Aber noch ist es offenbar zu früh für eine Trendwende. Die Begründungen für den derzeit zur Schau gestellten Börsenoptimismus sind durchaus gewichtig. Die sich ankündigende Rückkehr Chinas als Wachstumslokomotive der Weltkonjunktur, die sich aufhellende Konjunkturstimmung und die nachlassende Anspannung in der US-Haushalts- und Euro-Schuldenkrise sorgen für eine Fortsetzung des Aufwärtstrends. Außerdem seien die Bewertungen noch nicht hoch: Ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von elf im Dax sei angesichts eines historischen Durchschnitts-KGVs von 15,5 noch günstig. Daher müsse der Dax gemessen an einer am historischen Wert orientierten fairen Bewertung eigentlich bei 10.780 Punkten stehen, argumentiert etwa das Handelsblatt. Schwellenländer wie Indonesien und Indien würden ebenso wie China weiter stark wachsen und insbesondere den international gut aufgestellten deutschen Konzernen zusätzlichen Schub geben. Ein Erreichen der 8000-Punkte-Marke ist demnach zum Greifen nah.
Vorsichtiger Optimismus
Auch die Analysen von Cognitrend geben den Optimisten noch weiter Nahrung. „Noch sind wir weit von Euphorie entfernt“, konstatiert Sentiment-Experte Goldberg. „Die Anleger sind zwar überwiegend, aber nur vorsichtig optimistisch.“ Den Cognitrend-Daten zufolge rechnen etwa die Bullen im Markt im Mittel nur mit einem Anstieg des Dax bis auf 7910 Punkte, während die Bären Rückschläge bis auf 7400 Punkte erwarten. Der Optimismus ist also weniger stark ausgeprägt, als der Pessimismus. “Viele, die billig einsteigen wollten, kamen noch nicht zum Zuge. Sie zögern mit dem Einstieg, weil sie auf eine stärkere Kurskorrektur warten. Aber die Korrekturen waren moderat und die Pessimisten riskieren, dass ihnen die Kurse davonlaufen, wenn sie weiter warten. Dieses Risiko wird häufig unterschätzt“, so Goldberg. Die Kursverluste von zeitweise zwei Prozent im Dax unmittelbar nach der Italien-Wahl dürfte somit das Lager der Pessimisten wieder vergrößert haben und so den Boden für steigende Kurse bereiten.
Eine Faustformel, wann das Börsen-Sentiment ein Verkaufssignal gibt, hat Goldberg auch parat: „Erst wenn unser Bull/Bear-Index Werte von mehr als 80 Prozent zeigen würde, ist Vorsicht geboten. Aber in so einem Markt wie derzeit werden die Kurse weiter steigen.“ Vor der Italien-Wahl lag der Wert nur bei etwa 55 Prozent. Nun ist er auf 42 Prozent gesunken. Den starken Rückgang führen die Cognitrend-Analysten darauf zurück, dass 13 Prozent der 300 befragten institutionellen Investoren ihre Dax-Aktien verkauft haben und das Bullenlager verlassen haben. Gemessen daran hätte die Reaktion im Dax eigentlich stärker ausfallen müssen. Offenbar stützen aber auch Käufer aus dem Ausland den Dax. Goldberg erwartet für das laufende Jahr ein neues historisches Hoch im Dax.
Die Zeit für eine anschließende Börsenumkehr könnte erreicht sein, wenn zum Hoch die zittrigen Anleger Gewinne mitnehmen und wieder in das Lager der Pessimisten wechseln. Im Vorfeld kann es hilfreich sein, die Cover der Zeitschriften im Auge zu behalten. Denn wenn das voraussichtlich wachsende Optimisten-Lager seine relativ geringen Gewinnhoffnungen an der Börse erfüllt sieht, könnte es zu schnellen Gewinnmitnahmen kommen. Vielleicht warnt davor zuvor ein die Börse bejubelndes Titelblatt.