apple, Netflix und Google, die inzwischen Alphabet heißt. Alle FAANG-Aktien sind im vergangenen Jahr noch mal stark gestiegen. Vor allem, weil sie Bezos’ Philosophie vom „Tag eins“ mit Wachstum unterfüttern.

Unternehmenskennzahlen FAANG (Facebook, Amazon, Apple, Netflix und Google)

Doch wie lange halten sie ihr Wachstumstempo noch durch? Sicher ist, dass zunehmender Protektionismus in den für die Expansion der FAANGs so wichtigen internationalen Märkten bremst: Die Abschottung des chinesischen Internetmarktes, ferner Wettbewerbsstrafen, Antimonopoluntersuchungen und verschärfte Datenschutzregelungen der Europäer. Droht also nach der mehrjährigen Rally bald ein jähes Ende, so wie es einst die Firmen der Dotcom-Ära ereilte, denen auch immerwährendes Wachstum prognostiziert worden war?

Kein Vergleich zur Dotcom-Ära

Nein, sagt Sebastian Thomas. Der Finanzexperte verwaltet für Allianz Global Investors (AGI) von San Francisco aus rund 250 Millionen Euro in seinem Global-Hi-Tech-Growth-Fonds. „Die Situation der Technologieaktien heute ist mit der um die Jahrtausendwende nicht vergleichbar“, sagt er. Thomas muss es wissen. Er erforschte für die US-Zentralbank Fed Finanzblasen und arbeitete seit dem Jahr 2000 als Aktienanalyst für Techwerte. Gleich im ersten Berufsjahr erlebte er den Dotcom-Boom und -Absturz mit. „Damals waren die Techunternehmen fast alle defizitär“, sagt Thomas. Viele machten den Kurs ihrer Aktie auch kaputt, weil sie allzu großzügig eigene Papiere an die Mitarbeiter verteilten. Die Unternehmen verbrannten Geld, abzulesen an negativen Mittelabflüssen, also negativen Cashflows. Das sei heute anders. „Wir sehen echte Gewinne und Cashflows, auch die Bewertung ist noch vernünftig.“

Apple überragt den Rest

Noch also ist die Abenddämmerung von Tag eins nicht angebrochen. Dank der Steuerreform von US-Präsident Donald Trump wird kein Absacker serviert, sondern eine neue Partyrunde geschmissen (siehe Interview mit Investor Frank Thelen). Die FAANG-Manager können nun ihr Auslandsvermögen zu günstigen Konditionen zurückholen: „Das Geld, das in die USA zurückgeführt wird, steht für Aktienrückkäufe, Dividendenerhöhungen, Investitionen und Übernahmen zur Verfügung – mit entsprechenden positiven Auswirkungen auf die Aktienkurse“, sagt Investor Paul Wick von Columbia Threadneedle.

Das und das anziehende Wirtschaftswachstum auf dem wichtigen europäischen Markt stützen die Kurse. Wer den Wall-Street-Analysten folgt, sieht Einigkeit: Fast alle glauben, dass die FAANGs trotz der hohen Kursgewinne von 2017 auch im neuen Jahr weiter anziehen werden (siehe Chartgalerie oben). „Sie treiben die Veränderung in der Wirtschaft durch die Digitalisierung voran und profitieren davon überdurchschnittlich“, sagt Anthony DiClemente, Internetspezialist bei Evercore ISI in New York.

Erfolg zieht Konkurrenz an

Ziemlich am Anfang steht da noch der kleinste Wert in der FAANG-Riege. Mit einer Marktkapitalisierung von rund 90 Milliarden Dollar wäre Netflix, der Bezahlfernsehkanal des Internetzeitalters, im Deutschen Aktienindex etwa schon unter den Top Acht. Geschickt hat Netflix-Mitgründer und -Chef Reed Hastings die Abonnentenzahl weltweit auf über 100 Millionen gesteigert.

Doch der Erfolg zieht Konkurrenten an. Nicht nur, dass die Werbeschwergewichte Google und Facebook ihre Videoangebote ausbauen und Apple mit Hollywood-Ausnahmeregisseur Steven Spielberg stärker in die Produktion von Serien und Spielfilmen einsteigen wird. Auch Amazon ist mit seinem Prime-Video-Service zu einem ernsthaften Wettbewerber aufgestiegen. Nun greift auch noch Disney mit der Übernahme der Fox-Filmsparte und dem Ausbau des Streamingdienstes Hulu an. Für Hastings heißt das, dass er in diesem Jahr weit mehr als die geplanten sieben Milliarden Dollar in die Produktion eigener Angebote stecken muss. Die Logik hinter den Investitionen: Je mehr eigene, attraktive Inhalte das Filmportal hat, umso schwerer ist es für die Konkurrenz, Kunden von Netflix wegzulocken.

Allerdings machen sich die Eigenproduktionen im Zahlenwerk negativ bemerkbar. Zwar schreibt Netflix nach wie vor Gewinne. Aber die Produktion eigener Inhalte erhöht die Investitionen so sehr, dass Netflix sie längst nicht mehr aus dem laufenden Geschäft bezahlen kann. Das Unternehmen weist deswegen einen negativen freien Kapitalfluss aus und muss zur Finanzierung Kredite aufnehmen.

Das ist teuer, zuletzt musste Netflix Anleihegläubigern knapp fünf Prozent Rendite bieten. AGI-Manager Thomas hat Netflix deswegen aus dem Fonds geworfen. „Netflix ist eine der am meisten überbewerteten Aktien der Techindustrie“, sagt Investor Wick. Gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis, ist sie, hinter Amazon, die zweitteuerste FAANG-Aktie. Das Kurspotenzial ist begrenzt.

Facebook: Lange unterschätzt, heute Substanztitel

Mehr bietet Facebook, Dessen Gründer und Chef Mark Zuckerberg teilt etliche Gemeinsamkeiten mit Amazon-Lenker Bezos. Beide wurden lange unterschätzt, zählen nun aber zu den vermögendsten Menschen der Welt und sind beharrlich bemüht, in ihren alternden Konzernen das Start-up-Flair zu erhalten. Das soziale Netzwerk wird im Februar 14 Jahre alt, soll jedoch in diesem Jahr beim Umsatz immer noch rasante 33 Prozent auf dann 54 Milliarden Dollar zulegen. Die Basis dafür sind seine zwei Milliarden Nutzer.

Mit diesen 10 Tech-Aktien machten Anleger 2017 Kasse

Zuckerberg hat es geschafft, dass das Gros von ihnen jetzt statt über PC via Smartphone auf das soziale Netzwerk zugreift – und deren durchschnittliche Verweildauer bei 20 Minuten pro Besuch stabilisiert. So bleibt Facebook für Werbekunden unverzichtbar. Diese Marktmacht beschert dem blauen Giganten traumhafte Renditen: Ein Nettogewinn von geschätzt 17 Milliarden Dollar im vergangenen Jahr bedeutet eine Nettomarge von 43 Prozent.

Ende des Wachstums nicht in Sicht

Dass das soziale Netzwerk selbst mit zunehmendem Alter seinen Reiz verliert, glich Zuckerberg bisher durch geschickte Zukäufe wie das Chatprogramm WhatsApp oder das Fotoportal Instagram aus. Inzwischen wird die Übernahme von Wettbewerbern wegen der Marktmacht von Facebook aber limitiert. Doch das muss kein Hindernis sein. So bremste Zuckerberg etwa das aufstrebende Portal Snapchat aus, indem Facebooks Entwickler dessen Funktionen erfolgreich kopierten.

An der Börse bekommen Anleger Facebook aktuell für rund 28 Jahresgewinne. Das ist günstig, gemessen an den Bewertungen in früheren Jahren. Facebook wandelt sich von einem hoch bewerteten Wachstums- zu einem Substanztitel, der den Umsatz nicht mehr ganz so dynamisch steigert. Wachstumsmöglichkeiten gibt es natürlich noch immer, etwa über Instagram oder die ausgefeilte Anwendung künstlicher Intelligenz, um Werbung noch präziser zu machen.

Propagandavorwurf macht zu schaffen

Das sind gute Aussichten für Aktionäre, die aber zwei Gefahren beachten sollten. Zum einen die Vorwürfe, dass sich das soziale Netzwerk für Propaganda missbrauchen lässt. Dass Facebook nun nicht mehr so viel automatisieren kann und für das Prüfen von Werbung sowie von Inhalten zusätzliche Mitarbeiter einstellen musste, schmälert zwar den Profit, ist aber dank der satten Gewinnmarge zu verkraften. Schwerer wiegt, dass der Ruf von Facebook als Gerüchteschleuder sowie Hort von Aktivisten eine Betriebsgenehmigung durch die chinesische Regierung noch unwahrscheinlicher macht. Die Expansion in den größten asiatischen Markt bleibt deshalb weiterhin ein Traum von Zuckerberg, trotz seiner respektablen chinesischen Sprachkünste und regelmäßiger Besuche in China. Auch aus Europa droht Ungemach. Frankreich will, ebenso wie die deutschen Kartellwächter, die Fähigkeit von Facebook einschränken, seine Nutzer immer stärker zu durchleuchten. Doch weil das auch für Zuckerbergs Wettbewerber gelten würde, wäre geteiltes Leid dann nur halbes Leid.

Auch Apple hat Ärger mit der Europäischen Kommission. 15 Milliarden Dollar an Steuerschulden, die Irland zu wenig kassiert hat und deshalb einfordern soll, sind bei im Ausland gebunkerten Barreserven von 252 Milliarden Dollar leicht zu schultern. Entscheidender als die europäische Frage ist die asiatische: Wie viel Freiraum will China dem US-Konzern gewähren? Der Großteil der Nachfrage nach dem neuen iPhone X kommt aus China, wo ein Apple-Smartphone als Statussymbol gilt. Das missfällt der chinesischen Staatsführung, die amerikanische Handys als Spionagewerkzeug beargwöhnt und lieber einheimische Wettbewerber wie Huawei, Xiaomi oder ZTE fördert.

Mit der Entscheidung, in China Datenzentren zu errichten, die unter der Kontrolle des chinesischen Staates stehen, und die iPhone-Daten chinesischer Kunden zu speichern, hat Apple eine Regierungsintervention vorerst abgewendet. Doch das Entgegenkommen zeigt, in welchem Dilemma die Kalifornier stecken. Apple muss unbequeme Konzessionen machen, weil das iPhone weiter mit einem Umsatzanteil von 55 Prozent das wichtigste Produkt des Konzerns ist. Ein vergleichbares Nachfolgeprodukt ist nicht in Sicht.

Das sind die wertvollsten Marken der Welt
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Für Superinvestor Warren Buffett ist das kein Nachteil, solange iPhone-Nutzer regelmäßig nachkaufen, sei es aus Loyalität oder Bequemlichkeit. Doch da der Apple-Umsatz bereits auf schwindelerregende 229 Milliarden Dollar geklettert ist, tut sich Apple-Chef Tim Cook schwer, alte Wachstumsraten zu erreichen. Angeblich soll in diesem Jahr eine Lösung für erweiterte Realität in Form einer Datenbrille vorgestellt werden. Doch der Markt dürfte für nennenswertes Wachstum noch zu klein sein.

Trotzdem ist Apple im Fonds von AGI-Manager Thomas die größte Position. „Die Aktie ist günstiger bewertet als der Durchschnitt des US-Index S&P 500“, sagt er. Gerade mal 14 Jahresgewinne kostet Apple aktuell. Zieht man die 153 Milliarden Dollar Nettoliquidität vom Börsenwert ab, schrumpft das Kurs-Gewinn-Verhältnis sogar auf knapp 13. Für konservative Anleger hat die Aktie mit der US-Steuerreform noch mal an Attraktivität gewonnen. Apple dürfte das zu günstigen Steuertarifen heimgeholte Auslandsvermögen größtenteils an Anleger ausschütten.

Auch Ruth Porat, Finanzchefin von Alphabet, muss zurückfließende Milliarden managen. Die Google-Mutter hat 56 Milliarden Dollar Cash im Ausland gebunkert.

Was Anlegern 2018 die Partylaune verderben könnte
Aggressive Zinserhöhungen der US-NotenbankenWegen des kräftigen US-Wachstums könnte die US-Notenbank die Zinsen schneller anheben als gedacht. Analysten rechnen bislang meist damit, dass die Fed den Schlüsselsatz 2018 wie von ihr signalisiert drei Mal anhebt. Eine aggressivere Straffung der Geldpolitik würde die Renditen der Staatsanleihen nach oben treiben, sagt Portfolio-Manager Paul Nolte vom Vermögensverwalter Kingsview. Dadurch würden Bonds zu einer ernstzunehmenden Anlage-Alternative zu Aktien. Quelle: REUTERS
Anstieg der InflationAls möglichen Auslöser für eine raschere Straffung der Geldpolitik sehen Experten einen kräftigen Anstieg der Inflation. "Dies könnte für die Aktien- und Anleihemärkte zu einem Wendepunkt werden", betonen die Analysten der Bank of America Merrill Lynch. In Europa könnte die anziehende Teuerung die Diskussion um einen raschen Ausstieg der Europäischen Zentralbank (EZB) aus ihrem Anleihe-Ankaufprogramm befeuern. Quelle: dapd
WahlenDie für März erwartete Parlamentswahl in Italien ist für Raphael Chemla, Leiter Finanz- und Hochzinsanleihen beim Vermögensverwalter Edmond de Rothschild, das größte politische Risiko in Europa. Ein Sieg der europakritischen Fünf-Sterne-Bewegung würde Anleger nervös machen. In den USA werden im Herbst Teile des Kongresses neu gewählt. "Sollten die Republikaner die Mehrheit im Repräsentantenhaus, im Senat oder in beiden Kammern verlieren, wäre das ein großer Belastungsfaktor für die Märkte", warnt John Praveen, Chef-Anleger des Vermögensberaters Prudential. Denn damit werde es für US-Präsident Donald Trump schwerer, seine Wahlversprechen umzusetzen. Quelle: dpa
Politische SpannungenWiederaufflammende Spannungen zwischen den USA und Nordkorea sowie im Nahen Osten sind nach Ansicht von Keith Leiner, Chef-Analyst des Vermögensverwalters SunTrust, ebenfalls große politische Risikofaktoren für die Aktienmärkte. "Außerdem schwingt das Pendel weltweit in Richtung Populismus und Nationalismus." Quelle: dpa
Überzogene BewertungenViele Firmen erhoffen sich zwar durch die jüngst beschlossenen US-Steuersenkungen zusätzliche Gewinne im kommenden Jahr. Einige Experten bezweifeln jedoch, dass der Anstieg ausreicht, um die bereits hohen Aktienbewertungen zu rechtfertigen. Im US-Index S&P 500 liegt das durchschnittliche Kurs/Gewinn-Verhältnis (KGV) bei 18,5. Das bedeutet, dass der Aktienkurs den Gewinn je Aktie um das 18,5-fache übertrifft. Das ist der höchste Wert seit 2002. Im Dax liegt das KGV mit 16,2 ebenfalls über dem langjährigen Mittel von rund 15. Das Risikobarometer der Citigroup signalisiere eine 60-prozentige Wahrscheinlichkeit eines Rückgangs der Aktienkurse 2018, sagt Tobias Levkovich, Chef-Anlagestratege für die USA bei der Großbank. Quelle: AP
Turbulenzen bei Bitcoin & Co.Die große Unbekannte für die Aktienmärkte ist die Entwicklung des Bitcoin. Der Kurs der Cyber-Devise stieg bis Mitte Dezember 2017 auf fast 20.000 Dollar. Diese Aufwärtsdynamik verpuffte jedoch im neuen Jahr, der Bitcoin fiel wieder auf rund 7000 Dollar. Mitte Februar notierte die Kryptowährung wieder um die 10.000 Dollar. Die Schwankungen spiegeln wider, dass große Unsicherheit unter den Anlegern herrscht und immer mehr professionelle Anleger auf dem engen Markt mitmischen, die ihr Portfolio jenseits des Aktienmarktes breiter aufstellen wollen. Quelle: REUTERS

Alphabet im Visier der Wettbewerbshüter

Alphabet plagt zudem ein ähnliches Problem wie Apple – die allzu starke Abhängigkeit von einem Kernprodukt. Weder Investitionen in virtuelle Realität noch in Smartphones oder selbstfahrende Autos haben ein auch nur annähernd mit Googles Suchmaschine vergleichbares Produkt geschaffen. Auch weil Porat eher konservativ investiert und Alphabet-Chef Larry Page vorsichtiger bei Zukäufen geworden ist. Den Umsatz konnte Alphabet im vergangenen Jahr dennoch auf schätzungsweise 110 Milliarden Dollar steigern. „Facebook und Google teilen den Werbemarkt unter sich auf“, sagt Ken Doctor, altgedienter US-Medienanalyst. Und da der Markt immer stärker digitalisiert wird – derzeit sind erst rund 38 Prozent der weltweiten Werbeausgaben digital –, ist noch genügend Raum für Wachstum. Das Beratungsunternehmen emarketer geht bis mindestens 2020 von zweistelligen Zuwachsraten im Digitalwerbemarkt aus.

Die lieferte Alphabet bisher auch Anlegern. Seit das Unternehmen 2004 an die Börse ging, stieg der Aktienkurs um durchschnittlich 27 Prozent pro Jahr. Die Bewertung blieb dabei zuletzt relativ konstant; der Gewinn je Aktie wuchs also etwa genauso schnell wie der Kurs. Das spricht dafür, dass die Rally nicht überzogen ist.

Im operativen Geschäft könnten allerdings die europäischen Wettbewerbshüter auch Alphabet bremsen. Nicht so sehr mit der im vergangenen Sommer verhängten 2,7-Milliarden-Dollar-Wettbewerbsstrafe, sondern mit einer Untersuchung, ob der Konzern die Marktmacht seines Betriebssystems Android missbraucht. Google soll, so der Vorwurf, Smartphone-Produzenten seine Dienste wie Suchmaschine und E-Mail aufzwingen. Eine Entscheidung dazu steht noch nicht an.

Punkten könnte Google dagegen mit Diane Greene. Die Maschinenbauerin gründete den Virtualisierungsspezialisten VM-Ware, heute unternimmt sie für Alphabet einen neuen Anlauf im Wachstumsgeschäft Cloud Computing, der Vermietung von Rechner- und Softwarekapazitäten im Internet. Alphabets Offensive richtet sich gegen den Cloud-Marktführer Amazon, denn dass der Wert der Amazon-Aktie sich in den vergangenen fünf Jahren verfünffacht hat, liegt vor allem an seiner Cloud-Sparte Amazon Web Services (AWS). Cloud Computing macht zwar nur zehn Prozent des Umsatzes aus, sorgte aber wesentlich dafür, dass die Rohmarge im Konzern in dieser Zeit von 25 auf 37 Prozent stieg. AWS-Chef Andy Jassy ist sicher, „dass es das größte Geschäft innerhalb von Amazon wird“. Aktionäre bekommen so zwei Megaunternehmen mit immensem Wachstumspotenzial unter einem Dach.

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Das bezahlen sie mit 153 Jahresgewinnen zwar sehr üppig. AGI-Manager Thomas hält Amazon-Aktien dennoch für „moderat bewertet“. Denn er schaut nicht auf den Gewinn je Aktie, sondern auf den freien Kapitalfluss. Die Kennzahl misst, wie viel Geld aus dem operativen Geschäft nach Abzug aller Investitionen bleibt. Der freie Cashflow lag 2016 bei gut 20 Dollar je Aktie und sollte weiter steigen. Gemessen daran ist die Aktie im Vergleich zu den anderen FAANG-Werten nicht zu teuer.

Die größte Gefahr für Amazon bleibt, dass sich der Konzern mit seinen Initiativen verzettelt. Fans der Gourmet-Supermarktkette Whole Foods etwa, die Amazon im Sommer 2017 übernahm, hatten auf mehr Engagement des Internethändlers und niedrige Preise gehofft. Bisher passiert nichts. Der Stillstand dürfte aber nicht lange dauern. Darauf achtet jemand ganz oben – Bezos persönlich. Für ihn ist schließlich immer Tag eins.

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