Wie kann das sein? Sollten Anleger jetzt nicht einsteigen? Immerhin können sie beim Kauf zu 107 Dollar rund 20 Prozent verdienen, wenn ihnen die Aktie später zu 128 Dollar abgekauft wird.
Doch der scheinbar unlogische Kursabschlag lässt sich logisch begründen. Blicken wir zurück: Am 9. Mai, dem letzten Handelstag, bevor Bayer ein schriftliches Kaufangebot für Monsanto vorgelegt hatte, stand die Monsanto-Aktie bei 89,03 Dollar. Gehen wir – grob vereinfacht – davon aus, dass sie dort auch wieder stehen würde, wenn das Übernahmeangebot noch platzen würde. Geht der Deal hingegen über die Bühne, kassieren die Monsanto-Aktionäre 128 Dollar.
Große Firmenübernahmen in Deutschland und weltweit
Für 199 Milliarden Dollar (aktuell rund 178 Milliarden Euro) verleibt sich Vodafone im April 2000 den deutschen Mobilfunk-Konzern Mannesmann ein. Es ist die bislang größte feindliche Übernahme - und die mit Abstand größte mit deutscher Beteiligung.
154,8 Milliarden Dollar zahlt der US-Internetkonzern AOL im Januar 2000 für den US-Medienkonzern Time Warner.
Für 129 Milliarden Dollar übernimmt die Telefongesellschaft MCI Worldcom die US-Telekommunikationsfirma Sprint im Oktober 1999.
Knapp 90 Milliarden Dollar zahlt der US-Pharmahersteller Pfizer im Juni 2000 für seinen Konkurrenten Warner-Lambert.
Rund 50,7 Milliarden US-Dollar zahlt die Deutschen Telekom im Jahr 2000 für den US-Telekommunikationsanbieter Voicestream.
Etwa 32,6 Milliarden Dollar kostet Mannesmann 1999 die Übernahme des Mobilfunk-Anbieters Orange.
Für 17 Milliarden Dollar kauft der deutsche Pharma- und Chemiekonzern Merck im November 2015 den Laborausrüster Sigma-Aldrich.
So betrachtet ist die Situation simpel: Anleger müssen schätzen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass der Deal tatsächlich gelingt. Mit jeder Kursfeststellung lässt sich dann die Wahrscheinlichkeit berechnen. Zum Handelsschluss in New York notierte die Monsanto-Aktie am Mittwoch – nachdem der Deal als fix verkündet worden war – bei 106,76 Dollar, also 17,73 Dollar über dem Schlusskurs vor dem ersten Angebot, den 89,03 Dollar. Bei 128 Dollar Übernahmepreis würden die Aktionäre im Vergleich zum Schlusskurs von 89,03 Dollar insgesamt 38,97 Dollar Prämie einstreichen. 17,73 Dollar geteilt durch 38,97 Dollar ergibt 45,5 Prozent. Auf gut deutsch: An der Börse wird derzeit davon ausgegangen, dass der Deal nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 45,5 Prozent stattfindet. Das passt gut zu entsprechenden Zitaten von Fondsmanagern, die eine 50:50 Chance sehen.
Die grobe Überschlagsrechnung lässt einige Faktoren beiseite. So würde Monsanto noch zwei Milliarden Dollar einstreichen, wenn der Deal platzt – dazu hat sich Bayer vertraglich verpflichtet (sogenannte „break-up-fee“). Damit sollte der Kurs in diesem Fall nicht auf 89,03 Dollar zurückfallen, sondern eher auf 93,3 Dollar („break-up-fee“ umgelegt auf die einzelnen Monsanto-Aktien). Berücksichtigt man dies, würde sich sogar nur eine an der Börse angesetzte Erfolgswahrscheinlichkeit von 38,8 Prozent ergeben.
Allerdings hat sich die Börsenweltkugel seit Mai weitergedreht. Der Dow Jones Index steht etwa 1,9 Prozent höher. Die operative Lage bei Monsanto hingegen hat sich seitdem eher etwas eingetrübt. So zeigte sich, dass der US-Saatguthersteller in der Pflanzsaison 2016 die hohen Erwartungen nicht erfüllt hat. In Nordamerika sank der Marktanteil bei Mais und Sojabohnen zum Beispiel.
Wo genau der Monsanto-Kurs daher stehen würde, wenn sich die von Bayer offerierte Prämie (abgesehen von den zwei Milliarden Dollar „break-up-fee“) in Luft auflösen dürfte, ist daher natürlich offen. Schon jetzt ist klar, dass es auf jeden Fall noch weit bis ins Jahr 2017 dauern dürfte, bis der Deal abgeschlossen ist – wenn überhaupt. Solange wird an der Börse weiter spekuliert – Rückschlüsse auf die von Aktionären geschätzte Erfolgswahrscheinlichkeiten liefert Monsantos Aktienkurs derweil frei Haus.