Triebwerksbauer MTU: Erfolgreich durch Langeweile

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Die drei klassisch mittelständischen Säulen

Das System der Hessen ruht neben der Bescheidenheit auf drei klassisch mittelständischen Säulen: strikte Beschränkung, kaum zu kopierende Hightech und viel Vorsicht.

So gab das Unternehmen früh alle Versuche auf, selbst ein ganzes Triebwerk zu bauen. „der Zug ist abgefahren“, so Winkler. Die drei großen Flugmotorenbauer Rolls Royce aus England sowie die US-Hersteller General Electric (GE) und Pratt & Whitney aus dem UTC-Konzern sowie die französische Safran bauen mit Milliarden und reichlich Rückschlägen neue Motoren und kommen sich dabei ständig selbst ins Gehege. Die Münchner beschränken sich auf sehr spezielle Hochleistungsteile für Triebwerke anderer Hersteller. Deren Entwicklung kostet zwar auch viel Geld. Doch weil der wirtschaftliche Erfolg anders als beim kompletten Motor nicht daran hängt, dass auch viele andere neue Teile funktionieren, gibt es weniger Verzögerungen. Da die Münchner Dinge bauen, die kein anderer vergleichbar hinbekommt, zahlen die Hersteller dafür viel Geld. Also bleibt im MTU-Teilebau ein Viertel vom Umsatz als operativer Gewinn in der Kasse – und bei UTC insgesamt nur rund acht Prozent.

Gleichzeitig verbessert die MTU ihre Teile ständig. Nicht zuletzt dank der zunehmend digital gesteuerten Fertigung kitzeln die Ingenieure und Techniker stetig mehr Effizienz aus den Motoren. „Wir arbeiten jeden Tag dran, jedes Teil ein kleines bisschen besser zu machen“, so Winkler.

Trotz oder vielleicht auch gerade wegen des gerade erfolgreichen Teilebaus leistet sich MTU noch zwei weitere weniger profitable Felder: Wartung und Militärgeschäft. Beide haben mit rund zehn Prozent Rendite nicht mal die Hälfte der Marge im Teilebau. Das wundert manche Investoren, besonders solche mit einem eher kurzen Gedächtnis. Denn die beiden Felder mögen die Konzernrendite drücken, „aber sie stabilisieren das Geschäft“, so Winkler. So rentabel auch der Teilebau ist. Seine Ergebnisse schwanken stark. Als etwa das neue Triebwerksmodell für den Airbus A320neo ab 2008 entwickelt und gebaut wurde, drückten die Ausgaben für Entwicklung, Ausbau der Produktion und die von nach technischen Problemen verursachte verzögerte Auslieferung an den Erstkunden Lufthansa die Rendite. „Und wenn wir ab 2025 allmählich den Nachfolger entwickeln, dürfte die ebenfalls wieder etwa sinken“, warnt Winkler.

Dagegen laufen die Einnahmen aus dem Service gleichmäßiger. Mit fast jedem Triebwerk verkauft MTU auch die Wartung, meist bis zum Lebensende des Motors. Weil Airlines anders als normale Verbraucher Ersatzteile fast nur beim Hersteller kaufen dürfen, bestimmt der die Preise. Noch stabiler wird das Geschäft, weil MTU statt der Kombi Treibwerk/Wartung quasi deren Leistung vermietet. Bei dem „Power by the hour“ (Kraft pro Stunde) genannten Konzept zahlen die Airlines pro Flugstunde statt für den Werkstattbesuch. Das ist für MTU etwas riskanter, weil sie die Kosten auf Jahre abschätzen muss, auch wenn sie dessen Nutzung noch nicht kennt. Schließlich verschleißt ein Motor in sandhaltiger Wüstenluft wie in Arabien oder in Smogstädten wie Neu Delhi schneller als in Europa.

Doch dem steht als Chance gegenüber, dass MTU eine planbare Miete bekommt. So hat sie immer genug Einnahmen und kann damit mehr Investitionen aus eigenen Mitteln statt auf Kredit finanzieren. „Wir sehen bei unseren Erträgen keine Verschlechterung“, so Winkler lächelnd.

Dabei hilft MTU die Digitalisierung ihrer Motoren. In alle Teile haben die Ingenieure Sensoren gepackt, die alle Details des Betriebs aufzeichnen. So können die Datenanalysten der Münchner nicht nur nach Anzeichen für Pannen oder Schwächen suchen. Sie können auch genauer abschätzen wie sich künftige Motoren unter welchen Einsatzbedingungen verhalten – und die Motorenmiete besser und gewinnbringender schätzen. Dazu können sie Fluglinien Ratschläge verkaufen, wie sie sparsamer fliegen. Der Bereich gilt als wichtiger Ertragsbringer der Zukunft.

Etwas anders ist es beim Militärgeschäft. Nachdem in den vergangenen Jahren nur wenig neue Flugzeuge ausgeliefert wurden, besteht es weniger aus rentablem Turbinenverkauf und mehr aus Wartungsgeschäft. Doch MTU hat den Bereich gehalten. Denn nach vielen Verzögerungen kann das Unternehmen bald auf neue Aufträge hoffen. So dürfte Airbus und damit auch die MTU bald neue Eurofighter bauen als Ersatz für bestehende Maschinen und zumindest für einen Teil der Nachfolger des Kampfbombers Tornado. Das erlaubt die Forschung an neuen Techniken für mehr Effizienz, die MTU später auch in Ziviltriebwerken nutzen kann. Einen noch größeren Innovationsschub dürfte das geplante deutsch-französische Kampfflugzeugsystem FCAS bringen. Für den ab 2040 einsatzfähigen Jet beginnen nun die ersten Forschungsarbeiten und ab 2025 die Vorarbeiten.

Da wird Winkler zwar nicht mehr Chef des Unternehmens sein. Doch er ist sich sicher, dass das Unternehmen dann zwar deutlich größer sein, aber nicht wesentlich anders arbeiten wird.

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