Keine Frage, Krypto-Anleger brauchen aktuell beim Blick auf die Kurscharts starke Nerven. Allein der Kurs des Bitcoin, der größten Kryptowährung, ist zwischenzeitig sogar unter die Grenze von 30.000 Dollar abgesackt. So günstig war das Digitalgeld zuletzt im Juli vergangenen Jahres.
Noch viel schlimmer allerdings erwischt es einen anderen Coin: die Kryptowährung TerraUSD (UST), einen sogenannten Stablecoin. Der Kurs der Kryptowährung, die eigentlich nicht schwanken soll, bricht innerhalb von nur einer Woche um mehr als 90 Prozent ein. Der UST-Kurs liegt aktuell nicht mehr bei einem Dollar, wie eigentlich erforderlich, sondern nur noch bei 0,16 Cent. Die Hoffnungen einiger Anhänger, UST könnte sich wieder erholen und im Wert steigen, haben sich bisher nicht erfüllt. Die meisten haben den Coin für tot erklärt: Er gilt zu recht als einer der Gründe für den großen Crash am Kryptomarkt.
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Dass USDT seine Bindung an den Dollar verloren habe, sei mit Sicherheit einer der entscheidenden Gründe für den aktuellen Kurseinbruch, sagt Anto Paroian vom auf digitale Assets spezialisierten Hedgefonds ARK36.
Was steckt hinter dem Stablecoin und wie konnte er den Markt derart durcheinanderbringen? Eine Spurensuche.
Instabile Stablecoins
In den vergangenen Tagen ist passiert, was eigentlich nicht passieren darf: der Stablecoin UST hat sich vom Dollar entkoppelt. Eigentlich heißen Stablecoins eben genau so, weil sie im Gegensatz zu anderen Kryptowährungen nicht schwanken, sondern ihr Wert stabil an eine gängige Leitwährung, meist den Dollar, gekoppelt ist. Sprich: Normalerweise liegt ihr Preis bei exakt einem Dollar. Damit das funktioniert, müssen die Verantwortlichen hinter den jeweiligen Stablecoins die Käufe der Anleger ausgleichen, in dem sie in gleichem Maß in Dollar(-Assets) investieren.
TerraUSD gehört neben Tether und dem USD Coin zu den größten Stablecoins. Allerdings zählt die Kryptowährung zu den sogenannten algorithmischen Stablecoins. Hinter dieser Art von Stablecoins stehen keine echten Dollar oder Dollar-Assets. Stattdessen nutzt UST Luna, die Kryptowährung des Terra-Netzwerkes, um den Stablecoin stabil zu halten.
Das funktioniert eigentlich so: Hinter UST und Luna steckt die Luna Foundation. Der Luna Token basiert auf der Terra-Blockchain. Die Bindung an den Dollar funktionierte, weil jederzeit UST und Luna gegen einen fixen Wechselkurs getauscht werden konnten. Wer einen UST im Wert von einem Dollar zerstörte („burnen“), konnte gleichzeitig Luna im gleichen Wert erschaffen („minten“). Klingt kompliziert, praktisch war es so aber möglich, den Preis von UST über Wechselkursgeschäfte (Arbitrage) stabil zu halten.
Interessant wurde es also vor allem, wenn der UST-Kurs von seinem Zielwert abwich. Lag er über dem angepeilten Niveau von einem Dollar, konnten Anleger Luna in UST tauschen, und diese dann zu einem Preis über einem Dollar an der jeweiligen Börse verkaufen. Die Differenz zu einem Dollar war der Gewinn des Arbitrage-Geschäfts.
Doch zuletzt funktionierte das nicht mehr. Der Chartverlauf zeigt das gut: Eigentlich pendelt der Kurs für Terra immer stabil um einen Dollar. Am Montag aber bricht er ein und sinkt am Dienstag auf unter 70 Cent. Zwischenzeitlich erholte sich der Kurs etwas, doch mittlerweile wird offenbar gar nicht mehr versucht, den Coin stabil zu halten. Der Kurs lag am Mittwoch bei 36 Cent, mittlerweile sind es noch mal 20 Cent weniger.
Die Stiftung hinter Terra kolportierte zunächst, es handele sich um einen Angriff auf das Projekt. Andere befürchten jedoch schlicht ein Schneeballsystem hinter Terra.
Um die Deckung von UST zu erhalten, hat die Stiftung zwischenzeitlich große Mengen Bitcoin verkauft. Deshalb wird auch der große Kurseinbruch am Kryptomarkt mit dem Zusammenfall des Stablecoins in Verbindung gebracht.
Krypto-ABC: Die wichtigsten Begriffe verständlich erklärt
Der Fokus am Kryptomarkt liegt klar auf dem Bitcoin. Unter Altcoins versteht man Kryptowährungen, die nach der ältesten Digitalwährung erfunden wurden und eine Alternative zum Bitcoin darstellen. Beispiele dafür sind Ethereum, Cardano oder Solana.
Der Bitcoin ist nicht nur die dem Volumen nach größte, sondern auch die älteste Kryptowährung der Welt. Schon im Oktober 2008 skizzierte Satoshi Nakamoto, das Pseudonym des Bitcoin-Erfinders, in einem Whitepaper mit dem Titel „A Peer-to-Peer Electronic Cash System“, wie so eine virtuelle Währung aussehen könnte. Kurz darauf, im Januar 2009, wurden die ersten Bitcoin geschürft. Weil Nakamoto unter einem Pseudonym agierte, ist bis heute unklar, wer genau den Bitcoin ins Leben gerufen hat.
Transaktionen von Kryptowährungen werden auf der Blockchain dokumentiert. Die Blockchain ist eine öffentliche, dezentrale Datenbank. Die Informationen werden nicht auf einem einzelnen Server, sondern auf vielen tausenden Rechnern gespeichert. „Chain“ kommt aus dem Englischen und bedeutet „Kette“.
Jede Transaktion wird in einem Block gespeichert und an eine Kette der bereits vorhandenen Datensätze angehängt. Deshalb wird die Blockchain auch digitales Kassenbuch genannt. Die gespeicherten Daten können im Nachgang nicht mehr oder nur mit Zustimmung des Netzwerkes geändert werden. So soll ein fälschungssicheres Protokoll entstehen.
Ether ist hinter dem Bitcoin die zweitgrößte Kryptowährung und basiert auf der Ethereum-Blockchain. Im Vergleich zur Bitcoin-Blockchain gilt diese als moderner und leistungsfähiger und soll in Kürze auf das energiesparendere Proof-of-Stake-Verfahren umgestellt werden. Auch Smart Contracts können über Ethereum gehandelt werden. Beliebt ist die Kryptowährung auch, weil NFTs (non fungible Token) oft auf Ethereum basieren und deshalb mit Ether bezahlt werden.
Mining ist das Erzeugen (Schürfen) neuer Coins. Bei diesem Prozess stellen Miner im Fall des Bitcoin die Rechenleistung ihrer Computer zur Verfügung, um komplexe mathematische Aufgaben zu lösen. So werden Transaktionen verifiziert und auf der Blockchain gespeichert. Die Miner werden fürs Bereitstellen der Rechenleistung mit neu generierten Bitcoin belohnt.
Bei einigen anderen Kryptowährungen basiert das Mining dagegen nicht auf Rechenleistung, sondern auf den Anteilen der Netzwerk-Teilnehmer an der jeweiligen Kryptowährung (siehe Proof of Stake). In diesem Fall wird das Mining deshalb auch oft als Staking bezeichnet. Auch dafür bekommen Teilnehmer eine Prämie, also quasi eine Art Verzinsung für ihren Anteil.
Minten bezeichnet das Erstellen eines NFTs (non fungible Token). Mit dem „Prägen“ des Bildes ist in diesem Fall das Hochladen in die Blockchain gemeint.
Die Abkürzung NFT steht für non-fungible Token, also nicht austauschbare Wertmarken. NFTs sind virtuelle Güter, die über die Blockchain gehandelt werden. Oft sind es etwa digitale Bilder oder Sammelkarten. Jeder NFT ist einzigartig. Wer einen kauft, wird in der Blockchain als Eigentümer registriert und kann so beispielsweise ein Echtheitszertifikat für ein virtuelles Bild oder ein digitales Kunstwerk vorweisen.
Mit dem Proof-of-Work-Verfahren werden neue Münzen einiger Kryptowährungen wie dem Bitcoin geschaffen. Dafür stellen die Miner die Rechenleistung des Systems zur Verfügung, um komplexe Aufgaben zu lösen. Wer es zuerst schafft, die Aufgabe zu lösen, darf den Block an die Blockchain anhängen und erhält eine Belohnung in Form digitaler Münzen. Der Proof-of-Work-Ansatz gilt als besonders energieintensiv.
Einige Blockchains basieren auf dem Proof of Stake-Verfahren. Anders als bei Proof of Work werden dabei fürs Mining keine umfangreiche Hardware und große Mengen an Rechenleistung benötigt. Proof of Stake gilt daher als wesentlich energieschonender.
Statt dessen dürfen diejenigen Transaktionen und neue Coins freigeben, die einen besonders hohen Anteil an einer Kryptowährung halten. Sie werden dann Validatoren genannt. Der Prozess beruht auf einem Konsensmechanismus. Je höher der Preis, desto höher die Anzahl der Coins, um am Prozess teilzunehmen.
Smart Contracts sind virtuelle Verträge, die über die Blockchain getauscht werden. Diese treten unter bestimmten zuvor festgelegten Bedingungen selbstständig in Kraft. Insbesondere Banken und andere Finanzinstitute sehen in Smart Contracts einen großen Nutzen. Sie könnten zum Beispiel beim Börsenhandel Intermediäre – also zwischengeschaltete Stellen wie Wertpapierbroker– überflüssig machen.
Die Wallet ist eine Art digitale Geldbörse für Kryptowährungen. Sie ermöglicht es Nutzern, Kryptoguthaben zu kaufen und zu verschicken. Es gibt mehrere Arten von Wallets. Die Hardware-Wallet ist quasi ein USB-Stick, auf dem das Kryptovermögen und die Zugänge eines Nutzers gespeichert sind. Eine Paper-Wallet wird auf Papier ausgedruckt.
Dafür wird ein QR-Code generiert, den man einscannen muss, um Transaktionen zu tätigen. Eine Software-Wallet kommt ohne externe Geräte oder Papierausdrucke aus. Hier werden die Daten in einem Computerprogramm gespeichert. Nutzer dürfen ihre Zugangsdaten nicht vergessen: Sonst bliebe ihnen der Zugriff auf ihr Kryptovermögen verwehrt.
Dieses Krypto-ABC entstammt dem großen Krypto-1x1 der WirtschaftsWoche: Das vollständige Dossier finden Sie hier zum Download
Dabei hatte das Netzwerk zuletzt eine ganz andere Richtung eingeschlagen und war immer stärker zum Bitcoin-Großinvestor geworden. Gründer Do Kwon hatte gar verkündet, insgesamt Bitcoin im Wert von 10 Milliarden Dollar kaufen zu wollen. Stetig kaufte die Stiftung, die den Terra-Stablecoin verwaltet, Bitcoin in Millionenhöhe und stützte damit den Preis der größten Kryptowährung.
Marktbeobachter fürchten nun regulatorische Konsequenzen für Stablecoins – insbesondere für solche, die wie UST zu den algorithmischen Coins zählen und nicht durch echte Assets gedeckt sind.
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Hinweis: Dieser Beitrag erschien zuerst am 11. Mai 2022. Wir haben ihn aktualisiert und neu publiziert.