Twitter Wie Tweets die Börsenkurse treiben

Kurznachrichten bei Twitter sind kein belangloses Gezwitscher. Sie können Aktien von Unternehmen kräftig steigen lassen. Allerdings nur kurzfristig - danach kommt die Korrektur.

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Die Ehrlichkeit, mit der Twitter-Chef Jack Dorsey vergangene Woche über die Probleme beim Geldverdienen sprach, ließ die Aktien des Unternehmens bis zu elf Prozent abstürzen. Denn das junge amerikanische Unternehmen aus der High-Tech-Schmiede im Silicon Valley schreibt seit seiner Gründung im Jahr 2006 Verluste. Laut Dorsey fehlt es vor allem an neuen Nutzern. Einige Analysten sehen das Unternehmen gar nur als "Modeerscheinung".

Dabei ist es ein populärer Sport, Kurzbotschaften über Twitter zu veröffentlichen, 316 Millionen Menschen nutzen den Dienst mindestens einmal im Monat. Auch Pressestellen, Medien und Behörden nutzen Twitter als Marketing- und Informationswerkzeug und natürlich zur PR.

Den Investoren ist es also noch nicht gelungen, Twitters Datenschatz zu heben. Wissenschaftler sind dagegen schon einen Schritt weiter. Sie haben sich mit dem Kurznachrichtendienst den Traum erfüllt, per Computer Haussen und Baissen an den Börsen zuverlässiger vorherzusagen als bisher. Die gängigen Methoden dafür lassen allerdings noch etwas zu wünschen übrig.

Zahlen und Fakten zu Twitter

Wie es besser funktioniert, zeigen Huina Mao und Johan Bollen von der Indiana University in den USA und der Microsoft-Mitarbeiter Scott Counts in einer neuen von der Europäischen Zentralbank veröffentlichten Studie mit dem Titel „Quantifying the Effects of Online Bullishness on International Financial Markets“. Die drei Forscher haben geprüft, ob die von Internetnutzern an ihre Twittergefolgschaft verbreiteten Kurznachrichten die Stimmung an den Börsen widerspiegeln und ob sich die Kursentwicklung mit Hilfe der Tweets vorhersagen lässt. Auf diese Aspekte hin haben sie gleichzeitig die in der Suchmaschine Google abgefragten Suchbegriffe untersucht.

Twitter vor Google

Das Ergebnis: „Verbreiten Twitternutzer eine bullige Börsenstimmung, deutet das auf steigende Kurse am nächsten Tag hin.“ Allerdings bewegen sich die Indizes laut Studie binnen zwei bis fünf Tagen wieder auf ihren Ausgangswert zurück. Twitter und Google können auf kurze Sicht Stimmungsschwankungen an den Börsen besser vorhersagen als etablierte Verfahren. Dabei sind die aus Twitterdaten abgeleiteten Prognosen etwas präziser als die Vorhersagen über Google, zudem eilt die Marktstimmung auf Twitter der in der allwissenden Suchmaschine um wenige Tage voraus.

Die Forschungsmethode funktioniert vereinfacht dargestellt wie folgt: Die Wissenschaftler zählten per Computer die Tweets und Suchanfragen mit den Wörtern „bullish“ – für steigende Kurse – und „bearish“ – für fallende Kurse, ganz ohne auf den Rest des Inhalts zu achten. Die Daten sind öffentlich zugänglich über Twitter Gardenhose, wo täglich rund 45 Millionen Tweets einlaufen und Google Trends, wo alle eingegebenen Suchbegriffe gespeichert werden. Untersucht wurden die Jahre 2010 bis 2012 und die Reaktion von Börsenindizes wie dem Dow Jones in den USA, nicht aber einzelne Aktien. „Ich denke, es ist auch möglich, die Entwicklung einzelner Aktien zu prognostizieren“, sagt Studienautorin Mao. Das könnte dann der Stoff für neue Forschungsarbeiten sein.

Anders als die Twitter-Methode analysieren ältere Prognosewerkzeuge komplette Artikel in Anlegerblogs, Zeitungen oder Nachrichtenportalen, wobei allerdings Zweifelsfälle entstehen, weil viele Formulierungen doppeldeutig sind. Die einfache Methode der Studie hat dagegen einen Vorteil: Nutzer verwenden das sprachliche Bild vom Bullen- und Bärenmarkt nur in Bezug auf Finanzmärkte, sodass Zweifelsfälle wie bei textgestützten Analysen fast ausgeschlossen sind. Eine tiefere Interpretation der getwitterten und gesuchten Inhalte erübrigt sich dadurch. Die Twitter-Vorhersage funktioniert in den USA, Großbritannien und Kanada.

Im ebenfalls großen Finanzmarkt China versagt das Instrument. Das dürfte den banalen Grund haben, dass Chinesen statt Twitter den Kurznachrichtendienst Weibo nutzen und ihre Nachrichten meist in chinesischen Schriftzeichen verbreiten. Wissenschaftlerin Mao hält es aber auch für möglich, dass das an der Marktstruktur in China liegt. Dort könnten viele Anleger weniger onlineaffin sein, etwa Rentner, die sich die Langeweile mit kleinen Börsenspekulationen vertreiben.

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