
Workday, ein sieben Jahre altes High-Tech-Unternehmen mit Sitz in Pleasanton, Kalifornien, hat gerade bei der US-Börsenaufsicht die Unterlagen für seinen Börsengang eingereicht. Dieser jüngste Neuankömmling in der wachsenden Schar börsennotierter Cloud-Anbieter dürfte Oracle-Gründer und -Chef Larry Ellison schlaflose Nächte bereiten. Gegründet wurde der junge Softwarehersteller von Ellisons ehemaligem Erzrivalen, dem 71-jährigen David Duffield. Der Gründer und Ex-Chef des Unternehmenssoftwareanbieters Peoplesoft musste sich vor sieben Jahren Ellison geschlagen geben, als sich Oracle sein Unternehmen feindlich einverleibte.
Nun holt Duffield möglicherweise zum Gegenschlag aus. Angeblich arbeitet er am Aufbau eines Geschäftsmodells, das dem von Peoplesoft ähnlich sein soll. Workday bietet unter anderem Software für die Personalverwaltung und Buchhaltung an und macht damit Oracle und dem deutschen Software-Goliath SAP Konkurrenz. Laut Börsenprospekt konnte Workday den Umsatz im ersten Halbjahr 2012 auf 119,5 Millionen Dollar mehr als verdoppeln. „Das ist ein beeindruckendes Wachstum“, sagt Analyst Kirk Materne von Evercore Partners, der auch Oracle und SAP beobachtet. „Dieses Wachstum ist höher als vielfach erwartet, obwohl man an der Wall Street schon seit geraumer Zeit mit ziemlich guten Zahlen gerechnet hatte“, meint Karl Keirstead von BMO Capital Markets, der Oracle ebenfalls in seinem Analyseuniversum hat.
Ernsthafte Konkurrenz
Ellison nimmt den neuen Konkurrenten offensichtlich ernst. Bei den letzten beiden Telefonkonferenzen zu den Finanzergebnissen von Oracle hat er Workday sechs Mal erwähnt. Einerseits prahlte er, wie er sich im Wettbewerb gegen den relativ kleinen Konkurrenten Aufträge gesichert habe, andererseits versuchte er die Produkte von Workday aus technologischer Sicht schlechtzureden. „Ellison spricht über den kleinen Rivalen, als handele es sich um ein zehn Milliarden schweres Unternehmen“, wundert sich Materne. Dabei mache Workday in diesem Jahr vielleicht 338 Millionen Dollar Umsatz, also einen Bruchteil der bei Oracle erwarteten 39 Milliarden Dollar. Die Frage ist also: Was beunruhigt Oracle?
Nun: Oracle, SAP und andere verkaufen Programme, die auf den Computern der Kunden installiert werden. Workday und andere Anbieter von Cloud Computing Services wie Salesforce.com installieren ihre Programme nicht mehr direkt beim Kunden, sondern weit entfernt in ihren eigenen riesigen Rechenzentren. Die Software kann dann von den Kunden gegen Gebühr über das Internet genutzt werden.
Die Gefahr für Anbieter wie Oracle und SAP ist, dass die Kunden den neuen Web-basierten Applikationen den Vorzug geben und die alten Programme wegwerfen. Bisher ist jedoch noch unklar, wie groß diese Gefahr tatsächlich ist.
Salesforce beispielsweise hat mit Sales Cloud eine Vertriebsanwendung entwickelt, mit der Vertriebsmitarbeiter ihre Kundenkontakte effizient per Web-Browser verwalten können. Eine fraglos wichtige Sache, aber nach Ansicht von Analysten nicht die Art von Technologie, die über Gedeih und Verderb entscheidet – ganz im Gegensatz zu den sogenannten Backoffice-Programmen, die das operative Herzstück eines jeden Unternehmens bilden. Wenn da etwas schiefläuft, hat das gravierendere Konsequenzen.