Twitter Ein Quartalsgewinn macht noch keine gute Aktie

Erstmals in der Unternehmensgeschichte hat der Kurznachrichtendienst Twitter die Gewinnschwelle überschritten. Die Aktie steigt um 30 Prozent. Quelle: AP

Der Kurznachrichtendienst Twitter präsentiert den ersten Nettogewinn der Unternehmensgeschichte, die Aktie steigt um 30 Prozent. Warum ein Kauf trotzdem nicht lohnt.

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Die Börse neigt bisweilen zur Übertreibung; nach unten wie nach oben. Anleger können das aktuell bei der Aktie des Kurznachrichtendienstes Twitter beobachten. Der verkündete für das vierte Quartal 2017 jüngst den ersten Nettogewinn der Unternehmensgeschichte. 91 Millionen Dollar oder 18 Cent je Aktie verdiente das Unternehmen zwischen Oktober und Dezember 2017. Prompt stieg die Aktie um fast 30 Prozent auf in der Spitze knapp 35 Dollar. So teuer war ein Twitter-Anteilsschein zuletzt im Sommer 2015 gewesen.

Ein echter Grund, der eine solche Kursbewegung rechtfertigen könnte, sind die Zahlen aber nicht. Denn Twitter schaffte im abgelaufenen Jahr kein Wachstum, der Umsatz stagnierte bei 2,4 Milliarden Dollar. Zum Vergleich: Das Netzwerk Facebook steigerte seinen Umsatz im selben Zeitraum um 47 Prozent auf nun knapp 41 Milliarden Dollar. Und auch die Nutzerzahlen von Twitter sind wenig berauschend. Gegenüber dem Vorquartal bedeuten 330 Millionen monatlich aktive Nutzer Stagnation, auf Jahressicht nur minimal mehr.

Dass es trotzdem für einen Gewinn reichte, hat mit dem Umsatz folglich nichts zu tun, sondern liegt am größeren Sparwillen. Twitter spendiert seinen Mitarbeitern schon seit dem Börsengang im Jahr 2013 großzügige Aktienpakete. Sie erhalten als Lohn Aktien und Aktienoptionen des Kursnachrichtendiensts. Für das Unternehmen hat das den Vorteil, dass weniger Geld für die Vergütung abfließt. Die zusätzlichen Aktien schuf Twitter einfach neu und verwässerte so den Wert der bestehenden Anteile. Deshalb stieg die Zahl der ausstehenden Aktien seit dem Börsengang kontinuierlich an. Von 570 Millionen auf zuletzt 743 Millionen.

Während die Ausgabe neuer Aktien an Mitarbeiter den Bargeldbestand des Unternehmens schont, müssen diese in der Gewinn- und Verlustrechnung als Kosten ausgewiesen werden. Nur deshalb schrieb Twitter in den vergangenen Quartalen noch Verluste. Der freie Kapitalfluss, also das vom Unternehmen erwirtschaftete Geld minus Investitionen, ist schon seit Anfang 2016 kontinuierlich positiv. Denn diese Kennzahl beinhaltet, anders als der Nettogewinn, nicht die aktienbasierte Vergütung.

Und die machte bei Twitter auch schon mal über 180 Millionen Dollar aus – pro Quartal, versteht sich. Diese Ausgaben hat Twitter eingedampft, auf zuletzt gut 100 Millionen. So schaffte der Kurznachrichtendienst Schritt für Schritt den Weg in die schwarzen Zahlen. Dass das Unternehmen damit, wie der Aktienkurs suggeriert, gleich sechs Milliarden Dollar mehr wert sein soll als zuvor, darf man dennoch bezweifeln. Denn die grundsätzlichen Probleme kaschiert der Gewinn zwar. Aber er löst sie nicht.

Nutzer gesucht

Twitter braucht dringend mehr und vor allem bessere Nutzer. Noch sind zu viele programmierte Nutzer unterwegs, die automatisch Spam posten. Das Problem geht Twitter zwar nach eigenen Angaben energisch an. Bis das aber auch bei Nutzern ankommt, könnten sie längst das Interesse verloren haben.

Ein weiterer Kritikpunkt war lange der begrenzte Platz von 140 Zeichen, den Nutzer für einen Post zur Verfügung haben. Der war zwar Markenkern des Unternehmens, verkürzte aber die Verweildauer auf dem schnellen Medium. Twitter hat daher kürzlich die Zahl der Zeichen auf 280 verdoppelt. Zudem sollen mehr Videos Twitter attraktiver machen. Allein: Andere Plattformen wie Facebook oder Instagram können das auch und gerade Instagram ist bei jungen Leuten angesagter als Social-Media-Dino Twitter.

Die Finanzanalysten sind ebenfalls weiter skeptisch. Für 2018 rechnen sie nur mit homöopathisch mehr Umsatz, netto soll erneut ein Verlust anfallen. 2019 erst trauen sie Twitter immerhin 65 Millionen Dollar Gewinn zu; für das ganze Jahr. Die Aktie käme damit zum aktuellen Kurs auf ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von über 300. Das wäre selbst für ein profitables Wachstumsunternehmen eine Menge. Und das ist Twitter nicht einmal.

Twitter-Aktie geht ab wie eine Rakete

Für die Aktie spricht immerhin eine solide Bilanz. Denn durch den Kniff mit den Mitarbeiteraktien konnte Twitter nicht nur den Bargeldbestand schonen, sondern auch das eigene Vermögen stärken. Fünf Milliarden Dollar Eigenkapital stehen in der Bilanz, gut zwei Drittel der Bilanzsumme. Zudem sitzt Twitter auf gut zwei Milliarden Dollar Nettofinanzguthaben. Dieser Wert gibt die Barmittel eines Unternehmens abzüglich seiner Finanzschulden an. Ein hohes Nettofinanzguthaben ist somit ein finanzielles Polster. Es sorgt dafür, dass Unternehmen auch wirtschaftlich schlechte Zeiten überstehen, wenig Geld für Kredite ausgeben müssen oder das Geld für Zukäufe einsetzen können.

Für Anleger dürfte eine solche Überlegung aber eher theoretischer Natur sein. Aktien wie Twitter werden am Geschäftsmodell gemessen, nicht an der Qualität der Bilanz. Und das ist im Vergleich mit anderen Techaktien immer noch nicht attraktiv. Daran ändert auch der erste Quartalsgewinn der Unternehmensgeschichte nichts.

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