In wachstumsschwachen Zeiten tun Unternehmen, was sie können, um ihren Aktienkurs zu steigern. Sie kaufen die eigenen Aktien an der Börse zurück, um deren Zahl zu verringern, oder sie verleiben sich teure Konkurrenten ein, um Wachstumsfantasie zu erzeugen. Beliebt ist aber auch das Gegenteil der Fusionitis, sich in mehrere separate Firmen aufzuteilen. Das passiert in der Hoffnung, jedes der nun auf sich allein gestellten Unternehmen werde fortweg rascher wachsen als im Konzernverbund, und am Ende würden die Aktionäre beider profitieren, die der abgespaltenen Tochter wie die der vom vermeintlichen Ballast befreiten Mutter.
Die zehn größten IT-Übernahmen weltweit nach Kaufpreis
Im Jahr 2010 schluckte Microsoft die norwegische Suchmaschine Fast. Das 1997 gegründete Unternehmen ist auf Suchmaschinenprogramme für Firmenkunden spezialisiert. Der Kaufpreis soll 1,2 Milliarden US-Dollar betragen haben.
Quelle: Statista
2006 übernahm Google Youtube für 1,65 Milliarden US-Dollar. Youtube, damals noch ein defizitäres Start-Up-Unternehmen, war für Google zu diesem Zeitpunkt der teuerste Kauf in der achtjährigen Firmengeschichte.
2014 überrasche Facebook Branchenkenner mit dem Kauf von von Oculus VR. Zwei Milliarden US-Dollar zahlte Facebook für den Hersteller von VR-Brillen, die speziell für PC-Spiele ausgelegt sind. Mit dem Unternehmen hat Mark Zuckerberg großes vor. „Oculus hat die Chance, die sozialste Plattform überhaupt zu werden“, sagte er anlässlich der Übernahme.
Nur ein Jahr nach der Youtube-Übernahme kaufte Google für sage und schreibe 3,1 Milliarden US—Dollar den Anzeigenriesen Doubleclick. Auch Microsoft, AOL und Yahoo waren interessiert, hatten allerdings das Nachsehen. Schon vor dem Zukauf hatte Google die führende Stellung im Geschäft mit der Internet-Werbung inne. Mit der Übernahme konnte Google diese Position noch weiter ausbauen.
Ähnlich viel wie für Doubleclick zahlte Google für den Kauf Nest Labs: 3,2 Milliarden US-Dollar. Die Firma, die smarte Thermostate und Rauchmelder herstellt hat für Google ein ganz besonderes Potenzial: Sie ermöglicht Google das Sammeln von Daten in der analogen Welt.
Nur einen Monat, nachdem Google Microsoft Doubleclick vor der Nase weg kaufte, legte Microsoft 2007 nach und kaufte für 6,3 Milliarden US-Dollar Aquantive – einen Wettbewerber Doubleclick. Für Microsoft war das bis dato der größte Zukauf der Firmengeschichte. Letztendlich war es ein Flop für Microsoft.
Im Jahr 2013 kaufte Microsoft für 5,4 Milliarden US-Dollar die Handysparte von Nokia. Bereits seit 2011 hatten beide Unternehmen zusammengearbeitet – Nokia war der wichtigste Hersteller für Smartphone mit dem Microsoft-Betriebssystem Windows Phone.
2011 tätigte Microsoft den bis dato teuersten Kauf seiner Firmengeschichte: Für 8,5 Milliarden US-Dollar übernahm Microsoft den Online-Telefondienst Skype. Rentiert hat sich das bis heute nicht. Skype fehlt es an zahlenden Kunden.
Im August 2011 kündigte Google an, den Mobilfunk-Pionier Motorola Mobility zu übernehmen. Insgesamt 12,5 Milliarden US-Dollar zahlte Google dafür. Interessant seien für Google nach eigenen Angaben vor allem das 17.000 Eintragungen umfassende Patentportfolio Motorolas gewesen. Die Liasion hielt nicht lange. 2014 verkaufte Google das Unternehmen für knapp drei Milliarden US-Dollar an Lenovo.
Im Februar 2014 kündigte Facebook an, den Messanger-Dienst Whatsapp zu übernehmen. Der damalige Kaufpreis: 19 Milliarden US-Dollar. Facebook hat Whatsapp wegen des schnell Nutzerzuwachs übernommen. Mittlerweile hat Whatsapp 700 Millionen Nutzer weltweit.
Leider geht diese allzu simple Gleichung oft nicht auf. Häufig werfen die Abspaltungen, Spin-offs genannt, kaum Gewinne ab oder laufen sogar schlechter als der allgemeine Markt: Der Beacon Spin-Off Index, die Basis für einen passiven Indexfonds (ETF), der von Guggenheim Investments gemanagt wird, hat im Vergleich mit dem marktbreiten Russell 2000 Index deutlich Federn gelassen. Der Beacon Index, der 40 kürzlich von ihren Konzernmüttern abgespaltene Aktien enthält, von denen keine mehr als 4,5 Prozent Index-Gewicht haben darf, ist von seinem Hoch im April dieses Jahres 6,4 Prozent zurückgefallen; der Russell 2000 Index, der die 2000 liquidesten US-Nebenwerte enthält, verlor im gleichen Zeitraum nur 0,7 Prozent.
Ausgliederungen sind mitunter weit riskanter, als Durchschnittszahlen es erwarten lassen. Sie scheitern genauso häufig wie sie gelingen. Unterschätzt wird oft von den Anhängern der Abspalterei, dass damit auch viel bereichsübergreifendes Know-how und informelle Zusammenarbeit kaputt gemacht wird, die vorher unter dem Konzerndach stattfand, deren Wert aber sehr schwer in Cent und Dollar messbar war.
Auf zu neuer Blüte?
Die Beweggründe für Firmenausgliederungen sind natürlich verschieden, und so verschieden sind dann auch die Ergebnisse an der Börse. Ein häufiges Argument lautet, eine zuvor leistungsschwache Einheit innerhalb eines großen Konzerns könne unter eigenem Management und mit eigenen Geldgebern aufblühen, da sie nicht mehr in der Konzernzentrale ausgebremst wird, wenn es zum Beispiel darum geht, für zeitkritische Projekte schnell und unbürokratisch Budgets und Mitarbeiter zu bekommen. Zudem könne sich die Muttergesellschaft auch wieder besser auf ihre eigentlichen Stärken konzentrieren.
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Das klingt gut und stimmt sicher auch oft. Ob aber beispielsweise die US-Tankstellenkette CST Brands, die 2013 vom Raffineriekonzern Valero Energy abgespalten wurde, auf sich allein gestellt wirklich besser unterwegs ist als zuvor, lässt sich bestreiten: Die CST-Aktie hat seit der Trennung zwar 38 Prozent an Wert zugelegt. Die Aktie der Ex-Mutter Valero aber ist im gleichen Zeitraum um fast 100 Prozent geklettert.
Vor gut einem Jahr trennte sich das Forstunternehmen Rayonier von seiner Zellulosetochter. Aus der Konzernspaltung gingen zwei eigenständige Firmen hervor, das börsennotierte Holz-Vehikel Rayonier REIT und der Zellulosehersteller Rayonier Advanced Materials. Profitiert hat keiner der beiden. Rayonier verzeichnet 29 Prozent Wertverlust, Rayonier Advanced Materials sogar 67 Prozent.
Teures PayPal
Auf großes Anlegerinteresse stößt die jüngste Ausgründung: E-Commerce-Pionier Ebay entledigte sich am 23. Juli des Online-Bezahldienstes PayPal, den er zuvor den beiden Gründergurus Peter Thiel und Elon Musk (heute: Tesla) abgekauft hatte. In diesem Fall könnte das Spin-off wirklich sinnvoll sein. Ebay möchte sich ohnehin wieder stärker auf sein ursprüngliches Kerngeschäft, Online-Auktionen, konzentrieren. Allerdings ist es womöglich zu spät, jetzt noch Ebay zu kaufen, die Aktie ist seit Oktober letzten Jahres schon rund 90 Prozent im Plus und teuer: Das Kurs-Gewinn-Verhältnis auf Basis der Analystenschätzungen für 2015 beträgt 17.
PayPal wiederum, das 2002 schon einmal für kurze Zeit börsennotiert war, wurde von Ebay damals für nur 1,5 Milliarden Dollar von der Börse geholt; heute ist der Bezahldienst das 31-Fache wert: 47 Milliarden Dollar. Sicher, auch die Umsätze haben sich vervielfacht, aber langfristig besteht die große Gefahr, dass das elektronische Abwickeln von Überweisungen eine margenschwache Standarddienstleistung wird.
Weitere Abspaltungen dürften in den kommenden Monaten stattfinden. So will die US-Buchhandelskette Barnes & Noble ihre Hochschulbuchhandlungen als Barnes & Noble Education abspalten. Die weltgrößte Mietwagenfirma Hertz will ihr Geräteverleihgeschäft in ein separates Unternehmen, Hertz Equipment Rental, ausgliedern und der Investitionsgüterhersteller Manitowoc seine Gastrotechnikgruppe auf eigene Beine stellen.
Nach Daten der US-Beratungsfirma Strategas liefen Spin-off-Aktien in den vergangenen sechs Jahren im Schnitt 2,6 Prozentpunkte schlechter als die Börse, während die Ex-Konzernmütter der Börse im Schnitt um 2,2 Prozent nachhinken.
Wie können Anleger gute Spin-offs von Rohrkrepierern unterscheiden? Indikatoren für mögliche Versager sind oft hohe Schulden und Ankündigungen von Spin-offs nach jahrelangen Börsenhochs. Hinterfragen sollten Anleger in jedem Fall die Motive: Oft versucht das Management der Mutter, deren Zahlen auf Kosten der Töchter zu verbessern.
Fakten zu Übernahmeprämien - Goodwill
In der Regel zahlen Unternehmen bei einem Erwerb eines Konkurrenten eine Übernahmeprämie (sogenannter Goodwill oder Firmenwert).
Dieser Goodwill bemisst sich aus der Differenz zwischen gezahltem Kaufpreis und dem bewertbaren Vermögen des erworbenen Unternehmens.
Bis ins Jahr 2004 galt die Regel, diesen Goodwill regelmäßig abzuschreiben, mit einer Laufzeit über 10 bis 15 Jahre. Früher wurde unterstellt, dass die gezahlte Prämie keinen ewigen Nutzen darstellt und sich etwa wie eine Maschine abnutzt. Seit neun Jahren ist diese Regel abgeschafft. Stattdessen müssen Unternehmen einmal jährlich testen, ob die einst gezahlte Prämie noch gerechtfertigt ist. Ist dies nicht der Fall, müssen sie auf den Goodwill abschreiben. Für den Test zählen unternehmensspezifische Indizien wie die Schätzung zukünftiger Mittelzuflüsse oder Zinsannahmen; extern wirken Konjunktur und Börsenentwicklung als Indikatoren ein. Rezession oder Finanzkrise – das alles ficht die 30 Dax-Unternehmen kaum an.
Anlegern drohen wegen der nur sehr geringen Abschreibungen böse Überraschungen: Bei plötzlichen hohen Abwertungen würden Aktien, gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis, teurer; zudem bräche das Eigenkapital der Unternehmen ein.
Und: Sollten die Boni für die Konzernmanager an eine kurzfristige Steigerung der Aktienrendite geknüpfte sein, ist immer Vorsicht geboten. Dan Kozlowski, Portfolio-Manager bei Janus Capital Fonds, versucht, vor Käufen zu recherchieren, ob eine Einheit „aus den rechten Gründen“ abgespalten wird, wie er das nennt. Oft werde eine angeschlagene und mit Schulden überladene Sparte vom Management via Börse „weggelobt“.
Gründlich daneben
Ein Beispiel für eine gründlich vermasselte Ausgründung ist die vom US-Chemieriesen DuPont im Juni 2014 abgespaltene Spezialchemiefirma Chemours. DuPont stand seinerzeit unter starkem Druck des aktivistischen Investors Nelson Peltz, die Aktie war der Börse seit Jahren hinterhergelaufen. Peltz sammelte DuPont-Aktien ein und verlangte auf der Hauptversammlung energisch die Abspaltung der ertragsschwachen Chemours.
Das Ergebnis ist sicher nicht in seinem Sinne: Die Ausgliederung fiel in eine Zeit, in der die Preise für Titandioxid, einem Schlüsselprodukt des Unternehmens, plötzlich zu fallen begannen; die Gewinne fielen entsprechend mager aus. Dazu startete das neue Unternehmen mit vier Milliarden Dollar netto Schulden.
Die Verschuldung wog schwer genug, um Chemours bei der Agentur Moody’s ein Ramsch-Rating einzubringen. Auch sollte Chemours jedes Quartal eine Dividende von 100 Millionen Dollar ausschütten – was sich angesichts des mageren freien Mittelzuflusses und der begrenzten Kreditaufnahmekapazität schon nach der ersten Ausschüttung als illusorisch erwies.
Die Chemours-Aktie verlor 28 Prozent seit dem Spin-off. Ausgerechnet Peltz, der sich als auf fremdfinanzierte Übernahmen spezialisierte Heuschrecke einen Namen gemacht hat, hatte zuvor lauthals „solidere Finanzstrukturen“ für Chemours gefordert.