Titelseiten zur Börse Verkaufen, wenn der Börsenjubel am größten ist

Seite 3/5

"Werden Sie Börsengewinner!"

Dax-Rückblick

Wer schon 2007 auf den Titelblatt-Indikator vertraut hat, konnte seinerzeit Gewinne mitnehmen oder zumindest Verluste begrenzen. Denn wenige Wochen bevor der Dax seine bis heute gültige Rekordhöhe erreichte, gaben einige populäre Publikationen ein starkes Verkaufssignal. Am 4. Juni warb die Titelseite des „Focus“ für einen Einstieg in Aktien mit der Schlagzeile: „Werden Sie Börsengewinner!“. Selbst die Fernsehzeitschrift „Hörzu“ lockte auf ihrer Titelseite die Leser mit dem möglichen Börsenreichtum. Die beiden Zeitschriften haben mit ihren euphorischen Titelzeilen aber nicht gerade gutes Timing bewiesen. Nachdem der Dax im folgenden Juli mehrfach seinen Höchststand testete, aber nicht mehr deutlich überwand, ging es bis zum Jahresende zunächst seitwärts. Ab Januar 2008 ging es dann an der Börse immer weiter in den Keller, bis der Dax schließlich im Frühjahr 2009 ein neues Tief deutlich unterhalb von 4000 Punkten markierte. Dass auch „Der Aktionär“ noch am 20. Juni 2007 auf seiner Titelseite die „Optimale Kauf-Zeit“ ausrief, ist angesichts des grundsätzlich eher optimistischen Tenors des Anlegermagazins aus Kulmbach nur ein weiterer Anlass für Börsenskepsis und zugleich Beleg, dass auch Fachmagazine gründlich irren können.

Die zehn wichtigsten Aktien-Regeln

Die Beobachtung von Titelseiten ist keine exakte und quantifizierbare Analyseform. „Man kann den Titelblatt-Indikator weder genau berechnen noch lässt er sich über einer durchgängige Zeitreihe verfolgen, da er nur sporadisch Signale erhält“, sagt Ralf Flierl, Chefredakteur des Anlegermagazins Smart Investor, dass des Öfteren über den Titelseiten-Indikator berichtet und sich den antizyklischen Investments – der Contrarian-Strategie – verschrieben hat. „Man muss als Anleger auch berücksichtigen, wie reißerisch einzelne Publikationen titeln. 'Der Aktionär' ist eigentlich immer bullisch. Wenn der etwa ‚Dax 10.000‘ auf den Titel schreibt, nehme ich das nicht so ernst, wie wenn die gleiche Zeile vorne auf dem Handelsblatt-Titel steht. Wer sich auf solche Anzeichen stützt, muss auch Gespür für die einzelnen Medien mitbringen.“ Dass Wirtschaftsmagazine mit Schwerpunkt Geldanlage regelmäßig die Entwicklungen an der Börse thematisieren und zu gegebener Zeit auch Optimismus verbreiten - wie beispielsweise auch die WirtschaftsWoche -, ist an sich nicht ungewöhnlich. Schließlich werden damit die Interessen der treuen Leserschaft bedient. Insofern ist ein Börsenthema auf der Titelseite eines Wirtschaftsmagazins allein noch kein Trendsignal. Erst bei thematisch breiter aufgestellten Publikumszeitschriften gewinnt ein Börsenthema so an Strahlkraft, dass Anleger hellhörig werden sollten. Die jüngste Häufung positiver Börsentitel macht Flierl daher auch noch nicht nervös: „Für den Dax sind wir mindestens bis zum Frühsommer noch optimistisch, vielleicht auch noch bis ins dritte Quartal. Aber dann rechnen wir mit einem Dämpfer.“

8000 verpasst...und jetzt?

Die entscheidenden Faktoren

Titelseiten können also durchaus richtige Signale zum antizyklischen Investieren geben. Aber dafür müssen einige Faktoren stimmen, so Joachim Goldberg: „Man muss die Börseneuphorie am Kiosk sehen können. Damit die Stimmung als Kontraindikator verstanden werden kann, muss es das Thema also auf die Aufmacherseite von Blättern schaffen, die ein breites Publikum ansprechen. Titelt eine Wirtschaftszeitung wie das Handelsblatt oder ein Anlegermagazin ‚Dax 10.000‘, ist das für mich noch kein Kontraindikator. Aber schreibt so etwas die Bild-Zeitung auf Seite eins, wird es für investierte Anleger gefährlich.“

Der Titelblatt-Indikator mag zwar exotisch sein, aber er fußt auf fundierten Erkenntnissen. Der amerikanische Anlageexperte Paul Macrae Montgomery hat ihn 1971 entwickelt. In seinen zahlreichen Untersuchungen zu Titelblättern hatte er herausgefunden, dass etwa Aktien aus Titelgeschichten im Monat nach ihrem Erscheinen zunächst noch steigen, weil dann auch noch die letzten übrig gebliebenen unsicheren Anleger – Börsenlegende André Kostolany sprach von den Zittrigen - den Einstieg wagen. Ein Jahr nach der Titelgeschichte notieren jedoch Montgomery’s Untersuchungen zufolge 80 Prozent der fraglichen Papiere im Minus.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%