
Börsennotierte Unternehmen sollten sich mehr Mühe bei ihren Gewinnprognosen geben, denn der Mehraufwand für eine umfangreichere Analyse könnte sich an der Börse bezahlt machen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Unternehmensberatung EY (ehemals Ernst & Young), die Prognoseänderungen bei deutschen Konzernen und deren Auswirkungen auf den jeweiligen Aktienkurs untersucht hat.
Demnach sind in der Regel Kurseinbrüche die Folge. Im Schnitt sanken die Kurse der Unternehmen am Tag der Gewinnwarnung um acht Prozent. Eine Eintagsfliege? Auch in der folgenden Woche notierten die Aktien im Schnitt neun Prozent niedriger als vor der Warnung. "Das Vertrauen der Investoren ist rasch verspielt", sagt Martin Steinbach, der bei EY den Bereich IPO und Listing Services verantwortet. Dieser Verlust könne nach einer Gewinnwarnung nur langsam wettgemacht werden.
Zum Studiendesign
Analyse aller Prognoseänderungen der am 31.12.2014 im Prime All Share gelisteten Unternehmen im Zeitraum von Januar 2011 bis Dezember 2014.
DAX: 30 Unternehmen
MDAX: 50 Unternehmen
SDAX: 50 Unternehmen
TecDAX: 30 Unternehmen
übriger Prime Standard: 158 Unternehmen
Ad-hoc. und Pressemitteilungen, Geschäfts- und Zwischenberichte
Gewinnwarnungen müssen veröffentlicht werden, wenn absehbar ist, dass das angestrebte Geschäftsergebnis voraussichtlich nicht erreicht werden kann. Das Unternehmen informiert über die Prognosekorrektur üblicherweise in einer Ad-hoc-Meldung. Die Ankündigung einer Verringerung des Gewinns wird als "Gewinnwarnung", die einer Vergrößerung des Gewinns als "Gewinnerwartung" bezeichnet. Entsprechendes gilt für Veränderungen der Umsatzprognose.
Für die Studie wurden Gewinn- und Umsatzwarnungen der 319 im Prime Standard gelisteten deutschen Unternehmen zwischen 2011 und 2014 untersucht. Vor allem im vergangenen Jahr mussten zahlreiche Unternehmen ihre Prognosen einkassieren. Insgesamt 92 Warnungen zählten die Studienautoren, 18 Prozent mehr als im Vorjahr.
Dafür verantwortlich waren vor allem externe Faktoren. "2014 war ein schwieriges und turbulentes Jahr, das den Unternehmen ein hohes Maß an Flexibilität abverlangte", sagt EY-Partner Bernd Richter. Als bestimmende Faktoren nennt Richter Währungsschwankungen, die Krise zwischen Russland und der Ukraine sowie Terror und den Einsturz des Ölpreises. Nicht alle Unternehmen seien auf diese Belastungen angemessen vorbereitet gewesen.
Weit daneben
Bei jeder siebten Warnung waren allein die Russland-Krise und die damit verbundenen Absatzprobleme der Konzerne schuld. Als einer der ersten Dax-Konzerne musste Adidas Ende Juli 2014 seine Prognose zurückziehen - zum Entsetzen der Aktionäre. Denn die hatten angesichts des gerade erst gefeierten WM-Sieges der deutschen Fußballer auf Absatzrekorde des Vier-Sterne-Trikots gehofft.
Für Anleger ebenfalls erschreckend: wenn sich Unternehmenslenker verschätzt hatten, dann aber auch deutlich. Laut EY-Studie reduzierten die Unternehmen ihre Gewinnprognose 2014 im Schnitt um 89 Prozent, vor allem gegen Ende des Jahres musste in einigen Fällen nachgebessert werden.
Am häufigsten korrigieren laut EY Großkonzerne mit mehr als fünf Milliarden Umsatz im Jahr. Sie betreiben besonders viele Geschäfte im Ausland und werden dadurch von internationalen Krisen härter getroffen. "In den vergangenen Jahren war die Entwicklung gerade auf außereuropäischen Märkten besonders volatil", sagt Richter.
Doch nicht immer dürfen externe Faktoren als Ausrede gelten. Immerhin 22 Prozent aller Warnungen waren auf interne Faktoren wie außerplanmäßige Kostensteigerungen oder Problemen bei Abläufen zurückzuführen. "Viele Probleme sind hausgemacht und durchaus auch längerfristig absehbar", sagt Richter. Es überrascht daher kaum, dass der Unternehmensberater den Konzernen zu umfangreicheren Analysen und Szenarienrechnungen bei der Prognoseerstellung rät.
Grundsätzlich sind Unternehmen zu Umsatz- und Gewinnwarnungen verpflichtet. Sobald absehbar ist, dass die angestrebten Ergebnisse nicht erreicht werden, müssen die Aktionäre darüber informiert werden.