Unheimliche Aktienrally Warum die Kurse plötzlich fallen

Die US-Börse zeigt sich nervös, die deutschen Kurse schwächeln ebenfalls. Die Anzeichen für eine Überbewertung der Aktien mehren sich. Ist das nur eine einfache Korrektur oder ein Abgleiten in den Bärenmarkt?

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Ein Bild mit Seltenheitswert in den vergangenen Handelstagen: Der deutsche Leitindex fällt wieder. Diese Korrektur könnte etwas länger dauern. Quelle: dpa

Die US-Aktienmärkte haben am Dienstag den größten Kursrückgang seit einem halben Jahr erlebt. Der Leitindex Dow Jones Industrial schloss mehr als ein Prozent tiefer bei 20.668 Punkten – zuletzt war es im September vergangenen Jahres derart kräftig bergab gegangen. Der Index ging überdies fast auf seinem Tagestief aus dem Handel.

Entsprechend sind auch die Kurse am Deutschen Aktienmarkt gefallen. Der Dax eröffnete am Mittwoch 0,7 Prozent schwächer und damit unterhalb der Marke von 11.900 Punkten. Er hat damit fast die gesamten März-Gewinne wieder abgegeben. Vor allem Bankaktien verloren deutlich an Wert. In den USA fielen die Papiere der Titel von Bank of America sogar um 5,8 Prozent, am hiesigen Markt fielen die Papiere der Commerzbank um mehr als zwei Prozent.

Zwei Dinge belasten die Märkte: Zum einem wachsen die Zweifel an einer raschen Umsetzung der Wirtschaftspläne von US-Präsident Donald Trump. Selbst die größten Optimisten registrieren langsam, dass Trump mit seinen Reformplänen in der Umsetzung Schwierigkeiten habe, sagte Analyst Michael Hewson vom Broker CMC Markets UK. Dies gelte sogar für das Gesundheitssystem – dabei gilt für die Abschaffung von Obamacare unter Republikanern große Zustimmung. Andere Reformen, etwa der Steuern oder der Bankenregulierung, sowie Infrastrukturausgaben könnten daher noch ferner in die Zukunft verschoben werden.

Die größten Kapitalvernichter

Das zweite Thema, das die Märkte bewegt, ist die US-Notenbank. Während sonst steigende Leitzinsen oft genug schlecht für Aktien sind, war es in den vergangenen Wochen umgekehrt. Die Aussicht auf Zinserhöhungen durch die Fed beflügelte die Börse, besonders die Papiere der Banken. Doch nach der Zinserhöhung der vergangenen Woche sagte Fed-Chefin Janet Yellen nichts zur weiteren Zinsentwicklung. Die Enttäuschung darüber traf am Dienstag gerade die Bank of America so hart, weil deren Geschäft besonders stark von noch höheren Zinsen profitieren würde.

Zudem werden die steigenden Kurse vielen Anlegern allmählich unheimlich. Bei einer neuen Umfrage von BofA Merrill Lynch unter Fondsmanagern halten 81 Prozent die US-Aktien für überbewertet. Das ist der höchste Wert seit 17 Jahren. Europäische Aktien halten sie dagegen für unterbewertet, ebenso Titel der Schwellenländer. Der S&P 500 liegt zwischen 2300 und 2400 Punkten und damit schon in der Spannbreite, den viele Banken als Ziel fürs Jahresende angesetzt hatten.

Doch es spricht derzeit vieles dafür, dass es sich nur um einfache Korrektur handelt. Die wichtigste Kennzahl für den gesamten Kapitalmarkt ist die langfristige Anleihen-Rendite, vor allem der Prozentsatz bei den zehnjährigen US-Staatsanleihen. Dass die US-Aktien schon seit langem hoch bewertet sind, liegt vor allem daran, dass die Anleiherendite so niedrig ist. Denn wenn bei Anleihen nichts zu holen ist, sind Anleger bei Aktien mit weniger Gewinn zufrieden.

Wann ein Bärenmarkt kommen könnte


Und zwei Drittel der von Merrill Lynch befragten Vermögensverwalter glauben, dass erst Renditen ab 3,5 bis vier Prozent für zehnjährige US-Staatsanleihen zu einem regelrechten Bärenmarkt führen würden. Diese Kennzahl hatte für die US-Staatsanleihen vor kurzem rund 2,6 Prozent erreicht, was einzelne Experten wie der bekannte Fondsmanager Bill Gross als Warnzeichen für einen weiteren Anstieg und damit für einen Ausverkauf der Anleihen ansahen; Renditen und Kurse verhalten sich bei Zinspapieren ja gegenläufig.

Seit einigen Tagen ist die Rendite aber wieder auf 2,4 Prozent zurückgegangen. Das hat zur Schwäche der Bank-Papiere beigetragen, ist aber für den gesamten Aktienmarkt eher positiv: So lange die Anleihenrendite nicht deutlich ansteigt, muss die Überbewertung der Aktien keine wirklich dramatischen Folgen haben. Denn überbewertet sind die US-Aktien bereits seit mehr als drei Jahren, die Kurse sind seitdem dennoch deutlich gestiegen.

Und in den USA haben institutionelle Anleger ihre Investitionsquote nochmals drastisch auf 81 Prozent gesenkt. Damit verfügten Fonds über so viele liquide Mittel wie seit vergangenem Herbst nicht mehr, was gegen einen Bärenmarkt spricht.

Auch aus deutscher Sicht spricht vieles für eine nur vorübergehende Korrektur und gegen einen dramatischen Ausverkauf. Zum einen haben sich viele Anleger gegen Kursverluste abgesichert. Das ist ablesbar am Euwax-Sentiment der Börse Stuttgart, das auf realen Trades mit Hebelprodukten auf den deutschen Leitindex basiert. „Ein Rückschlag im Dax wird schnell wieder von Spekulanten gekauft werden“, prognostizierte Börsenexperte Stephan Heibel nach Auswertung der wöchentlichen Handelsblatt-Sentimentumfrage unter mehr als 2300 Anlegern.

Aus charttechnischer Sicht kann der Dax auch noch bis zur Marke von 11.700, eventuell sogar bis 11.400 Zähler fallen. Denn aus diesem Bereich startet das deutsche Börsenbarometer im vergangenen Montag seinen letzten Aufwärtsschub.

Wie lange könnte diese Korrektur dauern? „Mit zunehmender Dauer eines Aufwärtstrends steigt die Gefahr, dass eine Korrektur auch mal länger anhält als es in den vergangenen Monaten zu beobachten war“, meint das Branchenmagazin Index-Radar. Doch nun auf fallende Kurse zu spekulierten, sei riskant. Schließlich sei der übergeordnete, langfristige Trend immer noch aufwärts gerichtet.

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