Thomas Middelhoff Miles & More

Die Zahl der Prozesse und Verfahren, in die der frühere Arcandor-Chef verwickelt ist, ist kaum noch überschaubar.

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Vielflieger und -prozessierer: Middelhoff im Landgericht Essen. Quelle: REUTERS

Ein Hauch südfranzösische Sonnenbräune ziert seinen Teint, ein siegesgewisses Lächeln umspielt die Lippen – Thomas Middelhoff versteht es noch immer, die Rolle des erfolgreichen Managers zu spielen. Allein, Middelhoff muss derzeit vor Strafkammern und Richtern performen statt vor Aktionären oder Mitarbeitern. Der frühere Chef des 2009 untergegangenen Handelskonzerns Arcandor (KarstadtQuelle) ist in eine Vielzahl von Gerichtsprozessen und Verfahren involviert.

In Essen steht Middelhoff vor Gericht, weil ihm die Staatsanwaltschaft vorwirft, Arcandor mit Privatflügen auf Konzernkosten einen Schaden von rund einer Million Euro zugefügt zu haben. So soll er unter anderem von seinem Bielefelder Privathaus per Hubschrauber zur Essener Zentrale geflogen sein. Die Staatsanwaltschaft sieht darin Untreue. Middelhoffs Anwalt sprach vor Gericht von „vernünftigem Zeitmanagement“ im Interesse des Unternehmens.

Parallel laufen weitere Ermittlungen rund um den Zusammenbruch des Handelskonzerns. So geht die Staatsanwaltschaft Bochum dem Verdacht der Insolvenzverschleppung durch Middelhoff nach. Deren Kölner Kollegen prüfen den Vorwurf der Beihilfe zur Untreue. Dabei hat ein Beratervertrag zwischen der Privatbank Sal. Oppenheim und Middelhoff das Interesse der Ermittler geweckt.

Zudem hat auch die Staatsanwaltschaft München Middelhoff im Visier. Er soll im Milliardenprozess der Erben des Medienmoguls Leo Kirch falsch ausgesagt haben. Der frühere Top-Manager wies bislang alle Vorwürfe von sich.

Die Prozesse rund um Thomas Middelhoff

Inkasso bei Big T.

Fast noch aufreibender dürften die zivilrechtlich ausgetragenen Fehden sein. So musste „Big T.“ während einer Verhandlungspause in Essen jüngst eine sogenannte Taschenpfändung über sich ergehen lassen. Beraterlegende Roland Berger hatte ihm den Gerichtsvollzieher geschickt. Middelhoff musste in einem Nebenraum seine Taschen öffnen. Da er jedoch nur 72,30 Euro dabeihatte und damit unter der Pfändungsgrenze blieb, zog der Gerichtsvollzieher unverrichteter Dinge davon. „Das ist die moderne Form des Prangers“, beschwerte sich Middelhoff.

Berger fordert von ihm mehr als sechs Millionen Euro. Hintergrund ist eine gemeinsame Beteiligung von Berger und Middelhoff an dem Finanzinvestor BLM in London. Nachdem der BLM-Aktienkurs einbrach, musste Berger bei einer beteiligten Bank weitere Sicherheiten für die Finanzierung stellen und reichte die Forderung anteilig an seinen Kompagnon Middelhoff weiter. Der soll Berger zwar Sachwerte angeboten haben, konnte aber keine ausreichenden Barmittel auftreiben.

Ist Middelhoff pleite?

Am Inkasso bei Middelhoff, der inzwischen in Saint-Tropez wohnt, hatte sich schon Arcandor-Insolvenzverwalter Hans-Gerd Jauch versucht. Im September 2013 hatte das Essener Landgericht Middelhoff in einem Zivilprozess dazu verurteilt, rund 3,4 Millionen Euro an den Verwalter zu zahlen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Trotzdem will Jauch die Summe eintreiben. Kurzzeitig stand sogar ein Haftbefehl zur Abgabe einer Vermögensauskunft im Raum, um die Zahlungsbereitschaft zu erhöhen. Nachdem Middelhoffs Management-Versicherung eine Haftungsgarantie übernommen hatte, blies Jauch die Zwangsmaßnahme wieder ab.

Diese Manager kämpfen mit Regressforderungen
Der Fall: IVGVon Ex-Vorstandschef Wolfhard Leichnitz und drei weiteren Vorständen aus dessen Ära fordert der insolvente Bonner Immobilienriese jetzt je 8,5 Millionen Euro plus Zinsen zurück. Die Manager sollen ohne ausreichende Rückendeckung des Aufsichtsrats beim Kauf des Londoner Büroturms Gherkin 2007 ein Darlehen in Höhe von 52 Millionen britische Pfund vergeben haben. Eine Sonderprüfung aller Geschäfte der Jahre 2006 bis 2008 unter Leichnitz wird erwogen. Die Manager haben dazu gegenüber der WirtschaftsWoche nicht Stellung genommen. Quelle: dpa/dpaweb
Der Fall: ArcandorDer Insolvenzverwalter der früheren Karstadt-Mutter Arcandor fordert von Ex-Chef Thomas Middelhoff 175 Millionen Euro, weil er mögliche Schäden aus Immobiliengeschäften nicht verhindert habe. Middelhoff wehrt sich und klagt gegen den Verwalter. Quelle: AP
Der Fall: SiemensDer ehemalige Finanz-Chef Heinz-Joachim Neubürger verantwortete alle strategischen Verkäufe von Unternehmensteilen und den Börsengang von Siemens in New York. Deswegen unterliegt Siemens auch der Aufsicht der strengen US-Börsenaufsicht SEC. Ein Finanzvorstand, dem 1,3 Milliarden Euro in schwarzen Kassen entgehen? Das Landgericht München hat Neubürger im Zuge des Schmiergeldskandals zu 15 Millionen Euro Schadenersatz an seinen früheren Arbeitgeber verurteilt. Quelle: dpa
Der Fall: Hypo Real EstateDer mit Steuergeldern gerettete Immobilienfinanzierer HRE hat Ex-Chef Georg Funke und zwei weitere frühere Vorstände auf 220 Millionen Euro Schadensersatz wegen umstrittener Kreditvergaben verklagt. Die Manager bestreiten die Vorwürfe. Quelle: AP
Der Fall: MAN237 Millionen Euro wollte der Lkw-Bauer infolge des Schmiergeldskandals von Ex-Chef Hakan Samuelsson. Ein Kompromiss sieht nun vor, dass der Schwede 1,25 Millionen Euro zahlen soll und die D&O-Versicherungen 50 Millionen Euro übernehmen. Quelle: REUTERS
Der Fall: BayernLBEx-Chef Werner Schmidt und sieben weitere Manager sollen der BayernLB 200 Millionen Euro wegen des Desasters beim Kauf der Hypo Group Alpe Adria zahlen. Sie weisen Vorwürfe und Forderungen zurück. Quelle: AP
Der Fall: SachsenLBSachsen will für die irischen Verlustgeschäfte der Pleite-Bank von sechs Ex-Managern Schadensersatz. Der frühere Chef Herbert Süß soll 190 Millionen Euro zahlen. Die Manager weisen die Forderungen zurück.

Streit um die Medici

Davon unberührt ist ein weiteres Gerichtsverfahren des Verwalters gegen Middelhoff und andere Ex-Arcandor-Granden. Wegen angeblicher Versäumnisse beim Abschluss von Immobiliengeschäften fordert er von ihnen 175 Millionen Euro Schadensersatz. Middelhoff verklagt den Insolvenzverwalter seinerseits auf rund 120 Millionen Euro wegen geschäftsschädigenden Verhaltens.

Auch der Immobilienunternehmer Josef Esch, Middelhoffs ehemaliger Vermögensberater, will Geld. So kabbelt sich das Duo um die millionenschweren Unterhaltskosten einer 33-Meter-Yacht namens Medici. Das Boot wurde verkauft, Esch und Middelhoff verhandeln weiter.

Die Vielzahl an Streitigkeiten wirft eine zentrale Frage auf: Ist Middelhoff pleite?

Er selbst hält das für Unfug, alles befinde sich „in einer guten Bilanz“, gab er jüngst zu Protokoll. Nach seiner Rechenweise stünden vielmehr andere bei ihm in der Kreide. Gemeinsam mit Ehefrau Cornelie hat er Sal. Oppenheim vor einem Jahr auf 101 Millionen Euro verklagt, weil er sich bei Immobilienfonds-Investments falsch beraten fühlte. Die Bank fordert per Gegenklage von den Middelhoffs rund 78 Millionen Euro, um Kredite für die Immobilienfonds zu tilgen. Am Ausgang dieses Streits dürfte sich die finanzielle Zukunft des Managers entscheiden.

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